18.9.2021
aFür heute wurde schlechtes Wetter angesagt und wir haben uns davon täuschen lassen. Als wir die Vorhänge aufzogen, begrüßte uns blauer Himmel mit einigen Schafwolken. Im “Sunroom” zeigte das Thermometer auf 29°. Never trust the weather forecast for Ireland! Dieses Mal jedenfalls lag sie sehr häufig daneben – meist allerdings zu unseren Gunsten und dann soll es so sein.
Also machen wir einen kleinen Ausflug nach Cleggen, wo wir ja unsere erste Connemara Station bei Mary im B+B “Wild Heather” hatten. Vor ihrem Haus stehen einige Autos und es sieht nach Handwerkern aus. Also halten wir nicht kurz an, um Hallo zu sagen.
Apropos “hello”. Das war ja die bisherige Begrüßung hier, egal, ob am Strand in der kurzen Begegnung im Vorübergehen oder im Supermarkt oder wo auch immer. “Hello” ist nun “Hiya”, eine Kombination aus “Hello” und “how are you”. Wir hören es immer häufiger und wenn wir es beantworten, klingt es albern; immer ein wenig nach “Heija” - die kindliche Form fürs Bettchen!
Wieviel haben wir noch zu lernen und wie gut, dass wir hier Menschen haben, die uns dabei helfen!!
19.09.2021
In
Deutschland läuft der Wahlkampf auf Hochtouren und wir nehmen täglich
über die diversen Kanäle, mit denen wir verbunden sind, Anteil und es wird
wirklich in dieser letzten Woche noch einmal sehr spannend. Da wir jetzt
Internet haben, können wir die Sendungen, die uns wichtig erscheinen, abends
verfolgen. Politik ist und bleibt ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens - auch, wenn wir
nicht mehr aktiv politisch sind. Wir haben den Stab an die Jugend
übergeben und ich denke, wir haben unseren Anteil an dem, wie diese
Gesellschaft sich entfaltet hat, gehabt und uns sehr aktiv eingebracht und
engagiert. Heute unterstützen wir Organisationen und zivilgesellschaftliche Initiativen, die uns wichtig und zukunftsgewandt erscheinen.
Das Engagement für Zoubi ist für uns durchaus auch politisch und es scheint Früchte zu tragen. Zoubi ist heute ein aktiver, Steuern zahlender Teil der deutschen Gesellschaft und er ist ein weltoffener und toleranter junger Mensch, was uns besonders freut. Für uns ist er mehr. Er ist ein sehr zuverlässiger, hilfsbereiter unsere Leben bereichernder Freund.
Nun aber zurück ins Hier und Jetzt und das ist Connemara und dort Calla.
Das Thema Wetter habe ich ein wenig vernachlässigt, aber es bleibt dabei, dass wir dieses Mal Glück haben und auch das herbstliche Wetter bringt uns immer wieder Sonne und trockene Stunden.
An einem der
Tage, an dem die Sonne sich zum ersten Mal am späten Nachmittag zeigte, fuhren
wir an den Strand, an dem das "Guinness House" liegt und der alte
Ballyconneely Friedhof ist. Dieser Strand hat eine sehr eigene
Strahlkraft und ist ein energetiscer Ort. Nicht nur, dass wir ihn von hier aus oft bereits im Sonnenschein liegen
sehen, während wir noch unter Wolken sind, habe ich dort das wunderschönste
Seaweed / Seegras gefunden, das ich jemals in Irland fand. Ich geriet
fast in einen Rausch, denn die Farben und Formen wollten nicht enden und die
Magie dieser Entdeckung ist unauslöschlich.
Es gibt einfach Orte, an denen die Energiefelder deutlicher zu spüren sind, als an anderen.
Niemand war da, außer einem kleinen Jungen, der im T-Shirt mit nacktem Po - die Welt vergessend - mit einem Ruder spielte, das er dem am Ufer liegenden Boot entnommen hatte. Er teilte damit die Luft und er teilte damit das Wasser. Es war eine so große Freude, ihn bei seinem Spiel zu beobachten. In den Felsen entdeckten wir seine etwas ältere Schwester, ebenfalls im Badeanzug und oben über dem Strand saß der Vater der Kinder im Auto und war mit Lesen beschäftigt. Ab und zu warf er einen Blick an den Strand - in dieses friedvolle Bild.
Wir folgten
der Wassergrenze barfuß, die kleinen Wellen leckten an den Zehen und wir
konnten erkennen, dass die Flut
eingesetzt hatte, wir deshalb nicht lange Zeit
hatten, uns am Haus vorbei zum offenen Strand zu bewegen. Der Atlantik,
der sich hier in einer weiten Bucht ausbreitet, ist insofern etwas tückisch,
als er die Strände, die sich nach und nach anschließen, wenn man einige Felsen
überwindet, verhältnismäßig schnell bei ansteigender Flut vom Rückweg abschneidet. Dies
ist uns einmal passiert und wir liefen schließlich bis unter die Achseln durch
das hereinströmende, kalte Nass.
Die Blicke gehen ans Ufer gegenüber, wo uns schon immer ein Cottage auffiel, das sich aus mindestens fünf unterschiedlich großen Cottages, jedes für sich mit einem Strohdach gedeckt, zusammensetzt. Dies ist eine hier durchaus übliche Bauweise, die sich sicherlich an den alten Cottages ausgerichtet hat. Dieses aber ist auch durch die Farbe seiner Wände, einem dunkleren Ocker, das wie Lehm aussieht, besonders.
Neben diesem Cottage hatten wir schon zuvor einen in Bau befindlichen, viel zu nah an das alte Haus gebauten, Neubau entdeckt, der bereits aus der Ferne durch seine Massivität und Hässlichkeit ohnegleichen hier in der Gegend ist. Dieses Haus hatte inzwischen Fenster und ein Dach und wir wollten es uns nun doch einmal von Nahem ansehen und vor allem einen Blick auf das Cottage werfen, das seit zwei Jahren (damals begann der Neubau!) zum Verkauf steht.
Beim Einbiegen in den äußerst schmalen und nicht asphaltierten Weg fällt uns ein Schild ins Auge, das auf einen "Yard Sale" hinweist, der - vor allem mich - neugierig machte.
Das Urteil über den Neubau war schnell gefällt: Man müsse ihn eigentlich abreissen, denn es ist ein Schandfleck an dieser malerischen, Küste und es erdrückt das Cottage daneben optisch! Unfassbar, wie so etwas überhaupt genehmigt werden kann.
Wir beschließen, den Yard-Sale erst am nächsten Vormittag aufzusuchen, da es zu spät geworden war und wir niemanden aufscheuchen wollten.
Auf dem Heimweg dachte ich darüber nach, weshalb mich hier immer wieder ein innerer "Zwang" befällt, etwas "tun zu müssen", einen Ort aufsuchen "zu müssen", denn so fühlte ich mich und verteidigte mein Ansinnen, den Yard Sale zu besuchen, gegen Hans, der keine große Lust empfand, sich mir nach dem Frühstück aber doch anschloss.
Ich war aufgeregt und meinte, dass wir vielleicht irgendetwas Kleines, Schönes für unser Haus hier finden könnten, denn das Cottage ist alt und das ist eine gute Voraussetzung dafür.
Wir waren etwas früh, wie sich herausstellte, aber als wir um das Haus herumgingen, kam uns auf einer großen Terrasse, auf deren Mauern zahllose Kisten mit Trödel standen, eine zarte ältere Dame mit unsicherem Schritt entgegen. Sie breitete die Arme aus und hieß uns in Englisch mit deutlichem französischen Einschlag willkommen. Anne Bercot ist die (noch) Besitzerin dieses Anwesens und sie überhäufte uns geradezu mit Freundlichkeit. Als sie hörte, dass wir aus Berlin kommen, verschwindet sie einen Augenblick und kommt mit einer CD in der Hand zurück. "This is a present for you". Sie erzählt, dass eine ihrer drei Töchter, die alle in Paris leben, Sängerin sei und auf dieser CD gäbe es ein Lied über Berlin.
Sie weist uns ein und wir stehen stauend in einem Haus, wie wir es noch nie gesehen haben. Räume mit verschiedenen Höhen und eingezogenen Decken, auf denen wiederum Platz für Bücher, Unmengen an Ordnern und Papier im Allgemeinen sich türmte. Überall türmte sich etwas und auf Tischen verstreut lagen die Gegenstände zum Verkauf, von denen sie sich trennen wollte. Sie habe längst viel zu viel und nun, da sie das Haus verkauft habe, müsse sie die Dinge loswerden.
Wir sind von der Schönheit dieses Ortes geblendet! Direkt vor dem Garten, den eine Mauer zur Küste schützt und an dem ein einst blau gestrichener, alter Tisch lehnt, tut sich ein Blick auf, der seinesgleichen sucht. Ich zögere deshalb, die Dinge, die für sehr wenig Geld angeboten werden, auch nur zu berühren....Ich muss Anne, als die sie sich vorstellt, erst einmal erklären, wie sehr mich dieser Ort berührt und wie leid es mir tut, dass sie ihn verliert. Ich konnte tatsächlich die Tränen kaum im Zaum halten, denn ich sah mich selbst dort stehen und mich von so vielen Dingen, die ich im Laufe meines Lebens angehäuft habe, trennen zu müssen.
Anne nahm es sehr gelassen und tröstete mich und meinte, es fiele ihr nun leicht, sie habe Abschied genommen und sie hoffe, dass die Dinge in gute Hände kämen. Bevor wir begannen, zeigte sie uns aber ihren Wohnraum, der für diese Aktion mit einem großen "Privat" Schild nicht betreten werden sollte. Uns wollte sie es zeigen und wir betraten, einige Stufen herabgehend, einen so wunderschönen, harmonischen, mit alten Möbeln und großen, ausladenden Sofas und einem Flügel ausgestatteten Raum, der durch große Fenster den Blick direkt auf die Bucht freigab. Atemberaubend dieser Ort und uns fehlten die Worte, dies auszudrücken. Manchmal ist Schweigen die richtige Antwort und sie verstand uns.
"But now go ahead and look what you can get. You are the first today - so make your choice". Tatsächlich war es so, wie ich es mir vorgestellt habe. Wir fanden kleine schöne Dinge, nichts zum Gebrauch, aber einiges zur Dekoration. "You have a good eye" - meinte sie und kam mit einem alten, bemalten Teller, den sie noch von ihrer Großmutter aus der Bretagne hatte. Für diesen und einen anderen Teller, den ihr vor dreißig Jahren ein Fischer geschenkt hatte, wollte sie nichts haben. "There is a crack in both" - meinte sie. Und ich zitierte Leonhard Cohen:
"There is a crack in everything - that's where the light gets in".
Nun wollte sie wissen, wo wir hier wohnen würden und als wir sagten, wir hätten das School House in Calla vor einigen Jahren gekauft, schien sie fassungslos! "I know this house very well. I used to go there for Meditation. I knew Susan and I knew Denys quite well".
Hier schloss er sich der Kreis und jetzt wusste ich, was mich eigentlich hierher gebracht hatte!
Sie erzählte eine Begegnung mit Susan, es war wohl ihre letzte, einige Tage nach 9/11, wo es zu einem Mißverständnis kam, das aufzulösen Susan nicht bereit war. So verloren sie sich aus den Augen.
Wir fragen Anne, ob sie uns denn einmal im School House besuchen wolle und sie scheint begeistert. "You just have to pick me up. I cannot walk and I have no car. I am 78 years old."
Später, zu Hause google ich Anne Bercot und finde einiges, das sie noch interessanter macht, als es ihre Erscheinung in dieser wundervollen Umgebung bereits war.
"Alles hier - die Natur, der Himmel- ist äußerst heilsam, inspirierend, verjüngend. Sobald ich mich von Galway auf den Weg mache, habe ich das Gefühl, dass etwas Heiligkeit in der Luft liegt. Ich habe es nirgendwo anders gefunden, selbst in Indien nicht. Hier kann ich loslassen. Wenn ich hierher komme, fühle ich mich wie zu Hause". Anne Bercot
In den 70iger Jahren kam sie zum ersten Mal nach Irland, nach Connemara und da bereits begann die Liebe und einige Jahre später kam sie - zusammen mit ihrem Mann - für immer nach Connemara.
Anne Bercot ist Dozentin, Lehrerin, Philosophin und Autorin. Sie leitete Seminare in Frankreich und Irland über Esotherik - was wohl in ihrem Leben ein bestimmender Faktor ist.
"Ich würde mich als jemanden definieren, der Menschen durch Nachdenken und Therapie wieder mit ihrem Seelenzweck verbindet. Was versucht die Seele ihnen durch ihre täglichen Erfahrungen, ihren Schmerz, ihre Freude und ihr Leiden zu sagen? Ich arbeite an Intellekt und Intuition, aber ohne Liebe geht es nicht"... Ein schönes Schlußwort von ihr.
Wichtig für sie ist, dass sie - trotz Verkauf - noch einige Jahre in einem der Häuser, nämlich dem kleinsten Cottage, mit dem der Bau des Anwesens vor über dreißig Jahren begonnen hatte, wohnen bleiben kann. Sie läßt uns auch nicht weg, ohne dass sie uns dies zauberhafte Örtchen, klein und vollgestopft mit Erinnerungen, gezeigt hat.
Ob wir uns sehen, überlassen wir ihr. Wir haben hier gelernt, uns nicht aufzudrängen. Eine Einladung ist eine Einladung und noch lange nicht die Absicht, daraus eine wirkliche EINLADUNG zu machen!
Vielleicht erinnert sie sich einmal an uns und vielleicht sind wir dann gerade auch hier. Es ist nicht mehr so wichtig. Wichtig war diese Begegnung und wichtig sind nun auch unsere Erinnerungen an diese besondere Frau an einem besonderen Ort! Magie!
Und dann überrascht sie uns tatsächlich, indem sie unsere Einladung annimmt, und kommt! Es sind nur noch zwei Tage bis zur Abreise und sicher war sie doch auch neugierig, den Ort, den sie oft besucht hatte, zu sehen.
Wir führen sie durch das Haus, ihre Augen kommen nicht aus dem Staunen und vielleicht ist das Schönste für sie, die beiden Teller - mit dem crack - die nun in unserem Kitchendresser stehen, zu finden und sie dort aufgehoben zu wissen.
Sie ist müde, müde vom Packen in ihrem Haus, müde sicherlich auch vom Abschied, der ihr schwerfallen muss, auch, wenn sie es diesmal so ausdrückt: "The house is not sold yet! It is still my house", denn es scheint noch einiges zu klären zu sein - und sie muss noch nicht wirklich loslassen.
Paul kommt - zufällig - hinzu und die beiden haben sich seit vielen, vielen Jahren nicht gesehen. "You were a child when I met you last time" - Und es stellt sich heraus, dass das erste Haus, das Anne in dieser Gegend kaufte, in Dolan, dem Ort liegt, in dem Paul mit seiner Familie lebte. Schnell sind die beiden in einem angeregten Gespräch und wir hören gerne zu.
Und last not least:
Anne hat ein Buch geschrieben und wer der französischen Sprache mächtig ist, möge es sehr gerne lesen!