Donnerstag, 30. September 2021

Connemara Diary 2021 - part 2 -


Dublin empfing uns – als würde es uns um Verzeihung bitten wollen – mit Sonne und auch der Blick ins Irland-Wetter versprach Sommer! 

Sobald wir Galway Richtung Oughterard und Clifden verließen, die Landschaft sich veränderte, die Berge sichtbar wurden und der Bog, der die Farben in den Wochen noch einmal gewechselt zu haben schien, trat die Ruhe ein und tiefe Dankbarkeit, diesen Flecken Erde nun für eine Weile um uns haben zu können!

 Ich werde in diesem Jahr mehr Schlaglichter oder Highlights festhalten, als chronologisch berichten. Immer hält Irland für uns Überraschungen bereit, die uns in Staunen und Demut versetzen und sie sind das, was unser Irland so besonders macht: Hier geschehen sie, die kleinen Wunder und hier - tatsächlich - ist uns Florian so nah, wie sonst nie.

Flori-Land nannten wir Irland oft und auch heute bewahrt dieses Land die Seele meines Jungen in sich. Daran hat sich - spürbar - nichts verändert.  Hier zerreißt der Vorhang zwischen dem Dort und dem Hier und ich erlebe Momente, in denen ich mir der Anwesenheit von Florians Seele ganz und gar sicher bin. Dann erfüllt mich ein Vertrauen, dass alles vielleicht doch einen Sinn hat, den zu verstehen meine Aufgabe ist und mich dem, was ich spüre, nachzugeben und mich führen zu lassen.  Über solche Augenblicke möchte ich schreiben.


“The whole time… love is but a few inches away from you. It is at the edge of your soul, but you have been blind to its presence.”
Pasternak: “When a great moment knocks on the door of your life, it is often no louder than the beating of your heart, and it is very easy to miss it.” 



Als wir hier eintrafen, waren meine Nichte und ihr Mann bereits seit zwei Tagen hier und dies nahm uns die zunächst befürchtete Unsicherheit.  Wir hatten Ablenkung, es gab so viel zu tun im Garten und die beiden, die das Haus einmal übernehen sollen, krempelten die Arme hoch.  Es war Leben hier und Lachen, aber auch Gespräche, die sich mit der Zukunft des Hauses, des Ortes, der uns so viel bedeutet, befassten. 

Ich blende unser Alter nicht aus. Ich habe keine Angst davor, zu sagen, dass ich alt geworden bin.  Im Gegenteil.  An meinem 74igsten Geburtstag, den wir zusammen nach einigen Tagen begingen, “feierte ich das Leben”; dankbar und zugleich in großer Trauer und Sehnsucht nach Florian.  Es bleibt ein durch und durch zerrissener Tag.



Mit unseren Familiengästen erlebten wir aber auch eine neue “Heatwave”, wie wir sie nur einmal hier erlebt haben. Die Strände, die schon im Juni voller Menschen waren, erinnerten uns an den “Süden” und dass auch Hans praktisch täglich schwimmen konnte, das hatte es noch nie gegeben. Dass der "Klimawandel”, wie wir noch immer verharmlosend sagen, auch hier zu erfahren ist, kann keiner mehr leugnen.  Dieser Sommer war sehr trocken, sehr warm und braungebrannte Iren waren uns früher nur sehr selten begegnet. Unser Glaube, sie seien völlig unempfindlich gegen Kälte, aber würden empfindlich auf Hitze reagieren, wurde widerlegt. Rückten wir im Café schnell unter einen Schirm oder suchten Schatten an der Hauswand, saßen sie in praller Sonne und schienen es einfach zu genießen.  Wieder etwas gelernt!

 


Hans bestieg mit den beiden den Erisbeg an einem etwas kühleren Tag, ich genoss es, alleine an Calla Beach zu sein und meinen Gedanken nachzuhängen. Die Weite, die Tatsache, dass nichts und niemand etwas von mir verlangte und ich ganz und gar bei mir selbst sein konnte, war unglaublich schön und ich füllte alle “Gefäße” in mir auf, die in den vergangenen Wochen leergelaufen waren. Eine Freundin hatte mich vor kurzem gefragt, woher ich diese unerschöpflich erscheinende Liebe nähme. Ich glaube, es ist mit der Liebe einfach so, dass, je mehr wir sie an andere verstreuen, desto mehr wird sie. Die Liebe scheint etwas zu sein, das durch das Geben mehr wird, ein Paradoxum also. 

 


Als die beiden abfuhren, nahmen wir das Haus erst einmal richtig in Augenschein und mussten betrübt feststellen, dass das Vertrauen, das wir unseren Gästen entgegenbringen, nicht immer gewürdigt zu werden scheint: es fehlten einige Dinge, am schmerzlichsten für mich, meine (orthopädischen!) Sandalen. 

Uns erschien es so, als habe das Haus in unserer Abwesenheit ein Eigenleben geführt und es an der Zeit war, ihm wieder Richtung zu geben. Immer wieder sind wir gezwungen, das Haus wieder zu unserem Haus werden zu lassen - so, wie es war, als wir es zuletzt verließen.

Jetzt fanden wir auch die Zeit, uns dem zuzuwenden, was wir bereits an Kunst entdeckt hatten und was uns sehr neugierig machte, war "The Mirror Pavilion".  

Diese riesige Skulptur, die im Rahmen der Ausstellungen zur "Kulturhauptstadt Europas in Galway 2020" von John Gerrard geschaffen wurde, wurde in diesem Jahr im Rahmen des "Galway International Art Festivals" auch in einer anderen Präsentation im Derrigimlagh Bog für vier Wochen aufgestellt.

Der Derrigimlagh Bog ist eine ausgedehnte Moorlandschaft südlich von Clifden mit weltpolitischer Bedeutung. Hier wurde im Jahr 1907 die erste Funkstation für Überlandsignale nach Amerika mit riesigen Transformatoren installiert und im Jahr 1919 landete direkt daneben der erste Transatlantikflug von Alcock + Brown, mehr oder weniger kopfüber im "bog". 

Seit kurzem ist ein interessanter historischer Pfad durch den "Bog" angelegt worden, auf dem man nun auch zu dem "Mirror Pavilion" gelangt.


Der Spiegelpavillon von John Gerrard ist eine Antwort auf die eskalierende Klimakrise und drückt die Grenzen der digitalen Kunst mit Hilfe der Simulation aus. Gerrard hat digitale Technologien verwandt, um virtuelle Welten zu erstellen, die authentische Landschaften simulieren.

Die Landschaften, die wir auf dem LED-Bildschirm sehen, können wie ein Video oder Film aussehen, aber sie sind es nicht; Sie schweben in dem, was der Künstler als "beweglichen Raum" zwischen dem echten und dem Unwirklichen beschreibt.


mirror-pavilion by John Gerrard  für die, die mehr wissen möchten.