Montag, 7. Januar 2013

A Home in Connemara Teil I







"Every feature of the landscape, everything that we see, hear, smell und feel, enters not into the body alone, but into the soul, and helps to shape and  colour it"
H.W. Hudson

31.12.2012

Im Anflug auf Dublin lichten sich die dichten Wolken geben den Blick frei auf die irische Küste und vorgelagert die  Halbinsel Howth – ein grünes Idyll, das wir am Ende unserer Reise noch einmal besuchen werden.

Dieser Augenblick, in dem die Insel erscheint, ist und bleibt sehr bewegend für mich und ich lasse es zu, dass Tränen rollen, während im Flugzeug eher fröhlicher Aufbruch entsteht.. We are short before landing. Hans-Jürgen sitzt entfernt am Fenster. Wir konnten uns nicht auf Plätze nebeneinander einigen, nun vermisse ich seine Hand.

Das Wetter ist dem in Berlin ähnlich:  grauer Himmel –  es regnet zumindest nicht.

Mit Handgepäck sind wir schnell unterwegs und sitzen bald im gemieteten Auto auf der Fahrt nach Clifden… Wir fahren in die Dunkelheit – und hinter den grauen, tiefliegenden Wolken erscheint noch einmal ein leuchtend roter Streifen der untergehenden Sonne, als wir uns Richtung Westen Galway nähern.   Dann wird es dunkel und nur die Scheinwerfer werfen ein begrenztes Licht auf die Landschaft deren Schönheit uns bei Tag sonst bereits den Atem raubt.. 



Schnell ist eingecheckt, das B+B macht einen guten Eindruck. Das Zimmer ist groß und geräumig, was bei 3 Übernachtungen sehr angenehm ist.. Zu Fuß machten wir uns auf im einsetzenden Nieselregen. Leere Straßen, alles völlig ruhig – wie wunderbar!  Ein Tisch wartet auf uns im Restaurant des „Kings Pub“ und mit einem Glas Prosecco werden wir schon erwartet:  „Are you Gabriele?  Welcome and enjoy your dinner“.  Damit hätten wir rechnen müssen:  ein 8-Gänge-Menu wartete auf und es gab kein Zurück! Gerichte wie:  „Organic Goat Cheese Tartlet with mediterranean vegetables ratatouille and plum compote” – ließen eines erwarten und wir wurden nicht enttäuscht! Das Essen war ausgesprochen gut und strafte uns Lügen, dass man in Irland keine Gourmet-Küche kennt.



Ausgelassene Stimmung an den anderen, wenigen Tischen und langsam füllte sich auch der Pub, in den wir von oben hinabsehen konnten. Was würde wohl alles noch geschehen in dieser Sylvesternacht? 

Mit einem Glas Guinness sitzen wir später am riesigen Tresen im Pub und sehen dem wirklich immer munterer werdenden Treiben zu. Vor allem die jungen Frauen scheinen in dieser Nacht ihren großen Auftritt zu haben:  in knappsten Kleidern mit den höchsten Absätzen, geschminkt und zurecht-gemacht wie für einen Ball stehen sie im Pub, singen und lachen und werfen sich einfach in diese Nacht – als wäre es ihre letzte… beneidenswert und wissen wir es denn?  Ohrenbetäubend die life music und lauthals wird mitgesungen… bis um 12 Uhr die letzten 50 Sekunden gemeinsam heruntergezählt werden- und der Raum voller Luftballons ist – die man sich mit einem „Happy New Year“ zuwirft!  Wir umarmen uns – und was wir uns wünschen, das müssen wir nicht mehr aussprechen.  Wir sind so dankbar, hier zu sein – und wir haben eine gemeinsame „Mission“….

Aber heute schauen wir einfach zu bis wir müde sind – was nicht allzu lange dauert – und im B+B fallen wir in einen traumlosen Schlaf.  Ein neues Jahr – was wird es bringen? Wird es unsere Wünsche, Hoffnungen und Träume erfüllen?

Einer ist schon erfüllt:  wir sind in Irland!

Clifden - Main Road




1.1.2013



Ich ziehe die Vorhänge auf, durch die kaum Licht fällt, obwohl es schon 9 Uhr ist. Vor mir ein Himmel in leuchtenden Rottönen, vor dem sich die Berge der Twelve Bens grau abzeichnen.. Es hat aufgehört zu regnen, die Luft ist frisch und es sieht aus, als könne es ein guter, sonniger Tag werden!



Das Frühstück für mich ist ein wenig dürftig – aber nach dem opulenten Mal des Vorabends gerade richtig. Hans-Jürgen kann sich ein Irish breakfast dennoch nicht verkneifen. Irgendwie haben wir es eilig, sind aufgeregt und voller freudiger Erwartung. Wie wird es sein, wenn wir uns dem School House nähern? Wird der Funke, wenn wir das Tor durchschreiten wieder überspringen?  Werden wir ernst machen mit unseren Plänen?  Wir sind  gekommen, um eine Entscheidung zu treffen:  Kaufen wir  das School House oder verabschieden wir uns von unserem Traum.




Wie wir es vorausgesagt haben, wird das Wetter immer besser und die Sonne übernimmt! Unglaublich, denn nun erst werden wir, je mehr wir uns der Gegend Connemaras nähern, der unser Herz so sehr verfallen ist, von der Schönheit, der Farbpalette der Landschaft und der sich abhebenden Blautöne des Atlantik beinahe geblendet! 



Wir kennen jede Kurve dieser Küstenstraße, die sich von Clifden nach Roundstone windet und haben so oft angehalten, um den Zauber der Landschaft in uns aufzunehmen.

Unbeschreiblich diese Moorlandschaft, eine Urlandschaft, kaum berührt und sie zwingt zum Hinsehen, denn ihr Licht, die Schatten, die die schnell dahinfliegenden Wolken auf den Tümpeln und kleinen Moorsehen hinterlassen, sind stets nur einen Augenblick sichtbar. Dann wandelt sich das Licht und damit die Stimmung.

Hier zählen die Momente, jeder einzelne und ich realisiere in Irland mehr als sonst, dass unser Leben aus eben diesen Momenten besteht, aufgereiht wie auf eine Perlenschnur...Moment an Moment. Sie zu leben, sie zu nutzen, sie zu genießen, dies ist unsere Aufgabe.



Heute haben wir es ein bisschen eiliger… und dann ist es mit einem Mal da – das Calla School House! „Da steht unser Haus“, sagt Hans-Jürgen und ich schaue ihn ungläubig an. In diesem Moment erscheint mir irreal, was ich gerade erlebe. Wie oft habe ich diesen Moment vor meinem inneren Auge gesehen…  und nun ist er da!



Ich öffne das Tor, das immer nur angelehnt ist und lediglich dazu dient, die Kühe/Schafe davon abzuhalten, auf das Grundstück zu gelangen… und Hans-Jürgen fährt das Auto vor das Haus.

Werden wir diesen Moment in einer Zukunft, die jetzt vielleicht gerade begonnen hat, oft und immer wieder erleben?



Das Haus ist uns schon vertraut und fast sieht es aus, als habe es auf uns gewartet… ein wenig wie ein Patient, der auf Behandlung wartet… die Krankheit ist nicht aussichtslos – aber es muss etwas geschehen. Ein wenig bedauernswürdig und der Schönheit seiner Lage einfach nicht entsprechend – noch nicht! 




Wir haben den Schlüssel im B+B von Sinead hinterlegt bekommen und betreten das Haus doch mit einiger Anspannung… Kühle Luft schlägt uns entgegen, ein leiser Geruch von Feuchtigkeit aber sehr viel weniger als befürchtet.

Der alte Koffer im Flur, voller Dokumente derer, die hier zuletzt gewohnt haben. Fotoalben,Karten, ein Tagebuch, in das ich später schauen werde.. herabhängende Vorhänge, überall Papier auf den alten, schäbigen Teppichen.. die Küche, schmutzig und heruntergewirtschaftet…alles nicht einladend – und doch stößt uns der Anblick nicht ab… Wir haben uns an ihn gewöhnt, denn auf vielen Fotos, die wir im September gemacht haben, sieht es identisch aus.

Hans-Jürgen beginnt sofort mit der Arbeit. Zunächst der Überprüfung der Böden.  Zu unserer Freude stellen wir fest, dass der Eingang (the porch), ein Drittel des Flurs und das Zimmer, das einmal für meinen Bruder Michael  vorgesehen ist,  mit kleinen quadratischen Steinen gepflastert ist.. Hier kann schon mal kein Holzwurm sein!

Die Teppiche liegen doppelt und dreifach auf den restlichen Holzböden und schnell ist uns klar, weshalb:  wenn wir sie anheben, steigt kalte Luft durch die Spalten der alten Dielen.  Hier gibt es keine Rettung:  diese Böden müssen alle – zumindest hochgenommen – werden und es muss eine Isolierung unter alle Holzböden im Haus. Das haben wir auch so erwartet..

Die Räume erscheinen uns ein wenig kleiner als wir sie erinnern – aber alles in allem finden wir das Haus so vor, wie wir es vor fast 4 Monaten zurückgelassen haben.




  Blick zum Atlantik
 
 Blick auf den "bog"
 

Mich zieht es in den Garten – wir öffnen die beiden Eingangstüren, um frische Luft hereinzulassen und erkunden das Haus von außen.  Immerhin war Sommer beim letzten Besuch und nun ist Winter – auch in Irland.  Die Buschrose, die so schön blühte, ist kaum zu sehen – wie unansehnlich sie ist um diese Zeit und sie mahnt uns gleichzeitig, dass unser Plan, entlang der das Grundstück zur Straße abgrenzenden kleinen Mauer, keine Buschrosen zu pflanzen!

Ansonsten sieht es nicht wesentlich anders aus.  Es ist grün, die Weide trägt keine Blätter aber die Heckenbüsche sind immergrün und sehr üppig.  Sie brauchen dringend einen Schnitt!



Die Landschaft um uns herum ist heute eingetaucht in ein unbeschreibliches Licht… einzigartig und nur hier erleben wir dieses Leuchten der Felder, der Wiesen, Brauntöne, die Dutzende von Schattierungen haben, das Wasser des Maumeen-Lake, das mit seinem  Azurblau einen so wundervollen Kontrast schafft – dahinter die Berge der Twelve Bens – alles zum Greifen nah. Selbst im September waren diese Blicke nicht so intensiv und so ergreifend. Heidelandschaft – unvergleichlich und zutiefst berührend. Wir verstummen angesichts dieser unberührten, wilden Schönheit. 


Hand in Hand durchschreiten wir den Garten und blicken auf der Vorderseite des Hauses auf die Küste, die nicht weniger attraktiv und heute in diesem Licht überwältigend schön ist. Da das Meer sich um diese Zeit weit zurückgezogen hat, eröffnet sich uns eine Meereslandschaft von Stränden und Felsen, mit Seetang bedeckt, die in diesem besonderen Licht farbenprächtig leuchten.

Und darüber der Himmel: Man kann sich an seinen Wolken einfach nicht satt sehen. Wie gemalt und am Himmelsblau aufgehängt sehen sie aus – so malen Kinder Wolken – wie dicke, runde Schafe…

Bunte Boote liegen in den leergelaufenen kleinen Häfen. Dahinter die See leuchtend blau und am Horizont trifft sie den Himmel.



Sollen das wirklich „unsere Blicke“ werden, wenn wir künftig nach Irland kommen?  Es ist – noch immer – als würden wir träumen.


Wir rufen Peter und Cornelia an, Architekten aus Dublin und Nachbarn, mit denen wir uns hier verabredet haben.

In der Zwischenzeit inspizieren wir den riesigen Schuppen, den wir noch einmal genau nach Brauchbarem durchstöbern wollen, bevor er (sollten wir das Haus kaufen) bis auf ein Drittel abgerissen wird. Er steht unserem Blick auf den „bog“ im Weg! Hier sieht es schlimm aus. Es war wohl eine Werkstatt. Riesige Wolle- und Stoffmengen, Papier, Zeichnungen und Haushalts-gegenstände, die offenbar niemand mehr haben wollte.  



Eine Plastikkiste, die wir öffnen, lässt uns erstaunen und auch ein wenig erschauern:  Susan, der diese Unterlagen, die wir hier finden, gehörten, war Therapeutin und hat offenbar Workshops im Haus gegeben und ihr Thema war die TRAUER!  Wir finden zahllose Papiere und Unterlagen mit Texten zur Trauer.  Wir sehen uns wissend an. Ja, dieser Ort hat es in sich. Das haben wir vom ersten Augenblick an gespürt. Hans-Jürgen zieht ein Holzschild hervor, auf dem „REIKI“ steht…. Also war offenbar Susan die „Heilerin“ und nicht der alte Mann, der sich „der letzte Schamane von Connemara“ nannte.  Oder auch er? Über ihn finden wir nichts. 

                                                    

Im Flur liegt die Brille von Susan, wie wir auf einem Foto von ihr sehen können. Ich finde einen kleinen Schüsselanhänger mit ihrem Foto und auf der Rückseite das Foto einer Möwe, wie wir sie – zusammen mit Florian - auf unserer Fahrt entlang des Ring of Dingle fotografiert haben.. Zufall?

Noch einer? Diese Dinge möchten wir bewahren. An der Wand, auf einem eigens eingeschlagenen Haken steht ein großer Herzstein.. Überall um das Haus stoßen wir auf diese Steine, die wir selbst doch seit Florians Tod sammeln und zu Dutzenden aus Irland mit nach Berlin geschleppt haben..

Jemand aus diesem Haus hat sie ebenfalls gesammelt… 



Wir sind irgendwie empört darüber, dass mit Susans Nachlass so respektlos umgegangen wird,  bis wir von Peter und Cornelia später erfahren, dass sie die zweite Frau des Mannes waren, mit dessen Kindern wir nun die Abwicklung des Kaufes – sehr mühsam – zu bewältigen versuchen!

Sie haben sie gemieden – sie war nicht ihre Mutter, die offenbar vom Vater verlassen worden ist.

Wir werden sicher später noch mehr über dies Haus und seine Bewohner erfahren. Eine Nachbarin – Rita – soll die „Familieninterna“ kennen. Ich weiß gar nicht, ob ich sie alle wissen möchte..

Wir beschließen, die Kiste mit den Dokumenten mit ins B+B zu nehmen und alles noch einmal in Ruhe durchzusehen.




Hier ein Foto von Ihrer website:  links Cornelia, Peter in der Mitte... 
 
Und schon hören wir Peter und Cornelia kommen, beide in grünen Gummistiefeln und irischen Regenjacken!  Eine herzliche  Begrüßung und dann verbringen wir einige Stunden mit ihnen im School House – gehen von Raum zu Raum – inspizieren, besprechen, lachen, überlegen und entwerfen. „No new roof“ – das ist die beste Nachricht, die sie uns sofort vermitteln. Dem Holzwurm solle zwar der Kampf angesagt werden, aber beide gehen davon aus, dass dies auch ohne ein völlig neues Dach geschehen könne!  „You will need the money for other things“… und irgendwie fällt uns ein Stein vom Herzen.  Das Dach war uns zum Verhängnis geworden, denn – hätten wir es wirklich völlig neu machen müssen – hätte es einen Großteil unseres Gesamtbudgets aufgefressen..
Die Chemie zwischen uns stimmt vom ersten Augenblick an – und so fällt es leicht, zusammen zu sein – auch zuzugeben, wenn wir etwas nicht verstehen und als sie uns – zum Aufwärmen – zu einem „cup of tea“ bei sich einladen, stimmen wir freudig zu!





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen