07.09.2016
So langsam glaube ich nicht mehr an
den entscheidenden Wetterwechsel in diesen Wochen - und wäre da nicht die Gewißheit, dass in Berlin noch immer um die 30° sind, wäre es vielleicht frustrierend. So sind wir noch immer froh, der Hitze entronnen und im irischen Herbst zu sein :)
Es sind nur Stunden, manchmal nur
lange Augenblicke, in denen die Sonne sich zeigt und wieder verschwindet. Gestern in Galway gab es
diesen Moment, in dem der Übergang von leichtem Nieselregen in
angenehme Sonnenwärme fließend ist.. Der
Regenmantel scheint unangemessen und Jacken und Pullover werden schnell
abgestreift. Das Straßenbild verändert sich -
die Menschen halten eher inne, wenden die Gesichter der Sonne zu und
verlangsamen den Schritt - um kurz darauf wieder in Eile zu verfallen, dem
einsetzenden Regen zu entkommen. Nicht alle
- bei weitem nicht, denn die Iren scheinen ¨wetterfest¨ zu sein.
Haare und Kleidung werden dem Regen ausgesetzt, als sei man imprägniert :) noch nicht einmal die Gesichtszüge verändern sich -
im Gegensatz zu unseren, die sofort etwas leicht quälendes haben:)
Galway ist so unglaublich bunt: Bunt die Häuser, die
Fassaden, bunt aber auch die Menschen.
Es herrscht im Straßenbild eine faszinierende Vielfalt an
Individuen!
Das fällt uns immer
wieder auf. Es fehlt viel an unserer Konformität. Es gibt auch - zumindest in Galway all die
Shops nicht, die uns unsere Konformität geben; vielleicht liegt es auch ein wenig daran.
Viele junge Frauen tragen zu den leichten Sommerkleidchen boots. Wieder fallen
uns die vielen rothaarigen Menschen auf.
Mag die Statistik etwas anderes
behaupten: wir sehen hier sehr viel mehr
Rothaarige als in Deutschland.
Die gesamte Rückfahrt von
Galway, die wir über eine Rundstrecke zu einem kleinen
touristischen Event für uns machen wollen, versinkt im strömenden Regen!
Schade!
Wir wollen die Strecke von Maam Cross über Spiddal
und Casla noch einmal an einem trockenen, sonnigen Tag fahren, denn sie führt durch eine
atemberaubende Boglandschaft, die wir auf alle Fälle erkunden
wollen! Gestern war nicht viel von ihr
zu sehen!
Das Gute an dem derzeitigen Wetter
ist, dass wir: viel Zeit zum Lesen haben. Endlich lese ich das Buch von Hans-
Josef Ortheil ¨Das
Kind das nicht fragte¨, das schon so lange auf meiner Liste
war. Sein Buch ¨Die
Erfindung des Lebens¨ war eine Art Offenbarung für mich! Aber auch hier finde ich mich immer wieder..
Dass wir - neben unseren hellen und frohen Seiten auch die tiefen, nie
verheilenden Wunden unserer Kindheit in uns tragen - das beschreibt er wie kaum
ein anderer! Das mag manch ein Rezensent als langweilig bezeichnen, mich faszinieren seine Bücher sehr!
Es spielt in Kanadas Wäldern und
beschreibt das Schicksal zweier Mädchen, deren zunächst glücklich
verlaufendes Leben sich nach dem Unfalltod des Vaters und dem Verlassenwerden durch die Mutter in ein
sorgenvolles Kinderleben verwandelt.
Von der poetischen Sprache des Buches
geht eine große
Faszination aus und man fühlt sich inmitten dieser aus allen
Fugen geratenen Kindheit.. Nicht gefallen hat mir das Ende des Buches, wo es
ins Mysthische abgleitet. Die Figur der Mutter erschließt sich
ebenfalls nicht und es bleiben zu viele Fragen offen, auf die es sich gelohnt hätte, eine
Antwort zu geben. Dennoch habe ich es
gerne gelesen.
Das nächste Buch
liegt schon bereit: ¨Henry der Held¨ von Roddy
Doyle - wieder ein irisches Buch. Henrys Geschichte spielt auf dem historischen
Hintergrund dieses Landes, beschreibt die Entwicklung dieses kleinen Überlebenskünstlers hin
zum Rebellen! Ich bin sehr gespannt.
Viel gibt es nicht zu erzählen. Vieles spielt sich auch in mir ab, wenn draußen er Wind uns
Haus pfeift, das Haus eine wohltuende Hülle ist und
Berlin mit seinem Sommer doch so weit weg.
Eimears Auftauchen, das so wundervoll
ist und ein so großes Geschenk, hat in mir jedoch auch
eine Unruhe ausgelöst, die ich nicht wieder loswerde.
Innere Bilder legen sich wie Schichten übereinander: die erste Reise hierher, die so lange auf
sich hatte warten lassen und die Faszination, die uns nie wieder losgelassen
hat!
Florians Briefe mit den lebendigen
Schilderungen des Lebens in Camphill und das eigene Erleben dieser besonderen
Welt. Die Begegnungen mit Eimear, hier
in Irland und später in Berlin. Die große Liebe
zwischen diesen beiden jungen Menschen und die Vorfreude auf eine Zukunft, die
so jäh
und schmerzlich abbrach.
Irland heute, ohne Florian: ein so
friedvoller Flecken Erde, der selbst so viel Leid und Tod in sich trägt. Gestern
dachte ich, dass jeder Quadratmeter hier Schmerz, Not und Elend gesehen hat -
und nichts geht verloren in dieser Welt.
Vielleicht ist es genau diese Energie, die wir hier spüren, die auf
der einen Seite dieses tiefe Glück und Dankbarkeit hervorruft und doch
auch immer wieder eine tiefe Melancholie, die mich ab und zu ergreift. Ich fühle mich mit
meinem Schicksal dieser Insel zugehöriger als unserer leichten, oberflächlichen und
schnelllebigen Welt in Berlin. Und doch spüre ich, dass
ich auch dort tiefe Wurzeln habe:
Freunde, Familie, ein Zuhause.
Es scheint
Menschen zu geben, die ¨mehr
ZuHause¨ benötigen,
als andere. Die es nicht so sehr in die
Welt zieht, die keine großen
Entdeckungsreisen benötigen, sondern die Orte,
an denen die Seele Heimat erfährt.
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