Samstag, 23. August 2014

Brief Florian 7.11.1996



 Je näher Irland rückt, desto öfter denke ich an Florian und lese wieder in seinen Briefen. Heute möchte ich Euch einen seiner lebendigen Briefe "schenken"... vielleicht das größte Geschenk, das ich machen kan :)


Irland, Donnerstag, 7. November 96
 
Liebe Gabi,

es ist 23.00 Uhr und ich habe gerade an Lutz geschrieben. Danach habe ich meinen Hocker genommen, meine Dachluke aufgemacht und eine Zigarette geraucht. Die Lichter im meinem Zimmer sind, bis auf ein paar Kerzen, erloschen und ich habe den klaren Sternenhimmel genossen. Dann habe ich die Lichter eines Flugzeuges gesehen und plötzlich das Bedürfnis gehabt, nach Berlin zu fliegen. Dies sind die Gefühle des Heimwehs, die ich ab und an habe und die mir sagen, daß ich Ende Dezember auf jeden Fall kommen möchte.

Ich will Euch alles erzählen, mit Euch lachen und Euch sehen. Ihr seid jetzt auf Gomera, in meinen Gedanken aber in Berlin, in Köpenick, bei uns  zu Hause!

Ich merke, wie ich immer mehr mit diesem Platz hier verwachse, ohne aber zu vergessen, wo meine Wurzeln, mein wahres zu Hause ist. Ich liebe und schätze diesen Platz, sehne mich aber manchmal nach dem Vertrauten, dem Privaten.

Heute war mein Day-off und ich habe ihn – zum ersten mal seit bestimmt 4-5 Wochen in meinem Zimmer verbracht. Ich wollte mich mal wieder erholen. Ich habe das Buch „Rote Sonne – Schwarzes Land“ zu Ende gelesen. Unter anderen bin ich dabei auf den Spruch gestoßen:

                 Wir alle haben zwei Leben. In das eine sind wir hineingeboren
                     worden. Das andere Suchen und gestalten wir uns selbst“.

Ich fand diesen  Spruch sehr schön und treffend und habe über ihn nachgedacht. Ich mußte dabei an Freunde in Berlin denken und darüber, warum sie sich das Leben so schwer machen, alles dem „Schicksal“ überlassen? Ich denke viel über sie nach.

Gestern, Mittwoch, waren Douglas und ich beim „Irish-Dancing“ und hatten viel Spaß und Lachen. Es ist ein setdance; immer zwei Paare, die sich gegenüber stehen. Dann wird sich gedreht und gekreist, daß sich alles nur so dreht. Ich tanzte mit einer 23-jährigen Irin getanzt.  Dies war eine Ausnahme, da sonst fast nur Mitte 40 bis Ende 60-jährige Frauen und Männer dort waren.
Nächste Woche gehen wir auf jeden Fall wieder hin.

So, jetzt höre ich auf, es ist 23.30 und ich muß morgen um 7.00 früh melken.


Alles Liebe
 Dein Florian


Douglas und Florian auf ihrem Tandem, das sie in einem Schuppen gefunden hatten - natürlich ohne Bremse :) 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen