Wandbild in Galway
Eine Artikel- und Filmempfehlung:
In Galway an der irischen Westküste geschehen garstige Verbrechen. Ken
Bruen hat sich die Fälle ausgedacht. Heute startet die neue Krimiserie im ZDF.
von Beate Baum
Ken Bruen deutet auf das Wasser der Galway-Bucht. „Hier steht Jack oft,
schaut aufs Meer und träumt von Amerika.“ „Aber dann sieht er das Zeichen und
weiß, dass es wieder nichts wird.“ Ein Stoppschild steckt im Fenster des
Ard-Bia-Cafés am Nimmo-Pier. Dahinter schimmert das Meer. Davor ist der Kai
voller Menschen, die die letzten Strahlen der Herbstsonne genießen und sich
vorbereiten für einen weiteren Abend in Irlands heimlicher Partyhauptstadt.
Trubel ist nichts für Jack Taylor, den kaputten Helden der Kultkrimis von Ken
Bruen, dessen Verfilmungen von heute an im ZDF gezeigt werden. Die beiden Etagen
des „King’s Head“ auf der Quay Street überlässt er Brad Pitt, der hier ab und zu
auf ein Pint einkehren soll.
Taylor findet man dagegen schräg gegenüber im „Garavan’s“, einer traditionell
irischen Kneipe, die nicht versucht, auf Biegen und Brechen wie eine
traditionelle irische Kneipe auszusehen. In Bruens ersten Büchern hieß das
„Garavan’s“ noch „Grogan’s“. „Ich dachte, das muss sein“, erzählt der kleine
Mann mit mit den schlohweißen Haaren. „Aber dann hat der Wirt, mit dem ich
befreundet bin, mich gefragt, warum ich den Namen geändert habe.“
Auch einer der besten unabhängigen Buchläden Irlands, „Charlie Byrne’s“, von
Jack Taylor fast ebenso häufig wie eine der vielen Kneipen besucht, erhielt
zunächst einen anderen Namen. Wobei in diesem Fall jeder, der Galway und jenes
Dorado für Leseratten mit der gut sortierten Auswahl neuer und antiquarischer
Bücher schon einmal besucht hatte, wusste, dass es sich um das verschachtelt
angelegte Geschäft hinter der Hauptgeschäftsstraße handelt. Denn: So groß ist
Galway nicht, dass es dort zwei solcher Läden geben könnte. Nur knapp 70 000
Einwohner zählt die Stadt im Westen Irlands, auf rund 20 Straßen spielt sich das
Altstadtleben zwischen Eyre Square und dem Fluss Corrib ab, dazu kommen noch ein
paar Straßenzüge auf der anderen Seite des Flusses, im ehemaligen Fischerdorf
Claddagh.
Ken Bruen trägt einen Claddagh-Ring aus Gold, breiter als jene, die Touristen
massenhaft in den Juwelierläden in der Shop Street kaufen. Seiner ist ein
Familienerbstück – von der Großmutter seiner Mutter. In der armen Familie muss
er einer der wertvollsten Gegenstände gewesen sein, und damit scheint man
bereits wieder mitten drin in den Jack-Taylor-Büchern zu sein, wo die Erinnerung
an das Irland vor dem Fauchen des Keltischen Tigers stets präsent ist. „Ich bin
froh, dass die Stadt nicht mehr so arm ist wie in meiner Jugend“, sagt Bruen
dazu. „Jetzt hatten wir auch wieder eine Depression, und ich hasse es, dass so
viele junge Menschen das Land verlassen mussten. Aber es ist nicht vergleichbar
mit damals.“
Bruen wuchs am Eyre-Square auf, den heute an den Wochenenden nach Schließen
der Clubs das Partyvolk belegt. Die altehrwürdige Universität auf der
Claddagh-Seite der Stadt ist beliebt – gut 16 000 Studenten sind dort
eingeschrieben. Abends und nachts mischen sie sich unter die Gäste aus aller
Welt und feiern, als gäbe es kein Morgen.
Und die fröhliche, optimistische Stimmung wirkt durchaus ansteckend. Wer die
Haupteinkaufsstraße entlangschlendert und den dort alle paar Meter stehenden
Musikern zuhört, Jongleure, Pantomimen und lebende Denkmäler betrachtet, der
möchte den ewigen Pessimisten Taylor schütteln, damit er das Leben in seiner
Stadt einmal einfach genießt. Aber natürlich gibt es auch immer Verbrechen
aufzuklären, garstige Verbrechen...
Etliche Szenen der Filme wurden an den Originalschauplätzen gedreht, wodurch
die Zuschauer viel von der Atmosphäre der Stadt mitbekommen. „Charlie Byrne’s“
taucht auf – bei dem Frisör daneben soll es laut Ken Bruen beim Haareschneiden
ein Pint dazugeben, Szenerien am Pier und immer wieder schöne Bilder der bunt
erleuchteten Fußgängerzone mit ihrem Partyleben; da erscheint das Düstere umso
dunkler. Ist Galway denn nun solch eine gefährliche Stadt? „Nein.“ Ken Bruen
lächelt milde. „Galway ist sehr, sehr sicher. Niemand muss hier Angst haben auf
der Straße. Aber mit dem wirtschaftlichen Aufschwung sind die Verbrechen
gekommen. Es gibt Drogen, und wo es Drogen gibt, gibt es auch Waffen, und dann
ist ein Mord nicht fern.“
Dort, wo Jack Taylor eine Waffe bekommt, wenn er eine braucht, in einer
Kaschemme am Hafen, wird jedoch niemand in der Hinsicht fündig. „Das ist hier
heute so sicher, dass es schon langweilig ist“, lautet Bruens Einschätzung vor
dem sanierten Gebäude des „Padraigs Place“. Gegenüber liegt, in das Hafenbecken
hineingebaut, ein Apartment- und Hotelgebäude. Kurze Zeit durfte Jack dort
leben; er hasste die Luxussanierung des alten Speichers und liebte den Blick auf
das Claddagh-Becken und das gegenüberliegende Ufer, bis hinüber nach Salthill,
den südöstlich, auf der Halbinsel Connemara gelegenen Badeort.
Ja, Badeort. In Salthill gibt es nicht nur einen Strand, sondern sogar ein in
die Felsen gearbeitetes Meeresschwimmbad mit Sprungturm. Ein echter Ire geht
auch bei 14 Grad ins Wasser. Wiederum nichts für Jack Taylor, auch wenn das
Wasser eine große Rolle für ihn spielt. Er trägt keine Badehose, sondern seinen
alten Polizeimantel und füttert die Schwäne an der Bucht. „Das ist etwas, was
man in Galway machen muss“, sagt Ken Bruen dazu. Und er muss es wissen.
Tagesspiegel vom 27.10.2013
Fotos: eigene Juni 2013