..."You have to look at it from the bright side!"
Sonntag,
8.9.2013
Heute in
einer Woche sind wir bereits auf dem Flug nach Berlin – also wird es Zeit,
einige Eindrücke festzuhalten, bevor sich der Berliner Alltag wie eine
Staubschicht über sie breitet.
Das
Entscheidende zuerst: es hat keinen
Einzug ins School House gegeben und mit dieser Enttäuschung umzugehen, war die
wohl größte Herausforderung dieser Tage! Nun haben wir uns gefügt und seither
ist mehr Ruhe und Ausgeglichenheit bei uns beiden zu spüren.
„You have to
look at it from the bright side“.. interpretieren wir für uns so, dass wir uns
wieder der Natur zuwenden, fast täglich auf Entdeckung der nahen Umgebung gehen
und mehr als überwältigt von dem sind, was wir dort vorfinden: wir sind mitten im Paradies gelandet! Strände, Buchten, Küsten, wie man sie sich
aufregender und schöner nicht vorstellen kann. Hügeliges, felsiges Hinterland
vom niedrig wachsenden Ginster, der die
Steinbrocken hinauf klettert, in leuchtendes
Gelb getaucht und das Violett und Rosé der Heide als Kontrast im Grün . Farne,
hohe Gräser, die verblühten Lilien, die uns im Juni so erfreuten, hoher Schilf
an den Teichrändern… Und auf den Wiesen
grasen Kühe und Schafe. Eine
friedlichere Landschaft gibt es wohl kaum.
Das einzige
Geräusch - der Wind und hin und wieder
der Schrei einer Möwe oder das laute Blöken einer Kuh und das Meckern der
Schafe..
Wo immer wir gehen, stoßen wir auf Küste,
auf weiße, stille Buchten und weite, endlose Blicke auf den Atlantik
lassen uns still werden und all die
Gedanken, Sorgen und Überlegungen zum Haus in den Hintergrund treten: Wegen dieser Landschaft sind wir hierund
wegen dieses Friedens, der von ihr ausgeht!
Wir brauchen
diese inspirierenden, tröstlichen und spirituellen Wege sehr, denn die ersten
beiden Wochen waren geprägt von sehr viel Hektik, Aktionismus und wir
angetrieben vom Wunsch, noch in diesen Wochen das Haus zu beziehen – ein von Beginn an
sinnloses Unterfangen, wenn man sich den Zustand, in dem wir das Haus
vorfanden, genau betrachtete!
Nach dem
Motto: „Der erste Eindruck ist der wichtigste“.. hatte Fechine die Zimmer
streichen lassen und diesem ersten Eindruck erlagen wir auch zunächst und er
täuschte über all das hinweg, was nicht geschehen war – also praktisch
alles andere!
Kein Boden in
allen Räumen, kein Strom, kein Wasser, kein Badausbau. Nur das Dach, die Verlegung
der Stromleitungen im Haus, der Teilabriss des Schuppens und natürlich das
Aufschütten der Hohlräume unter dem School House, waren erledigt.. wenig für
die Zeit von Mai bis Ende August!
Mit unserem
Erscheinen schien aber auch endlich Betriebsamkeit auf der Baustelle zu entstehen: Der Boden kam und unter dem Holz verschwand
der Zement und ein Anflug von Wohnlichkeit breitete sich von Raum zu Raum aus.
Die Maler begrüßten uns gutgelaunt, wann immer sie auftauchten und auch die anderen Handwerker waren
ausgesprochen freundlich und bezogen uns in ihre Überlegungen und Vorschläge
ein!
Was uns
sofort auffiel: auf der Baustelle war es
– neben den nicht vermeidbaren Geräuschen der Arbeiten – sehr ruhig: kein Radio!
Das waren wir wirklich nicht gewohnt.
Eine Nachbarbaustelle hier in Berlin begann jeden Morgen um 7 Uhr mit
dem Anschluss eines riesigen Radios an den Baustrom und ab da wurden wir den ganzen
Tag über beschallt! Was für eine Wohltat
die Baustelle in Connemara verglichen damit!
Manchmal erschien Fechine singend -
wenn er erschien, was nicht allzu häufig war.
Der
Liefertermin der IKEA-Küche (und eines Großteils der Möbel ) schien den notwendigen
Druck auszulösen: „When is the kitchen coming?“
- die tägliche bange Frage von Fechine und täglich neue Zusagen über die
Fertigstellung eines Bauabschnitts!
„The
electrician is coming on Monday“, aber auch der Dachdecker, der noch ein Loch
über der Küche zu schließen hatte, durch das es zwischenzeitlich
hindurchgeregnet hatte, sollte Montag kommen und so der Installateur.
Als wir dann
Montag um 11 Uhr zum School House kamen, stand dort nicht ein einziges Auto!
Als wir um 14 Uhr zum Lunch nach Clifden fuhren, war noch immer niemand – auch
Fechine nicht – aufgetaucht!
Soviel zu den
„Mondays“ – denn das wiederholte sich!
Wir mussten
einfach begreifen, dass alle Planung, alle Absprachen und „time tables“, alle
„to do –Listen“ hier auf keinerlei Resonanz
und Druck stießen – sondern alles – irgendwie – seinen chaotischen Gang geht!
Niemand macht
seine Arbeit fertig! Alles wird
angefangen und dann verschwinden die Gewerke zum Teil für Tage oder eine ganze
Woche…
Und die
Arbeit liegt und behindert die anderen Arbeiten!
Und dann
kommen alle am gleichen Tag und stehen sich gegenseitig
in Weg!
Wir hatten
noch viel zu lernen – in Ireland!
Bei mir
machte sich nach etwa 10 Tagen eine große Resignation und Enttäuschung breit.
Fast war es, als müsse ich mich vom Traum verabschieden, als gäbe es nicht noch genügend Zeit für uns,
dieses Haus in fertigem Zustand und nur als „Baustelle“ zu betreten!
Eine tiefe
Müdigkeit, Schwere und Trauer lag auf meiner Seele und es brauchte einen oder
zwei Tage, einen heftigen Streit mit Hans-Jürgen und einen erlösenden
Spaziergang am nahen Strand, um mich aus der Melancholie in die Schönheit
Connemaras zurück zu holen!
Noch ein
Blick weiter zurück:
Die Ankunft
in Dublin war sonnig und ein warmer Wind empfing uns!
Wir kamen zu
dritt: unsere Freundin Carola hatte sich
entschlossen, meinen Geburtstag mit uns zu begehen (wie schon vor einigen
Jahren) und sich das Projekt „live“ anzusehen!
Unser erster
Gang war der „zu Florian“ – wie immer in Dublin. Der Weg vom Flughafen nach
Rathmines ist uns inzwischen vertraut und es ist ein stiller Weg! Wir hängen
unseren Gedanken nach – der Trauer, die uns schon am Flughafen einfängt, weil
die Bilder des dort wartendenden Florian so lebendig werden und so intensiv
sind , dass man es kaum erträgt..
Und dann sitzen wir wieder auf dieser Treppe, nachdem ein junger Mann geöffnet
hatte und als wir ihm erklärten, weshalb wir da sind, sah er uns bestürzt an
und zeigte auf sein Apartment: You find me there if you need anything! I feel
so sorry for you! Das war sehr
berührend.
Nichts
verändert sich hier und auch Florians Name steht noch immer an der Fußleiste!
Niemand kam – keiner ging – und so hatten wir einen ruhigen, schweigsamen
Moment an diesem „heiligen Ort“…
„Better pass boldly into that other world, in the full
gloryof some passion, than fade and wither dismally with age.“ ….
James Joyce
Ist es das,
wie ich Florians Verlust sehen sollte? Es fällt mir – auch nach so langer Zeit
schwer, denn ich denke, Menschen wie er haben diese Welt zu einer besseren Welt
werden lassen und ihre Abwesenheit macht
diese Welt ärmer und sie hinterlassen große Lücken!
Wir fahren
bis Athlone und übernachten dort in einem B+B, das uns schon oft gesehen
hat! Erst am kommenden Tag können wir in
das cottage, das wir gemietet haben – ganz in der Nähe vom School House.
Wir bezogen das
Cottage, in dem wir auch mit meinem Bruder Michael im Juni wohnten und so war
alles noch sehr vertraut und fast war man geneigt, zu erwarten, dass die Butter
noch im Kühlschrank stehe und die Wasserkanister - gekühlt von der Nacht - vor der Küchentür!
Ein
einladendes, schönes Cottage, in dem wir eine Woche wohnen – und dann in unser
Haus umziehen sollten. So war die Absprache mit Fechine, aber er hatte uns auch
versprochen, dass wir in sein Cottage am Maumeen Lake umziehen könnten, sollte
es doch nicht möglich sein, im School House zu wohnen!
In einer
vertrauten Umgebung fällt es leicht, schnell zu einer „Urlaubs-routine“ zu
kommen, zumindest in Bezug auf die Dinge, die erst einmal zu erledigen sind: Die Einnahme der Zimmer, das Auspacken, der erste große Einkauf…. Und dann ist doch
auch alles immer wieder ganz anders – weil das, was man unternimmt, was man
sieht, wenn man aus den Fenstern schaut, davon abhängig ist, was das irische
Wetter zulässt – oder nicht!
Wie auch im Juni haben wir Glück und freuen uns eine ganze Woche lang an
sonnig-schönen Tagen! Die Vegetation hat
sich verändert: jetzt dominieren die Montbretien, die mit ihrem leuchtenden Orange
die Natur zum „Glühen“ bringen. Sie säumen die Straßenränder und stehen in großen Büschen in den Vorgärten der
Häuser- auch bei uns – in Mike’s Cottage!
Nicht minder
leuchtend ist das Rot der Fuchsien, die nun an engen Straßen rote Ränder
bilden, die in Schach gehalten werden müssen, dass sie die Straßen nicht noch
enger machen, als sie es ohnehin sind!
Das Wollgras,
das im Juni wie Schneeflocken über dem Heidekraut lag, ist verschwunden und
auch die gelbe Pracht der Lilien!
Palmen,
Rhododendren – wir sind wieder begeistert von der Vielzahl der in der Natur –
ohne das Eingreifen von Menschenhand -
blühenden und grünenden Pflanzen!
Wenn wir auch
täglich das School Haus aufsuchten und die Arbeiten dort begleiteten, so hatten
wir diese Tage doch auch Zeit für Müßiggang und vor allem die Strände, die zu
Fuß sowohl von Mike’s cottage, als auch vom School House zu erreichen sind,
lösten wahre Begeisterungsstürme aus.
Carola war sogar so mutig, im Atantik zu schwimmen – wir verschoben das erst einmal!
Ich möchte ihn nicht verschweigen, meinen Geburtstag, obwohl ich es gerne
tue! Es ist ein schwerer Tag und auch in
diesem Jahr war ich froh, als ich ihn hinter mich gebracht hatte! Ich kann diese Tage nicht trennen von der
Sehnsucht nach Florian. Es kommt mir immer
wie ein Hohn vor, selbst älter zu werden und alt zu werden - und diesen Jungen mit 23 Jahren verloren zu
haben…Hans-Jürgen und Carola, die ja „Wissende“ sind, haben alles getan, es mir
schön und leicht zu machen und Florian mit in diesen Tag zu nehmen… das hilft
ein wenig – aber gut ging es mir erst, als er vorüber war..
Die Tage
verflogen mit kleinen Wanderungen, Scones im Café in Clifden oder Roundstone,
Lesen, abendlichem Kochen in der geräumigen, schönen Küche und Gesprächen am
Torffeuer. Carola zog es noch nicht
einmal in den Pub zur live-music , das machten wir in der darauf folgenden
Woche – und erlebten unseren builder Fechine in einer ganz anderen Rolle – als
Sänger, Gitarristen und glänzenden Unterhalter des Pubs!
Einen Ausflug
nach Galway unternahmen wir, da wir noch einige Haushaltsgeräte kaufen mussten. Galway begeistert immer
wieder mit seiner Lebendigkeit. Die Stadt wird
dominiert von Studenten. Die zweisprachige Universität beherbergt über 10.000
Studierende. Aber auch ansonsten ist die Stadt sehr jung. Der Großteil der
Bevölkerung ist unter 50 Jahre alt. Am Abend herrscht in der Stadt noch mehr
Leben als sonst, die Musikszene in den Pubs ist eine der bekanntesten und
beliebtesten in ganz Irland. Aber auch tagsüber zeigt sich Galway von seiner
fröhlichen und bunten Seite. In den Straßen wird musiziert und man ist offenbar
sehr kälteresistent. Auch jetzt, im
Herbst und später Winter frönt man dem
fast mediterranen Lebensgefühl und nimmt an den vor den Straßencafés
aufgebauten Stühlen und Tischen Platz.
Mit Carolas
Abreise veränderte sich das Wetter. Es
wurde kühler, herbstlicher und uns stand nun der Umzug aus Mike’s Cottage in
das Cottage von Fechine, das auf seinem Grundstück über dem Maumeen Lake eine
herausragend schöne Lage hat, leider aber von Einrichtung und Ausstattung nicht
an das Cottage herankam, das wir nur ungern verließen. Die nächsten Gäste waren aber bereits im
Anmarsch und uns blieb nichts übrig, da unser Haus ja nach wie vor alles andere
als „fertig“ war! Dass wir das Haus gratis als – sozusagen „Ausgleich für
entgangene Freude am eigenen“ zur Verfügung gestellt bekamen ,tat zumindest
unserer Urlaubskasse gut!
Freude kam
auf, als wir feststellten, dass wir aus dem Fenster vom Esstisch aus, auf das
School House sehen konnten. So entdeckte Hans-Jürgen am Morgen z.B., dass der
Dachdecker nun endlich gekommen war! Und noch mehr freuen wir uns über einen Regenbogen"
Nun wurden
die Tage „enger“ und wir verbrachten sie zum großen Teil im School House bzw.
widmeten uns dem Garten, der unter den Baumaßnahmen sehr gelitten hatte. Die „Steinkreise“, die wir noch im Juni
bestaunten, waren teilweise beiseite geschafft worden, weil dort schweres Gerät
fahren musste, es war gegraben worden, um das Wasser
vom Haus
wegzuleiten. Drainagen in alle Richtungen und der Abriss des Schuppens hat
nicht nur unsere Margariten büsche, die im Juni gerade zu blühen begonnen
hatten, sondern vor allem auch den Kräutergarten am Haus und den herrlich
blühenden Salbei unter Schutt begraben.
Es tat einem manch Blick in der Seele weh und so begannen wir mit
Aufräumarbeiten und Pflanzungen.
Die Hecken
waren – mit sehr wenig „Sinn und Verstand“ heruntergeschnitten und zum Großteil
die Zweige und Äste liegen gelassen! Die
vertrocknete Hecke vor dem Haus, die dem Blick zur Küste im Weg stand, war nun
herausgerissen und es tat sich für uns ein völlig neues Erleben der Aussichten,
die aus den Fenstern zum Meer bisher verstellt waren, auf! Wir standen – immer und jeden Tag – sprachlos
und voller tiefer Freude und fast andächtig im Haus und sahen auf diese
Landschaft, die „Seelenlandschaft“ ist – so pur und so rein und so absolut! Nichts ist vergleich bar, was wir
kennen. Nichts kann für unsere Augen
schöner und wahrhaftiger sein als diese Ursprünglichkeit, Wildheit und
Melancholie! Unglaublich! Und es ist fast, als sei die Küste näher an
uns herangerückt!
„Wir sind
mitten im Paradies gelandet“ – das ist unser immer wieder gebrauchter
Satz! Es ist alles noch so viel schöner,
als wir es bisher sehen und erleben konnten!
Wir kaufen
Heckenrosen, um die Mauer, die nun grau das Grundstück zur Straße und dann zur
Küste einfasst, irgendwann dahinter verschwinden zu lassen.
Wir freuen
uns über den großen Hortensienbusch,
der, seit wir ihn im Juni mit Hilfe von Michael freigelegt haben, in die Breite
gewachsen ist und beschließen, in diesem Teil des Gartens weitere Hortensien zu
pflanzen und um „Florians Stein“ entsteht ein kleiner Garten!
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