Donnerstag, 5. Oktober 2017

Herbsttage in Calla - 9 - INISHLACKEN

                                                          Roundstone by Gerard Dillon

Im folgenden, letzten Abschnitt dieser besonderen Tagen in Connemara, möchte ich Euch mit einem irischen Maler, Gerard Dillon, bekanntmachen, dem wir auf diesem Ausflug "begegnet" sind - und dessen Kunst mich nicht mehr loslässt.
Ich habe vor, über ihn, seine Malerei, aber auch über sein Leben, mehr zu recherchieren und werde es Euch, wenn ich soweit bin, gerne zeigen!   Also:  Alles, was nicht Fotografie ist, die von uns stammt, sind Werke von Gerard Dillon!

Inishlacken

In Roundstone angekommen, machte mir der Wasserpegel dann allerdings doch etwas Kopfzerbrechen, denn das einzige Boot, auf dem jemand zu sehen war, schien nur über eine lange Leiter an der Kaimauer erreichbar zu sein.  Genau das Richtige für mich...  Schließlich war es ein größeres Schlauchboot, in das Pat umgestiegen war und uns an einer Treppe an der Kaimauer (nicht viel besser als die Leiter ) einstiegen ließ... Die Aussicht auf Inishlacken machte mich mutiger und die schnelle Überfahrt konnte ich wirklich genießen;  entlang der Halbinsel von Inish Nee fuhr er einen großen Bogen um sich nach  ca.  10-15 Minuten  Inislacken zu nähern. 


Schon der kleine Hafen hat Charme und es sieht so aus, als seien wir nicht die einzigen Gäste an diesem Nachmittag. Wieder wird am Kai geklettert und dann endlich fester Inselboden unter den Füßen.  Wir bitten ihn, uns in 2 1/2 Stunden abzuholen und machen uns auf die Erkundungstour die zu einer der schönsten hier werden sollte. 




Ein streng wirkendes, durch offenbar sehr stilvoll neu eingesetzte riesige Fenster verschönertes Haus begrüßt einen als erstes:  das Schoolhouse von Inishlacken, das nicht nur außen beeindruckend wirkt, sondern ein ausgesprochen stimmungs- und geschmackvolles Inneres hat, wie wir durch die Fenster erspähen können. 





Ein großerRaum, früher also ein Schulzimmer für all die Kinder der Insel,  ist zu einer noblen kleinen Unterkunft für ein oder zwei Nächte eingerichtet.  Inzwischen weiß ich, dass Ballynahinch Castle dieses Haus als eine besondere Attraktion für interessierte Gäste mit einem Lobster-Essen-Angebot ¨ im Programm¨ hat..  Dekadent, wie wir jetzt finden... 

 Ein weiteres, offenbar bewohntes Cottage in spärlich renoviertem Zustand (wie all die anderen, an denen wir später vorbeikommen sollen) zieht dann unsere Blicke an und alles hier lockt, festgehalten zu werden.. 

Dieses einfach cottage, so stellte sich inzwischen heraus, war das, in dem Gerard Dillon
im Jahr 1952 auf Inishlacken lebte




 Der weiße Strand ist voller Muscheln und Austernschalen und Schnecken, aber das wollen wir uns aufsparen für das Ende der Erkundigung.. Es gibt auf dieser Seite, die wir eingeschlagen haben, keine Wege und so gehen wir Schritt für Schritt (auf Steine achtend, die überall in den Wiesen liegen) weiter..  


 Ruinen und aus Ruinen neu errichtete kleine Cottages reihen sich  in nicht großen Abständen an einander.. Das Dorf wird im Geist sichtbar, das hier einmal stand.  



Auf Inishlacken lebten bis in die 50iger Jahre 200 Menschen.  Das ist kaum vorstellbar, wenn man weiß, dass es auch heute noch keinen Strom auf der Insel gibt- allerdings jetzt eine Wasserleitung, die es damals wahrscheinlich nicht gegeben haben wird

.  An den Häusern lehnen große Tonnen,  die den Regen auffingen und auch jetzt noch auffangen.
Schafe grasen wie bunte Punkte zwischen den Ruinen und einige sind ihre Unterstellplätze geworden, wenn noch ein Dach vorhanden ist. 




Kleine Strände, langgezogene Felsrücken wie riesige Elefanten ragen in den immer offener werdenen Atlantik und dahinter saftige Weiden, auf denen wir -neben Schafen - nur einige Esel ausmachen können. Kühe scheint man nicht vom Festland herüberzubringen.  


Wir laufen - jeder in seinem Rhythmus und nehmen diese Eindrücke tief in uns auf.

Ein Mann in Gummistiefeln kommt uns entgegen und bleibt stehen, als wir aufeinandertreffen.  Wir fragen ihn scherzhaft, ob er der letzte Inselbewohner sei, nicht ohne ihm vorher zu sagen, dass wir uns gerade wie im Paradies fühlen würden.. Es scheint ihn zu freuen und er erzählt, dass er aus Dublin stamme und das Cottage hinter dem Schulhaus seines sei.  Er käme hierher, um der Welt zu entfliehen und Ruhe zu finden. Offenbar kommt er gut ohne Elektrizität und jeglichen Komfort aus, meint aber, das Licht der Gaslaternen am abend sei nicht schön und so ginge er meist mit dem Sonnenuntergang zu Bett und stünde mit dem Sonnenaufgang wieder auf.  Er macht einen sehr sympathischen und authentischen Eindruck und ich hätte ihn gerne gefragt, was er mache, wenn er nicht hier auf der Insel sei.. aber das verbietet sich natürlich :)
Als er uns fragt, woher wir kämen, schließt sich kurz ein kleiner Kreis:  seine Tochter war im Sommer einige Wochen  in Berlin und so begeistert von der Stadt, dass sie versucht war, zu bleiben. Gäbe es genügend Wohnungen und Jobs, hätte sie es getan.

  
Viel gäbe es tatsächlich nicht von der Insel zu erzählen, meinte er, außer, man würde sich mit den Künstlern Gerard Dillon, George Campbell und James MacIntyre beschäftigen.  Er empfahl uns das Buch ¨Three Men on an Island¨  das James MaicIntyre über den Sommer 1951, den diese drei Maler auf Inislacken verbrachten, geschrieben hat..  Ich werde versuchen, ein Exemplar dieses Kleinods zu bekommen, denn es ist vergriffen. Wir wollen auch in Roundstone in der Bücherei schauen, ob es dort vielleicht auszuleihen ist.


Dass sich dieser Mann auf der Insel, auf der er zur Zeit alleine lebt, über zuviel Tourismus beschwert, läßt uns auflachen, aber nur einige Zeit später, können wir uns vorstellen, was er meint, als wir einer Gruppe von 5 weiteren Inselerkundern begegnen, die später am Strand ein größeres Picknick machen.. Und nun ist September und die Saison vorüber.  Sicherlich wird es im Sommer schon deshalb  voll sein, weil Roundstone keinen eigenen Strand hat - und man ja schnell mit dem Boot an den türkisfarbenen Stränden von Inishlacken anlegen kann...
 Er meinte noch mit einem Augenzwinkern, dass die Iren zum Glück Langschläfer seien und so der Vormittag ihm gehöre.  Andere als irische Touristen habe er so gut wie noch nicht angetroffen!   Wir entlassen ihn in seine Stille und Ruhe uns setzen unseren Spaziergang, der für mich immer mühevoller wird, da wir uns unter Zäunen, die zwar eingerissen, aber nicht entfernt sind, hindurcharbeiten müssen und auch die vielen Steine und kleinen Felsen, über die wir uns voranarbeiten, werden etwas mühsamer.



 Ein Segelboot (wir sehen kaum Segelboote hier) erscheint mir wie ein Zeichen:
Hätten wir heute diesen Ausflug nicht gemacht, wären wir dem "Fremden" nicht begegnet  - und wären wir ihm nicht begegnet, hätten wir nicht über Gerard Dillon erfahren!
Wie so oft, bin ich mir sicher, dass all das, was wir hier erleben, nicht von "Zufall" geprägt ist, sondern so geschehen soll...


In unserer Fantasie belebt sich die Insel und die Bilder von Gerard Dillon geben uns einen Einblick in diese Zeit.




Wir gehen nicht bis zur Spitze und durchwandern die Insel bis wir auf der Seite, auf der wir ankamen, eine Art ¨Trampelpfad¨ finden, auf dem sich besser gehen läßt.
Begeisternd ist - neben dieser stillen, wundervollen Natur und der Steinzeugen einer vor nicht langer Zeit hier noch lebendigen Gesellschaft,  das Schauspiel am Himmel. Die Wolken vor dem tiefen Blau sind ein einziges, sich leicht veränderndes Schauspiel, das wir  dann am Schluß im Sand liegend und auf das Boot wartend noch einmal tief in uns aufnehmen.  



Wir sind glücklich, sehr begeistert und froh, dass wir diesen ¨Inseltraum¨ nicht mit nach Berlin nehmen würden, sondern ihn hier und jetzt gelebt haben!


 Ich lese hier ein Buch, das vom alten Irland erzählt, von den Männern, die nach England auswanderten, weil es keine Arbeit gab, erzählt, wie der Autor als Kind mit bloßen Händen die Tür der Hütte streicht - poetische Momentaufnahmen und Anekdoten - sehr bewegend und tiefe Einblicke in die unglaubliche Armut Irlands noch vor nicht allzu langer Zeit.





Was ich konnte.

Ich konnte Netze flicken. Ein Strohdach decken. Eine Treppe bauen. Aus Binsen einen Korb flechten. Einer Kuh das Bein schienen. Torf stechen. Eine Steinmauer bauen. Mit Joe drei Runden im Ring durchstehen, den Da in der Scheune gebaut hat. Sets danzen. Den Himmel lesen. Ein Makrelenfass bauen. Straßen ausbessern.  Ein Boot bauen. Einen Sattel aufpolstern. Ein Karrenrad aufziehen. Geschäfte machen. Ein Feld bauen. Mit Wendepflug, Wiesenschleppe und Drescher arbeiten. Das Meer lesen. Schießen und treffen. Schuhe machen. Schafe scheren. Gedichte behalten. Kartoffeln setzen. Pflügen und eggen. Den Wind lesen. Bienen halten. Hocken binden. Einen Sarg zimmern. Einen Schluck vertragen. Geschichten erzählen zum Fürchten. Beim Melken das richtige Lied vorsingen. Und auf dem Akkordeon siebenundzwanzig Lieder....


Ich lese den Himmel
Timothy O'Grady /Steve Pyke  


 Selbstportrait Gerard Dillon




 Danke für Euer Lesen und Eure Aufmerksamkeit!

Herzlichst
Gabi

1 Kommentar:

  1. Liebe Gabi,
    deine Erzählungen sind wohltuend und schenken mir ein Gefühl der Ruhe......ich könnte auch sagen: sie hinterlassen einen tiefen Frieden in mir.
    Beim Lesen streife ich mit dir durch die Landschaft und entdecke Schönes - im Außen UND im Innen.
    Vielen herzlichen Dank.

    Mit lieben Grüßen
    Veronika

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