Mittwoch, 28. September 2016

Diary September 2016 (4)




07.09.2016

So langsam glaube ich nicht mehr an den entscheidenden Wetterwechsel in diesen Wochen - und wäre da nicht die Gewißheit, dass in Berlin noch immer um die 30° sind, wäre es vielleicht frustrierend.  So sind wir noch immer froh, der Hitze entronnen und im irischen Herbst zu sein :)


Es sind nur Stunden, manchmal nur lange Augenblicke, in denen die Sonne sich zeigt und  wieder verschwindet. Gestern in Galway gab es diesen Moment, in dem der Übergang von leichtem Nieselregen in angenehme Sonnenwärme fließend ist.. Der Regenmantel scheint unangemessen und Jacken und Pullover werden schnell abgestreift. Das Straßenbild verändert sich - die Menschen halten eher inne, wenden die Gesichter der Sonne zu und verlangsamen den Schritt - um kurz darauf wieder in Eile zu verfallen, dem einsetzenden Regen zu entkommen.  Nicht alle - bei weitem nicht, denn die Iren scheinen ¨wetterfest¨ zu sein. Haare und Kleidung werden dem Regen ausgesetzt, als sei man imprägniert :)  noch nicht einmal die Gesichtszüge verändern sich - im Gegensatz zu unseren, die sofort etwas leicht quälendes haben:)


Galway ist so unglaublich bunt:  Bunt die Häuser, die Fassaden, bunt aber auch die Menschen.  Es herrscht im Straßenbild eine faszinierende Vielfalt an Individuen!
Das fällt uns immer wieder auf. Es fehlt viel an unserer Konformität.  Es gibt auch - zumindest in Galway all die Shops nicht, die uns unsere Konformität geben;  vielleicht liegt es auch ein wenig daran. Viele junge Frauen tragen zu den leichten Sommerkleidchen boots. Wieder fallen uns die vielen rothaarigen Menschen auf.
Mag die Statistik etwas anderes behaupten:  wir sehen hier sehr viel mehr Rothaarige als in Deutschland. 

Die gesamte Rückfahrt von Galway, die wir über eine Rundstrecke zu einem kleinen touristischen Event für uns machen wollen, versinkt im strömenden Regen! Schade!


Wir wollen die Strecke von Maam Cross über Spiddal und Casla noch einmal an einem trockenen, sonnigen Tag fahren, denn sie führt durch eine atemberaubende Boglandschaft, die wir auf alle Fälle erkunden wollen!   Gestern war nicht viel von ihr zu sehen!

 Das Gute an dem derzeitigen Wetter ist, dass wir: viel Zeit zum Lesen haben. Endlich lese ich das Buch von Hans- Josef Ortheil ¨Das Kind das nicht fragte¨, das schon so lange auf meiner Liste war. Sein Buch ¨Die Erfindung des Lebens¨ war eine Art Offenbarung für mich!  Aber auch hier finde ich mich immer wieder.. Dass wir - neben unseren hellen und frohen Seiten auch die tiefen, nie verheilenden Wunden unserer Kindheit in uns tragen - das beschreibt er wie kaum ein anderer! Das mag manch ein Rezensent als langweilig bezeichnen,  mich faszinieren seine Bücher sehr!



Das erste Buch, das ich hier las, war: ¨Der Duft des Regens¨ von Frances Greenslade.
Es spielt in Kanadas Wäldern und beschreibt das Schicksal zweier Mädchen, deren zunächst glücklich verlaufendes Leben sich nach dem Unfalltod des Vaters und  dem Verlassenwerden durch die Mutter in ein sorgenvolles Kinderleben verwandelt.
Von der poetischen Sprache des Buches geht eine große Faszination aus und man fühlt sich inmitten dieser aus allen Fugen geratenen Kindheit.. Nicht gefallen hat mir das Ende des Buches, wo es ins Mysthische abgleitet. Die Figur der Mutter erschließt sich ebenfalls nicht und es bleiben zu viele Fragen offen, auf die es sich gelohnt hätte, eine Antwort zu geben.  Dennoch habe ich es gerne gelesen.


Das nächste Buch liegt schon bereit:  ¨Henry der Held¨ von Roddy Doyle - wieder ein irisches Buch. Henrys Geschichte spielt auf dem historischen Hintergrund dieses Landes, beschreibt die Entwicklung dieses kleinen Überlebenskünstlers hin zum Rebellen!  Ich bin sehr gespannt.


Viel gibt es nicht zu erzählen.  Vieles spielt sich auch in mir ab, wenn draußen er Wind uns Haus pfeift, das Haus eine wohltuende Hülle ist und Berlin mit seinem Sommer doch so weit weg.
Eimears Auftauchen, das so wundervoll ist und ein so großes Geschenk, hat in mir jedoch auch eine Unruhe ausgelöst, die ich nicht wieder loswerde. Innere Bilder legen sich wie Schichten übereinander:  die erste Reise hierher, die so lange auf sich hatte warten lassen und die Faszination, die uns nie wieder losgelassen hat!
Florians Briefe mit den lebendigen Schilderungen des Lebens in Camphill und das eigene Erleben dieser besonderen Welt.  Die Begegnungen mit Eimear, hier in Irland und später in Berlin. Die große Liebe zwischen diesen beiden jungen Menschen und die Vorfreude auf eine Zukunft, die so jäh und schmerzlich abbrach.


Irland heute, ohne Florian: ein so friedvoller Flecken Erde, der selbst so viel Leid und Tod in sich trägt. Gestern dachte ich, dass jeder Quadratmeter hier Schmerz, Not und Elend gesehen hat - und nichts geht verloren in dieser Welt.  Vielleicht ist es genau diese Energie, die wir hier spüren, die auf der einen Seite dieses tiefe Glück und Dankbarkeit hervorruft und doch auch immer wieder eine tiefe Melancholie, die mich ab und zu ergreift. Ich fühle mich mit meinem Schicksal dieser Insel zugehöriger als unserer leichten, oberflächlichen und schnelllebigen Welt in Berlin. Und doch spüre ich, dass ich auch dort tiefe Wurzeln habe:  Freunde, Familie, ein Zuhause.
Es scheint Menschen zu geben, die ¨mehr ZuHause¨ benötigen, als andere.  Die es nicht so sehr in die Welt zieht, die keine großen Entdeckungsreisen benötigen, sondern die Orte, an denen die Seele Heimat erfährt.




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