Freitag, 1. Oktober 2021

Connemara Diary 2021 - part 1 -

 


Calla 14. September 2021

Die Tage beginnen mir davon zu laufen und meine anfängliche Schreibmüdigkeit ist verflogen. Unser “Bergfest” liegt schon hinter uns und die Tage vor uns werden übersichtlich. Zeit also, einige der Eindrücke festzuhalten.

Noch immer sind wir in Pandemiezeiten und froh, dass dennoch endlich auch die Insel wieder zum Leben erwacht ist, nachdem sie äußerst strengen Regularien für Monate unterlag; weitaus strenger als in anderen europäischen Ländern. Im Moment ist Irland Weltmeister beim Impfen und doch ist die Inzidenz recht hoch. Wir hier im Westen sind zurzeit als Hochrisikogebiet eingestuft. Schwer nachzuvollziehen und irgendwie widersprüchlich – und somit eben irisch.

 


Bevor ich in diese Tage einsteige, muss ich einen Blick zurückwerfen in die Tage im Juni, die unter keinem guten Stern standen.  

Nicht nur, dass unser Abflug um 10 Tage verschoben worden war, standen wir am umso ersehnteren neuen Abflugtag – zum ersten Mal vom neuen Flughafen BER – vergeblich am Schalter an, da unser PCR-Test nicht das von Irland geforderte “RT PCR” aufwies. Keiner konnte uns erklären, welchen Unterschied diese beiden Buchstaben machten und auch die Anfrage beim Auswärtigen Amt ergab keinerlei Klärung.  Ryanair verweigerte uns den Zutritt zum Abflug und zwang uns damit, einen neuen Flug zwei Tage später mit einem neuen Test zu buchen. 

So standen wir - einige Stunden später - mit unseren Koffern zurück vor dem Haus in Köpenick, das wir eigentlich gerade für vier Wochen verlassen hatten: Kühlschrank leer, Betten abgezogen, Haus sauber!  Und als wäre dies nicht genug des Frustes, weigerte sich die Mietwagenfirma in Dublin, den Vertrag zu verändern und uns auch nur einen Cent zu erstatten. Inzwischen hatten sich aber die Mietwagenpreise so gut wie verdoppelt, sodass wir einen ganz erheblichen finanziellen Schaden - zusätzlich zur Enttäuschung - zu verarbeiten hatten.  Der einzige Trost: Der Berliner Sommer!

 


Der neue Test und die volle Impfung ließen uns - schnell wie selten - durch die Kontrollen kommen und eine nur spärlich besetze Maschine machten den Flug unerwartet angenehm.Sehr enttäuscht waren wir vom "neuen Flughafen" BER, auf den wir immerhin 10 Jahre warten mußten.  Unübersichlich, unpraktisch!  Mal fehlte ein Aufzug, mal eine Rolltreppe und wir mußten die schweren Koffer tragen. Lange Wege zu den Gates, keine Rollbänder, die einem das Laufen zwischendurch abnehmen. Auch optisch bleibt der Blick nicht hängen!  Kein Ort, an dem man sich länger als nötig aufhalten möchte. Vielleicht so geplant?

 


Alles wies nun aber auf ein Happy End hin und unsere Ankunft und der Start in Calla, hätten besser und schöner nicht sein können: Die neue Tür, die wir noch nicht gesehen hatten, begeisterte uns und das Raumklima schien sich mit der Tür verändert zu haben. Mit Aufschliesen der Tür, war ich angekommen: Back home nach 8 Monaten!

Die folgenden 10 Tage kann ich im Nachhinein nur noch anhand der Fotos rückerinnern. 


 Oft war der Himmel verhangen, was uns nicht störte.  Wir hatten den Sommer noch in uns. 


Erstaunt waren wir, wie belebt alles war:  erst vor kurzem war Irland zum Reisen freigegeben worden und wir hatten die Fotos der beliebten Stände gesehen, in denen es aussah wie an der Costa Brava oder Costa del Sol.   Mensch an Mensch in dichten Reihen und direkt davor - ebenfalls wie "aufgefädelt" - Dutzende von Autos.


Calla Beach voller Camper!  Das hatte Claudia uns zwar erzählt, aber vorstellen konnten wir es uns bis dato nicht!  Sie waren übrigens nach dem Wochenende alle wieder verschwunden und wir hatten den wunderschönen Strand und alle anderen für uns.

 

 

Im Garten blühten der Salbei, der Lavendel, Rosen und die letzten Mageriten. Wir pflanzten ein wenig an Orten, die noch kahl waren, um uns eine Freude für den August/September zu machen. 

  

Astrids Besuch unterbrach die Tage und zum ersten Mal sah ich die Geschwister zusammen mit ihren boards in den Wellen! 

Es fühlte sich alles gut an und hätte einfach so weitergehen können.  Ein Fahrradunfall, den Hans selbst verschuldete, indem er mit einem Rennrad im Kies einer frisch geteerten Straße ausrutschte, beendete jäh unsere Idylle! Schlüsselbeinbrauch diagnostizierte die junge Ärztin in Roundstone und wies ihn in das Universitätskrankenhaus in Galway ein.
Die Nacht, die er dort - bis morgens um 3 Uhr wartend - verbrachte, ließ ihn die erste Erfahrung mit dem irischen Gesundheitswesen machen.
It could have been worse – but it could have been better! Der Bruch brauchte nicht operiert zu werden, sondern sollte konservativ von selbst ausheilen.  Der Arm lag nun in einer Schlinge und an Autofahren war nicht mehr zu denken. 


 Ich selbst hatte - bis zur Abfahrt des Krankenwagens - funktioniert, wie ich es immer tue, wenn Schlimmes passiert: Ich kann mich sofort auf das fokussieren, was geschehen ist, denke an alles, was nun erst einmal zu tun ist und machte auch diesmal alles richtig: Tasche packen mit allem, was eine Übernachtung braucht, Kabel für das Smartphone, etwas zu lesen, ein Butterbrot, falls es nichts zu essen gibt. Durch diese Tätigkeiten bin ich zunächst von meinen Gefühlen abgeschnitten. 

Erst, als sich der Krankenwagen mit Hans in Bewegung setzte, begriff ich, was geschehen war und fühlte mich verwaist. Das Haus, der Garten, die Küste, der Himmel über mir - alles sah mit einem Mal fremd und abweisend aus und machte mir Angst. 

 

Ich rief Claudia an und bat sie, die Nacht über bei mir im Haus zu schlafen. Mit ihr konnte ich sprechen, das war gut und löste das völlig verwirrte Gefühlsknäuel in mir auf. Hans war verletzt, aber er würde wiederkommen.  Um 4 Uhr früh war er zurück, diesmal per Taxi mit einem Chauffeur, der ihn von Galway bis Calla bestens unterhielt!

 


Was aus diesen Tagen ich aber festhalten möchte, ist eine Erfahrung des “Glücks im Unglück”, die all die negativen Gedanken ganz schnell verblassen lässt.

Der Unglückstag war ein sonnig schöner Tag und wir hatten uns zu einem Strandspaziergang entschlossen. Hans wollte einfach noch das Fahrrad, das er überholt hatte, ausprobieren, als der Unfall geschah. Hans saß am Straßenrand, sicherlich mit einem kleinen Schock, als ein Wagen mit Dubliner Kennzeichen hielt und ihn fragte, ob er okay sei. Er bejahte, das Auto entfernte sich und kehrte nach einigen Minuten zurück.  “Are you really okay?” - “No”. Ein Paar in mittlerem Alter, stieg aus und half Hans in den Wagen, nachdem sie das Rad gesichert hatten. 

Als sie hier hielten, stand ich im Garten und als Hans ausstieg, wusste ich, dass etwas passiert war. Seine Hose war zerrissen, er hielt sich den Arm. Auch das Paar stieg aus und als ich sagte, ich würde nun versuchen, einen Termin beim Arzt zu bekommen, meinten sie, sie blieben erst einmal in der Nähe, würden (zu Fuß) das Rad abholen und dann sehen, ob wir ihre Hilfe weiter benötigen würden.  In Roundstone bekamen wir schnell einen Termin und die beiden luden uns in ihr Auto, um uns dorthin zu bringen. Wir konnten sie nicht umstimmen, sie waren entschlossen, uns so lange zu begleiten und zu unterstützen, bis Hans in ein Krankenhaus gebracht würde.

Die Konsulation erhärtete den Verdacht auf einen Schlüsselbeinbruch und die junge, kompetente Ärztin riet Hans, sich von einem Krankenwagen abholen zu lassen.  Erneut stiegen wir bei diesen wundervollen Menschen ein, die mich in ihrer so völlig selbstverständlichen Hilfe und Empathie, fast die Tränen rührten.  “Is there anything else we can do for you?” Wir verabschiedeten uns gerührt und dankbar. 

 Eigentlich waren sie nur unterwegs vom Hotel nach Clifden gewesen. Nun, beinahe zwei Stunden später setzten sie ihre Fahrt fort.  Wir standen im Garten und winkten ihnen nach.

 

Und zum Glück ist da Astrid, die Calla gerade vor zwei Tagen verlassen hatte, als wir sie bitten mussten, zurückzukommen und uns mit zu sich nach Tipperary zu nehmen.   

Wir erholten uns in der Wärme und Milde dieses Landstrichs, der so ganz anders als Connemara ist und Astrid brachte uns schließlich zum Flughafen. Wir waren und sind ihr sehr dankbar für diese "Rettung"💗


 Ich möchte diese Tage ansonsten nicht weiter erinnern. Zunächst glücklich und unbeschwert, endeten sie abrupt und hinterließen in uns beiden eine ziemliche Leere. Manchmal ist der Verdrängungsmechanismus wirklich hilfreich und so lasse ich diesen Teil so stehen. 

 



Wie gut, dass wir im Unglück immer um unser Glück wussten, bald zurückkehren zu können. Das half uns sehr und wir genossen zurück in Berlin die hellen Sommertage im Garten.  Hans Schulter heilte recht gut und schneller als gedacht und als auch er wiederhergestellt war, wurde es Zeit, die Koffer erneut zu packen und – wie ein Déjà-vu – wieder in einer spärlich besetzten Maschine Richtung Dublin zu fliegen!

 



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