FINIS ISLAND
Wir hatten uns vorgenommen, bei der nächsten
stabilen Wetterlage - und die hatten wir nun zum ersten Mal, den lange gehegten
Plan, auf die Insel Finis bei Carna zu kommen, umzusetzen!
Wie Inislacken ist die Insel lange
schon unbewohnt. Wir mußten in unseren Adressen kramen, um
eine Telefonnummer, die wir uns im Pub in Carna hatten geben lassen, zu
finden: Oscar hat das Boot, das uns zur
Insel bringen sollte. Ein Anruf ergab,
dass sein Boot zur Zeit nicht benutzbar ist, er uns aber an Sean weiterleiten könne, der uns
mit seinem Curagh zur Insel brächte.
Und so machten wir uns auf den Weg nach Carna, eine unserer
Lieblingsstrecken durch weites Bogland. Ich habe es mehrfach hier
beschrieben. Eine unglaubliche Weite,
Stille, Ruhe und auch der sonst doch lebhafte Verkehr läßt hier nach.
Carna ist nach wie vor ein Ort, der etwas abseits des Trampelpfades ¨Wild Atlantic
Way¨
liegt und das macht diese Gegend umso interessanter und schöner.
Am kleinen Pier von Carna treffen wir
Sean, der uns herzlich empfängt und ein Blick in die Tiefe des
Hafenbeckens läßt
mich ahnen, dass dieses Unterfangen ¨curagh¨ für mich etwas
abenteuerlich werden würde... Aber ich woltle es unbeding
wagen und es gelang mir auch, über eine - von
Seetang etwas rutschige -
Steintreppe entlang der Piermauer ins Boot zu kommen..
Die Überfahrt ist kürzer als die
nach Inislacken, Sean unterhält uns, was bei dem Fahrtwind jedoch
nicht immer zu verstehen ist. Auf seinem blauen Käppi steht
"luftgekühlt",
was wir mit einem Schmunzeln erst auf den Fotos entdecken!
Anngekommen auf der Insel, muß man die
Quaymauer erklimmen und Sean ist etwas in Sorge, dass wir spät dran sind
und die Ebbe schon in 2 Stunden einsetzen könne.
Es sei dann nicht mehr möglich, aus dem
Hafen zu fahren, da er sehr schnell leer laufe..
Zunächst aber
wollte er uns - gleich am Pier - das
Haus von seiner Tochter, Oscars Frau,
zeigen, das uns in wirkliches Staunen versetzt.
Selten haben wir ein so liebevoll und geschmackvoll eingerichtetes
Cottage hier gesehen! Groß und geräumig, mit 3
oder 4 Schlafzimern ist es wirklich eine kleine Sensation auf dieser ansonsten
verlassenen, menschenleeren Insel. Es
gibt wenig Besucher, aber ein Gast aus dem Norden käme jeden
Sommer für
eine Weile!
Es gibt - wie auch auf Inislacken -
eine ¨frühere Strasse¨ - also einen
breiten Fußweg,
auf dem vielleicht früher Traktoren
fahren konnten.. Jetzt ist alles überwachsen und die Kühe haben den
Weg übernommen.
Es ist wunderbar, endlich an diesem
Ort zu sein... Wir wollen die Insel
erkunden so weit wir kommen und uns treiben lassen. Ein wenig lenken die im Weg lagernden Kühe unsere
Pfade, denn wir weichen ihnen doch lieber aus.
Vor den Augen entstehen - wie auf
Insislacken - Bilder, wie es einmal hier ausgesehen haben mag. Bis in die
80iger Jahre lebten hier Menschen. Das
hübsche
Haus war einst das Elternhaus von Sean.
Wir entdecken nur ein weiteres bewohnbares Cottage. Sonst stehen nur
noch Ruinen des Dorfes, das hier einmal war.
Sean meint, dass von den ehemaligen Bewohnern auch in Carna nur noch 2
Familien leben, der Rest ist in alle Winde verstreut - wie immer und überall in
Irland. Die Hungersnot 1847 war hier in
dieser Gegend - in Connemara überall - am
schrecklichsten und forderte die meisten Opfer. Eine Million Menschen
verhungerte damals und eine Million verlies das Land. Eine Tragödie
unfassbaren Ausmaßes, die das Land für immer geprägt hat.
Hungerstraßen und
Hungermauern ins Nirgendwo entlang der sanften Hügel, prägen die
Landschaft hier. Die hungernden Menschen
wurden von ihren Grundbesitzern - zur Ablenkung vom Hunger, gezwungen, diese
sinnlosen Mauern zu bauen. Viele von ihnen überlebten
diese Arbeiten aus Mangel an Nahrung nicht.
Die Kennzeichen dieser düsten Zeit aber haben überlebt und
sind Zeugen!
Das Wissen über diese
geschichtlichen Hintergründe läßt uns immer
sehr still und fast andächtig werden. Tod und Not sind hier überall
sichtbar in diesem Land und gibt ihm sicherlich auch seine Tiefe und zugleich
seine Lebendigkeit. Pleasure and pain -
so dicht aufeinander wie selten sonst.
Es ist nicht leicht zu gehen, denn
nachdem wir den ¨ Weg¨ verlassen
haben, schlagen wir uns sozusagen von Ruine zu Ruine durch und überall stehen
kleine Mauern, die zum Glück von den Kühen an einigen
Stellen schon Durchlässe haben. Brombeerranken sind kleine Tücken und ich
merke einfach, wie sehr es an der Zeit
war, diese etwas mühevolleren Wege auch zu gehen!
Das Gras hier ist unglaublich grün und saftig
und man kann der Landschaft den regenreichen Sommer auch hier ansehen. Ein Genuß für die Kühe, die noch
besser aussehen, als sie es hier ohnehin tun!
Hier blühen
noch die Margeriten, die sonst längst verblüht sind, weiße Punkte im Grün.
Wir schauen auf die Uhr, denn man ergißt die Zeit auf
diesen Inseln. Es wird Zeit, zurück zu gehen.
Wir laufen ein Stück am Strand, wo man endlich ¨ auslaufen¨ kann, ich
sammle Muscheln, und dann dränge ich zum
Aufbruch.
Am Pier ist das Boot von Sean nicht zu
sehen! Und dann sieht er uns und winkt
uns zu.
Die Ebbe hat bereits eingesetzt und er
mußte
das Boot aus dem Hafen fahren und nun steht es dort irgendwo im Seaweed im
niedrigen Wasser und wir müssen uns durchschlagen!
Sean kommt uns entgegen - da er ein
wenig um unsere Trittsicherheit im Seetang besorgt ist... Und er führt mich an
seiner starken Hand dann doch sicher durch diese Wasserlandschaft zum
Boot! Geschafft!
Für eine
eventuelle Wiederholung wissen wir nun, dass wir früher starten müssen!
Zum Glück ist das
Wasser im Pier von Carna noch hoch
genug, um die Treppe zu erreichen und ich bin doch recht froh und erleichtert,
wieder an Land zu sein!
Zugleich erfüllt mich ein
gewisser Stolz, solch eine (kleine) Herausforderung angenommen zu haben.
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