Nothing Personal
Ich möchte Euch noch einmal meinen Lieblingsfilm empfehlen... Ein Film wie Poesie. Ein Stück über Einsamkeit, Zweisamkeit, Musik,
Sehnsüchte, Ängste. Nothing Personal ist ein wunderbares Beispiel dafür,
dass in der Ruhe Kraft liegen kann. Die Kamera hat die Abgeschiedenheit
perfekt eingefangen und der wirklich sehr sparsam eingesetzte Score
unterstützen diese Einsamkeit hervorragend. Wirklich schöner Film, sehr
rührend.
Das Haus auf der verlassenen Insel
Wie nähert man sich einander an, ohne persönlich zu werden? Man kennt
einander nicht, weiß nichts von einander und will das alles auch gar nicht.
Dennoch schuftet man gemeinsam im Garten und lebt streng nach der Devise „Arbeit
gegen Essen« unter einem Dach. Von dieser ungewöhnlichen Situation geht
Regisseurin Urszula Antoniak in ihrem Spielfilmdebüt
Nothing
Personal aus und zeigt die Annäherung ihrer eigenwilligen
Protagonisten als Kino-Experiment.
Der Wildfang und der Kauz. Sirenhaft mimt Lotte Verbeek die junge
Holländerin, die nach einer gescheiterten Ehe, den Ring vom Finger streift und
fortan mit Rucksack durch die Lande zieht. Der Zuschauer verfolgt ihre ruppigen
Bewegungen, wenn sie etwa das Zelt für eine Nacht am Strand aufbaut und sich in
den Schlafsack zurückzieht. Oder wenn sie plötzlich aus einem fahrenden Lkw
springt. Immer wieder verweilt die Kamera auf ihrem Gesicht, den feuerroten
Haaren und hellblauen Augen mit einem störrischen Blick. Immer wieder fragt
man sich auf ihrer Wanderschaft Was macht sie? Was hat sie vor? Schließlich
gibt man diese Gedanken auf und betrachtet einfach nur das Geschehen auf der
Leinwand. Ihren Namen gibt die junge Frau vorerst nicht preis. Ein simples Du
muss dem Einsiedler Martin (Stephen Rea), auf den die Vagabundin in Irland
trifft, als Anrede ausreichen. Aus der Ferne hatte sie sein Haus auf einer
verlassenen Insel ausgemacht und setzte über. Nach einer Inspektion des
Hauses, einschließlich dem Schlafzimmer, lässt sie sich auf der Hausbank
nieder, wo Martin sie später ausfindig macht. Er schlägt ihr vor, wenn sie ihm
bei der Gartenarbeit aushelfe, komme er für Kost und Logie auf. (Stephen Reas
(
Crying Game) Gesicht passt wunderbar
in diese irische Landschaft. Man liest in seinem Gesischt wie eine weitere,
ganz eigene Landschaft. Allein seine Präsens nimmt der jungen Frau gar
zeitweise ihre Verletzlichkeit.) Die junge Frau geht schließlich auf den Deal
ein.
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Himmel, Wind und Erde. Die junge Frau gräbt mit bloßen Händen die Erde um,
interessiert betrachtet sie Wurzelwerk und Erdablagerungen. Als Martin sie
zum Essen ruft, wischt sie sich die Hände an der Hose ab und tut gleichgültig.
Achtlos streift sie sich die Lederjacke über. Doch neben der Sinnlichkeit der
Gartenarbeit gibt es eine weitere Verbindung zwischen den beiden
Einzelgängern: der Intellekt. Beide lieben Bücher, Musik und gutes Essen. So
wird man trotz strikt abgesprochenem Deal neugierig aufeinander. Auf den
Menschen, dessen Leben und seine Vergangenheit. Darüber verliert man kein
Wort. Lieber zielt man mit einem Gewehr auf den anderen, weil niemand weiß,
wohin das alles führt. Lieber zieht man sich zurück, wenn der andere eine
Herzattacke erleidet. Gefühle jedoch verhindern solche Gesten nicht.
Mit
Nothing Personal schafft Urszula Antoniak einen
Kunst-Film im besten Sinn: Wenn die Kamera distanziert das Geschehen verfolgt
und die Landschaft als »handelnde Person« in die Ereignisse einbindet. Wenn
der Ton den Wind einfängt und dieser die Protagonistin stetig auf ihrer
Wanderschaft begleitet. Zudem verlässt sich Antoniak ganz auf die
Ausdruckskraft der Gesichter und Gesten ihrer Schauspieler. Und sie setzt
bewusst auf Stille statt auf erklärende Dialoge. So wird selbst das Interieur
eines Landhauses – die Einrichtung einer Küche, das Sortiment der
Musiksammlung oder der Blick aus einem Fenster – beredet. Solch eine
Kunstfertigkeit und eigenständige Filmsprache konnte zuletzt das
französische Drama
Sois sage aufweisen; wenngleich
Nothing Personal in seiner Machart wesentlich simpler und
stringenter daherkommt..
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»Ich will sein wie du«, sagt die junge Frau irgendwann zu Martin. Doch da
ist es schon zu spät, die Zeit verrinnt. Was bleibt, ist dem anderen einen
letzten (Liebes)dienst zu erweisen und die Reise wieder aufzunehmen. Denn
Gefühle haben eben ihre eigene Logik.