¨Bergfest¨ liegt schon hinter uns und eigentlich
hatte ich dieses Mal nicht vor, zu schreiben.
Das Wissen, dass dieser Aufenthalt, noch schnelller
als andere, von neuen Eindrücken überlagert werden würde und ich wohl noch
nicht einmal dazu käme, diese Aufzeichnungen zu übertragen, machten mich eher
mutlos.
Zur Erklärung:
Wir werden - zurück aus Calla - nur 2 Wochen später für 10 Tage nach Kanada
fliegen: keine Ferienverlängerung, ein Krankenbesuch, den ich lieber nicht
hätte machen müssen!
Nun aber habe ich mich umentschieden und
beschlossen, einige Eindrücke doch auch diesmal festzuhalten, weil sie mir
wichtig sind, weil ich sie mir irgendwann wieder zurückholen möchte, weil sie
schön sind und es wert, festgehalten zu werden!
Beginnen möchte ich mit einem Besuch, den wir
gestern auf Inisnee gemacht haben und der seinen Ausgang bei der ¨ Irish Night¨
in Roundstone an meinem Geburtstag hatte.
Claudia stellte uns Helene vor (Name geändert),
eine Deutsche, die seit den 70iger Jahren auf Inisnee ein Cottage hat. Wir
unterhielten uns nach dem Konzert kurz, tauschten aus, was man so zu Beginn
hier als ¨Continentals¨ austauscht und verabredeten, uns gegenseitig zu
besuchen. Wir waren gespannt, denn Helene gehört damit ja noch zur Generation
der ¨ Pioniere¨, was die Entdeckung dieser Insel angeht...
Durch unseren Besuch hier dauerte es eine kleine
Weile und gestern dann hatten wir uns für abends verabredet mit dem
verlockenden Angebot, nicht einer
gewöhnlichen Einladung Folge zu leisten, sondern mit einer Art Performance (work
in progress) überrascht zu werden, wenn wir dies wollten - und natürlich
wollten wir!
Inisnee, die kleine Insel, die Roundstone
vorgelagert und früher nur mit einer Holzbrücke verbunden war, ist jetzt über
eine komfortabel breite Brücke zu erreichen. Viele neue Häuser wurden gebaut,
aber viele Ruinen sind weiterhin Zeugen der alten Geschichte.
Ein schöner Rundweg, an dem auch das Haus von
Helene und Moritz (Name geändert) liegt, gehört zu unseren gerne gegangenen
Wegen. Vom Hafen aus steigt der Weg
recht steil an und gibt wunderbare Blicke frei über die Bucht. An den
Wegrändern blüht es wunderschön. Sie liegen geschützt. Monpretien, niedrige Farne und
Glockenheide. Die Weiden sind grün,
gemäht oder von den Kühen abgegrast. Schafe, die sich beim Näherkommen abwenden und dann oben angekommen, das
Cottage an exponiertem, schönenem Platz mit Übersicht über die Bucht und Blick
auf die Berge. Niemand scheint sich
dafür zu interessieren, denn es steht seit vielen Jahren leer und langsam
beginnt es zu verfallen. Der Zugang ist
schwierig, es gibt keinen Strom und wahrscheintlich auch keinen Wasseranschluß. Für ein holiday home alles zu teuer, hier zu
leben, vielleicht zu mühsam.
Der Weg geht nun bergab, vorbei an einem
Ruinendorf, aus dem leuchtend rot Fuchsien wachsen und einem bescheidenen
Feriencottage. Niemand scheint in diesem Sommer dort gewesen zu sein. Das Gras
steht hoch, es sieht irgendwie traurig aus.
Dann steigt der Weg an und wird zu einer
asphaltierten Straße. Hier gehen wir
vorbei an Mauern,die die dahinter stehenden Häuser verstecken bis zum alten
Friedhof. Er ist einer der ältesten Irlands - die Grabsteine / soweit noch
vorhanden und aus dem Gras ragend / dem Meer zugewandt. Diesmal laufen wir
vorbei, da es Zeit wird für unseren
Besuch.
Der Weg zum Haus ist von Helene gut beschrieben
worden.
Wir gehen durch ein schwarzes Holztor und sind auf
einem Pfad, der sich den Abhang hinunter Richtung Wasser schlängelt, eingefasst
von leuchtendem Ginster, der sich an die Felsen schmiegt und in der Abendsonne
leuchtend rote Heide. Ein von der Natur
angelegter schöner Park!
Das Haus müssen wir erst zwischen einer großen
Anzahl verschiedenster Bäume ausmachen:
Ein völlig verwunschener, unglaublicher Ort! Wir stehen - und staunen! Wie kann inmitten dieser rauhen,
ungebändigten Natur solch ein lieblicher Garten entstehen? Apfelbäume, die sich unter der Last roter und
gelber Äpfel biegen, Tomaten an der Hauswand eines der aus offenbar
mehreren Häusern bestehenden ¨Anwesens¨,
Salat in Töpfen und Schüsseln... Der erste Eindruck. Eine steile Treppe führt
den Hang ein Stück hinab und wir schauen
über eine Terasse, gesäumt von blühenden und üppigen Pflanzen auf das Meer, das
hier einem See gleicht.
Rosmarin, Lavendel - als wären wir im Mittelmeerraum... Ein Traum!
Helene und Moritz kommen uns entgegen und begrüßen
uns herzlich und nehmen uns unsere Sprachlosigkeit! Wir bitten um eine Führung durch dieses
kleine Paradies und gehen auf schwer zu gehenden kleinen schmalen Wegen mal
bergauf, mal bergab durch einen Garten Eden.
Der große Feigenbaum hat in diesem Jahr süße, dicke Feigen
produziert. Auf Mauern liegen Kürbisse,
in den von diesen Mauern geschützten
Räumen wächst Gemüse, wachsen Kartoffeln.. Wir sind überwältigt!
Beim Gehen erfahren wir schon mehr von der
Geschichte dieses Ortes, den Helene mit ihrem damaligen Mann in den 70iger
Jahren fand und aus den Ruinen mehrerer kleiner Häuser dieses Ensemble aus
eigener Kraft aufbaute. Es gibt keinen Strom aber seit einem Jahr (Dank einem
Solardach) nun selbst erzeugten! Es gibt
keinen Wasseranschluß an das örtliche Netz, nur eine Wasserstelle in der Küche,
durch die eigene Quelle gespeist. Es gibt also auch kein WC - sondern nur eine
Art (modernerem) Plumsklo, das ökologisch auf dem neuesten Stand ist!
Wir betreten das erste Haus und stehen in der
Küche, in einem Anbau an das Cottage unter einer Art Glasdach mit wunderschönen
Blicken in den Garten. Hier ist es warm vom Sonnenlicht des Tages.
Alles ist so einfach und so schön und
liebevoll! Hier herrscht eine ganz
besondere Athmosphäre, die sich von der uns gewohnten völlig und auch wohltuend
unterscheidet. Wo immer das Auge
hinwandert, es bleibt an kleinen Besonderheiten, wie der aus groben Felssteinen
errichteten Wand hängen. Alles passt zu
einander, viele kleine Deatails ergänzen sich zu einem Ganzen, Schönen!
Der Hauptraum im Cottage beherbergt einen riesigen
Kamin, der sich über die gesamte Wand erstreckt... Der eigentliche Ort des
Abbrennens von Torf oder Holz ist eingelassen und hat normale Ausmasse. Die Menschen konnten in diesen riesigen
Kaminen Platz am Feuer finden.
Wir haben dies schon öfter hier gesehen.
Einfache, schöne Möblierung und ein üppig
gedeckter Tisch mit fertigen Broten mit Lachs, Schinken und Käse belegt,
kleinen Apfelstückchen garniert. Oliven, eingelegte Zwiebeln und Salat, alles
so hübsch und einladend präsentert.. Wir habben das wirklich nicht erwartet und
nehmen zusammen gemütlich am Tisch in der Küche Platz, denn dort ist es noch
wärmer.
Das Gespräch bei Wasser und Wein (das Wasser
stammt aus einer Quelle auf dem Grundstück von Ballynahinch Castle) fliest
einfach und leicht und unkonventionell und interessant dahin.
Es ist schön, wieder von jemandem, der diese
Gegend seit so vielen Jahren gut kennt,zu hören.
Viele Geschichten der Bewohner von Inisnee und
viele Geschichten, die sich an die anreihen, die auch Iris und Michael von
Erislannan erzählen!
Uns wird wieder einmal und immer bewußter, in was
für einer arachischen Welt die Menschen hier zum Teil noch leben! Das konnten wir uns früher nicht
vorstellen. Hinter aller Freundlichkeit
und oberflächlicher Nähe, verbirgt sich eine Kultur, die manchmal eher an die
sizilianische als an die uns vertraute erinnert.
Uns wird deutlicher, welche Macht die Kirche in
diesem Land hatte und wir verstehen immer weniger, weshalb die Menschen schwiegen...
Sie schweigen noch heute. Vieles wird ¨
unter der Hand¨gehalten, weil man keinen Streit möchte, denn Streit bedeutet
hier, dass eine Versöhnung oft ausgeschlossen ist - und zwar über Jahrzehnte
und länger!
Helene erzählt uns, dass selbst ihre beste
Freundin hier, die sie seit über 40 Jahren kennt, noch immer nichts ¨
Schlechtes¨ über irgend jemanden erzählt.
Davor hütet man sich und so bleiben Dinge auch unter Verschluß, die vielleicht hätten öffentlich gemacht
werden sollen und müssen. Man will seinen Frieden nicht gefährden.. Oder man
wollte es früher nicht, denn die Kirche
regierte in das private Leben. Moritz
erzählt, dass selbst die Musik von der Kirche sozusagen ¨zensiert¨ wurde. Dass
der Priester durch den Ort lief und hörte, in welchem Haus welche Musik gemacht
wurde und sich einmischte. Wir dachten,
das sei nur von den britischen Besatzern so rigide gehandhabt worden.
Ja, es sind oft Blicke in einen Abgrund, in den
wir - vielleicht - lieber nicht geschaut hätten, aber all das gehört dazu. Es gehört vor allem zu Connemara, denn
vielleicht sind andere Gegenden Irlands nicht so lange so ¨ rückständig¨ und
bettelarm gewesen wie diese.
Man rümpft vielleicht nicht von ungefähr in Dublin
die Nase vor den ¨ people from the West¨, wie wir es schon öfter gehört und
erlebt haben. Aber dies beruht dann auch
auf Gegenseitigkeit, denn man mag die "arroganten" Dubliner hier auch nicht!
Die Gespräche gehen hin und her - von Deutschland
nach Irland und zurück und dann ist es Zeit für die Performance. Moritz geht voraus, um alles im unterhalb
liegenden kleinen ¨ Arts room¨ vorzubereiten.
Und dann sitzen wir dort in einem Raum, der uns 3 Zuschauer und Moritz,
den Akteur beherbergt und viel mehr würde hier auch nicht reinpassen. Die Wände
kahl, ein gefliester Boden und ein Gasherd, der die inzwischen doch recht kühle
Luft wärmt.
Wir sind gespannt und das ¨Bühnenbild¨ besteht
zunächst aus einem in Schwarz gekleideten und maskierten Menschen (Affen) in
seinem Käfig. Das Stück von Kafka: ¨Ein
Bericht für eine Akademie¨ - oder die Stunde des Affen¨. * Wikipedia Eintrag: Siehe unten
Moritz verwandelt sich vor unseren Augen in einen
beachtenswerten Schauspieler mit einer sehr besonderen Sprache, die uns
einfängt und bis zum Schluß des Stückes nicht los lässt (immerhin ist dieser
Monolog eine 3/4 Stunde lang!) Helene
führt Regie und hängt völlig hingegeben und uns und alles ausblendend an den
Lippen ihres ¨Schauspielers¨. Sie
spricht leise den gesamten Text mit und
hilft bei einem kleinen Hänger sofort weiter... Ein durch und durch
eingespieltes Paar und man sieht beiden die große Erfahrung im Schauspiel an,
obwohl sie beide nicht wirklich Schauspieler sind - aber dieses Spielen sich
durch ihre Biografien zieht.
Kurzer Auszug aus dem eine 3/4 dauernden Monolog:
......" Ich sage absichtlich nicht Freiheit. Ich meine nicht dieses große Gefühl der Freiheit nach allen Seiten. Als Affe kannte ich es vielleicht und ich habe Menschen kennengelernt, die sich danach sehnen. Was mich aber anlangt, verlangte ich Freiheit weder damals noch heute. Nebenbei: mit Freiheit betrügt man sich unter Menschen allzuoft. Und so wie die Freiheit zu den erhabensten Gefühlen zählt, so auch die entsprechende Täuschung zu den erhabensten. Oft habe ich in den Varietés vor meinem Auftreten irgendein Künstlerpaar oben an der Decke an Trapezen hantieren sehen. Sie schwangen sich, sie schaukelten, sie sprangen, sie schwebten einander in die Arme, einer trug den andern an den Haaren mit dem Gebiß. ›Auch das ist Menschenfreiheit‹, dachte ich, ›selbstherrliche Bewegung.‹ Du Verspottung der heiligen Natur! Kein Bau würde standhalten vor dem Gelächter des Affentums bei diesem Anblick....."
Kurzer Auszug aus dem eine 3/4 dauernden Monolog:
......" Ich sage absichtlich nicht Freiheit. Ich meine nicht dieses große Gefühl der Freiheit nach allen Seiten. Als Affe kannte ich es vielleicht und ich habe Menschen kennengelernt, die sich danach sehnen. Was mich aber anlangt, verlangte ich Freiheit weder damals noch heute. Nebenbei: mit Freiheit betrügt man sich unter Menschen allzuoft. Und so wie die Freiheit zu den erhabensten Gefühlen zählt, so auch die entsprechende Täuschung zu den erhabensten. Oft habe ich in den Varietés vor meinem Auftreten irgendein Künstlerpaar oben an der Decke an Trapezen hantieren sehen. Sie schwangen sich, sie schaukelten, sie sprangen, sie schwebten einander in die Arme, einer trug den andern an den Haaren mit dem Gebiß. ›Auch das ist Menschenfreiheit‹, dachte ich, ›selbstherrliche Bewegung.‹ Du Verspottung der heiligen Natur! Kein Bau würde standhalten vor dem Gelächter des Affentums bei diesem Anblick....."
Unser begeisterter Applaus, kein Vorhang, eine Verbeugung - und Rückkehr ins Hier und Jetzt! Nach einer kurzen Pause werden wir gebeten, unsere Meinung, unsere Gefühle, unsere Kritik -was auch immer - zu dieser Vorstellung abzugeben.
Ich bin keine Theatergängerin - im Gegensatz zu
Hans, der nicht nur öfter ins Theater geht, sondern ja selbst jahrelang in
einer Theatergruppe gespielt hat. Also
ist er derjenige, der seine profundere Meinung kund tut - und beiden offenbar
sehr viel Freude bereitet! Moritz ist
glücklich und zufrieden und Helene bestätigt, dass die heutige Aufführung noch
sehr viel besser gewesen sei als die am Vortag, der irische Freunde lauschten.
Was für ein unerwartetes, wunderschönes Event, das uns hier überrascht hat und wir bedankten uns von ganzem Herzen für dieses so
besondere Geschenk!!
Dann gehen wir - mit Taschenlampe und unter aller
Vorsicht - zurück zum Haus und verabschieden uns nach einem weiteren Glas Wein
/Wasser von diesem außergewöhnlichen Abend.
Da es stockdunkel ist und unser Auto zu weit weg
geparkt, bringen uns Helene und Moritz mit dem großen, alten, schönen Volvo zum
Hafen.
Noch einmal Dank und Abschied und die Gewissheit,
dass dies nicht unser letzter gemeinsamer Abend sein wird.
Heute beginnt das ¨ Arts Festival¨ in Clifden und
wir machen uns gleich auf den Weg.
Wir werden einige Veranstaltungen - u.a. des ¨Clifden Writer Clubs¨, wo wir wahrscheinlich
Iris und Michael und auch andere aus dem Juni wiedersehen werden, wahrnehmen,
zwei sehr besondere Konzerte mit ¨Lisa Hannigan¨ und ¨Marin Hayes und Dennis
Cahill¨ von ¨The Gloaming¨. Große Vorfreude auf beide Konzerte...
Und wenn unser aller Zeitplan es erlaubt, dann
laden wir Helene und Moritz zu uns ein.
Vielleicht lese ich ihnen dann dies hier vor
:)
* Wikipedia Eintrag zu:
* Wikipedia Eintrag zu:
Ein Bericht für eine Akademie ist eine Erzählung von Franz Kafka. Nach der Erstveröffentlichung im Jahr 1917 in der Zeitschrift Der Jude erschien sie 1920 im Rahmen des Bandes Ein Landarzt.
Der Affe namens Rotpeter wird von den Mitgliedern einer unbestimmten Akademie eingeladen, dieser einen Bericht über sein „äffisches Vorleben“ einzureichen. Nach mehreren Jahren „absoluter Selbstverleugnung und Anpassung“[1] hat er, eingefangen bei einer Jagdexpedition in Afrika und im Käfig verschifft, bei der Suche nach einem Ausweg bald erkannt, dass ihm neben dem Leben in einem Käfig im Zoologischen Garten ein zweiter Weg offenstand: Der, des Varietés und dort ein „Mensch“ zu werden. Gegenstand des Berichts ist dann auch vielmehr seine Schilderung des Anpassungsvorganges[2] und von seiner Rolle als Menschenimitator.[1] Der Bericht über des Affen Menschwerdung könne auch als Geschichte einer erzwungenen Assimilation und als pädagogische Satire verstanden werden.[3]
Danke für das Mitnehmen in Eure irische Welt, die so reich und vielschichtig ist. Und das in deiner Sprache, die intensiv Bilder entstehen lässt. Mikus
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