Donnerstag, 29. September 2016

Diary September 2016 (6)



14.09.2016

Wenn eine Tatsache gesichert ist in diesen Wochen, dann die, dass das irische Wetter niemals langweilig wird :)
Unsere Hoffnung, doch noch ein paar - zumindest stabile - Tage zu bekommen, hat sich kräftig zerschlagen.. Wir schwanken ständig zwischen Sonne und Regen.. manchmal stündlich - leider überwiegt jedoch eher das trübe Wetter - nicht unbedingt immer feucht, aber doch viel Grau in diesen Wochen.
Wunderbar ist, wie schnell man vergisst!  Kaum scheint die Sonne und wir unternehmen etwas ist ¨ alles gut und vergessen¨... Also reden wir einfach nicht mehr über das Lieblingthema der Iren - und nehmen wir -mit möglichst viel Gelassenheit hin, was wir ohnehin nicht ändern können!



Morgen kommt Astrid und morgen beginnt die letzte Woche dieser Irlandtage.
Die Zeit vergeht - zum Glück - langsam und wir haben - wieder - sehr viel geschafft.. Nicht gelöst sind unsere Probleme mit den Handwerkern.  Es ist  anstrengend und ein wenig frustrierend, ständig hinter allen her zu sein. Aber wir brauchen sie - und so haben wir keine Wahl:  Martin, unser Glaser, den wir besonders bräuchten, scheint abgetaucht zu sein. Obwohl er versprochen hat, diese Woche zu kommen, schreibt er heute empört ¨ aus dem Urlaub¨, wo er nicht gestört werden will...  Eemon, der Tischler, war bisher der zuverlässigste und hat die Tür im ¨sunroom¨ endlch regendicht gemacht.  Er ist nebenbei ausgesprochen nett und hat uns noch eine Weile sehr gut unterhalten.


Wir wissen jetzt, dass in dem Manor House, auf dessen Dach wir schauen und das wir einmal (aus Neugierde) besucht haben, da es heute ein B+B  (Emlaghmore House) ist, in dem der Landlord saß, dem das gesamte Land hier gehörte und für den die Menschen hart arbeiten mussten. Die ¨alten Zeiten¨ sind noch immer sehr wach, wenn man fragt, denn die Eltern haben ihre Geschichte an die Söhne und Töchter weitererzählt.  Es war die Zeit der großen Hungersnot und neben dem  Manor House- in einem langgestreckten Gebäude, das noch immer steht, (und heute gemietet werden kann), war die Suppenküche zur Speisung der Armen.  Sicherlich gab es kaum jemanden, der dort nicht auf eine warme, spärliche Mahlzeit gehofft hat.  Das waren die Almosen, die von den Reichen verteilt wurden.


Heute leben dort die Nachgeborenen und benehmen sich - wie Eemon erzählte - oft nicht wirklich sehr viel besser als ihre Vorfahren. So hat der derzeitige Inhaber das Hauses den kleinen Fluss, der hier den Maumeen Lake speist,  mit ¨Sperren¨ versehen, um die Fische abzufischen, bevor sie den See erreichen.  Manchmal würde er Gäste aus seinem Haus im Boot auf diesen See, auf dem wir nur ein einziges Mal ein kleines Boot gesehen haben, führen und dort angeln lassen.
Fast trotzig meine Eamon, wir sollten uns auf keinen Fall von diesem Mann einschüchtern und unsere Gäste ruhig angeln lassen, falls sie dies wünschten :)  Da kommt die alte ¨Aufsässigkeit¨ durch, die den Iren durch die lang ertragene Unterdrückung eigen ist!  Herrlich!

Wieder ein Stückchen Geschichte unserer Nachbarschaft und es reiht sich Puzzelteil an Puzzelteil und wir lernen immer mehr kennen von unserer direkten Umgebung.




Das ¨Clifden Arts Festival¨ hat begonnen und Hans-Jürgen gestern eine historische Stadtführung in Clifden mitgemacht, die ausgesprochen aufschlussreich und interessant war.  Da ich im Moment Fußprobleme habe, unternahm ich einen kleinen Stadtbummel und kaufte die Mitbringsel für die Enkelkinder und Freunde..
Ich mag Clifden - mit seiner Überschaubarkeit - sehr.  Inzwischen kennt man mich in einigen Läden und so gibt es immer mal einen Chat, der ja auch meist   aufschlussreich und nicht uninteressant ist.. Beginnen tut er grundsätzlich mit dem Wetter :)
Ich werde mir nun die Stadt neu zeigen lassen, wenn wir nächstes Mal - bei besserem Wetter - hier sind. Es gibt wirklich einiges zu sehen, was sehr versteckt liegt, da der alte Kern praktisch in den heutigen ¨Hinterhöfen¨ liegt.



Clifden ist geschmückt und die Kunst in allen Geschäften - wie immer - ausgestellt. So bleibe ich oft vor den Schaufenstern stehen und bin erstaunt, wie vielfältig die Kunst in Irland ist und wie viel Kreativität hier lebt. Aber das wissen wir eigentlich!  Die Hauptausstellung im ehemaligen ¨Supervalue¨ ist leider noch nicht eröffnet.

Im ¨Steam Café¨ treffen wir uns - fast pünktlich - zur verabredeten Zeit.

Auf der Fahrt nach Clifden haben wir noch einmal das verlassene Cottage besucht und diese ¨ eingefrorene  Zeit¨ im Bild festgehalten. Es lässt uns wirklich keine Ruhe und wir möchten erfahren, was es mit diesem Haus auf sich hat.  Eamen  wusste nichts darüber und nun werden Claudia und Paul einmal hinfahren und versuchen, in der Nachbarschaft etwas in Erfahrung zu bringen.
Selbst für die Menschen hier, denen wir - wie heute Mattie - von diesem Haus erzählen, sind über den Zustand, von dem wir berichten, erstaunt.

Aber zurück zur ¨ Arts Week¨, denn gestern Abend war die offizielle Eröffnung. Wir vor zwei Jahren entschlossen wir, teilzunehmen, da uns vor allem das wunderbare Schülerorchester, das inzwischen viele Preise überall in Irland gewonnen hat, gefallen hat und wieder sind wir begeistert über so viel Talent, Musikalität und vor allem Enthusiasmus!  Es wird gefiddelt, auf 3 Harfen gespielt, Akkordeon und Flöten oder/und Pipes von den Kindern und Jugendlichen so leicht, so selbstverständlich und natürlich ohne Noten gespielt!  Der Tanz darf natürlich nicht fehlen und selbst das ausschließlich irische Publikum (sicher sehr viele Eltern dieser aufspielenden Kinder) gab tosenden Applaus und standing ovations.
Viele Reden gingen dem musikalischen Teil natürlich voraus und die meisten konnten wir ganz gut nachvollziehen und verstehen - einige so gut wie gar nicht :) was aber nur dazu führt, dass man sich die Menschen,  die im Rund eines Zirkuszeltes auf den Treppen der Tribünen saßen, genauer besah! Wir waren die einzigen Touristen und das hat sich - wieder einmal - gut angefühlt! Im Shop am Vormittag hatte die Inhaberin, die mich wiedererkannte und herzlich begrüßte,  zu mir gesagt, wir seien ja keine Touristen, wir gehörten doch längst zu den ¨ locals¨ :)  Das höre ich sehr gerne :)
Wir treffen unseren Steuerberater, Declan, bei dem wir tags zuvor waren und der uns bereits erzählte, dass seine 13jährige Tochter im Orchester spiele.  Sonst kennen wir niemanden - außer den ¨ deutschen Iren¨, die wir im Ort immer in einem der Pubs sitzend, sehen!   Ja, einige sind einfach hiergeblieben und ich kann sie gut verstehen!
Im Pub von ¨Lowries¨ ist life music und wir ergattern einen kleinen Platz am Tresen, von dem aus wir die Musiker, die wir schon einmal dort gehört haben und die uns gut gefielen, sehen können.  Es ist ziemlich voll und  viele Touristen zu Gast, was nicht erstaunt, wenn man weiß, dass ¨Lowries¨ letztes Jahr als ¨bester Pub¨ Irlands ausgezeichnet wurde.. Es wäre besser, man würde so etwas lassen und die Gäste sich auf die vielen anderen Pubs verteilen :)  Die meisten sind nicht gerade überfüllt...


Ich habe gerade ein wundervolles, kleines Buch über Irland gelesen, dass mir eine meiner Irlandfreundinnen geschenkt hat, die als nächster Gast hier wohnen wird:
Danke, liebe Manu!!
Es ist von Eric Streiff und heißt: ¨Inseln am Saume Europas¨ - Tagebuchblätter aus Irland.  Vor einem halben Jahrhundert sind diese Aufzeichnungen entstanden und sie haben doch in vielem eine so große Aktualität. Die Landschaften (hier Achill Island und die Aran Islands), deren Menschen und ihre archaische Lebensart unterscheiden sich natürlich vom - sehr modernen Irland - aber ihre Geschichten, Mythen, ihr Wesen ist nicht wirklich verändert. Es hat mich vieles an unsere Erlebnisse im  Hier und Heute erinnert!
¨Als Volk zögern wir nicht, Gott sei's gedankt, wenn das Herz nach der einen Seite zieht, der Kopf nach einer anderen...¨  (Donne Byrne)  Witz und heller Verstand und früher die Gläubigkeit, von der heute vielleicht noch der Aberglaube ürig ist. Die Kirche hat - durch die schrecklichen Skandale und deren lange Vertuschung - an Einfluß verloren.
Hier noch ein Abschnitt ¨über das Wesen der Iren¨ zu ihren Geist(er)welten:

... "Dem Schicksalsglauben eng verschwistert ist der Glaube an eine Geisterwelt, die neben und jenseits der irischen Wirklichkeit gedacht wird. Vorstellungen aus keltischer Urzeit sind im gälischen Westen des Landes lebendig geblieben.  Neben Geisterschiffen, Pferden, die aus den Wellen auftauchen und im Meer wieder verschwinden, sind es vor allem zwei geisterhafte Erscheinungen, die fest im Volksbewusstsein verankert sind:  Die Insel, aus dem Meer auftaucht und in ihm wieder verschwindet, sowie Tyrnanoge, das Land der Jugend, in das Kinder entführt werden und in dem die Entführten ein glückliches Leben führen..."
 
Streiff erklärte an anderer Stelle, dass sich aus diesem Glauben heraus erklärt, weshalb früher kleine Jungen Kleider - auch zur Schule trugen:  Es wurden nur männliche Kinder in dieses Land der Jugend entführt und so wollte man seine Jungens vor diesen Geistern schützen.  Kein sehr beruhigender Aberglaube, muss ich sagen...  Ein anderer gefällt mir besser:
 Was die aus dem Meer auftauchende Insel angeht, so ist im keltischen Volksglauben die Insel der Toten.:  ¨Der Glaube an diese Insel¨, schreibt Mathew, ¨war für die Lebenden tröstlich. Denn sie wussten, dass ihre Toten nah von ihnen weiten und glücklich waren.¨ 

Das Volksgedächtnis der keltischen Iren sei dauerhaft. Mathew vergleicht es mit einer Glut, die im Kamin unter der Asche glimmt und die nicht erlischt. ¨Wenn du mit einem Iren zu tun hast¨ - schreibt er -ist es gut, du denkst daran, dass er niemals vergisst und dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass er jemals vergibt.  Um eine irische Redensart zu verwenden:  Wir erinnern uns sogar an Dinge, die nie geschehen sind¨.

Und zum Schluss (was natürlich heute nicht mehr wörtlich zu nehmen ist), aber dennoch auch etwas Wahrhaftiges hat:  ¨Unser Land ist arm, was das Geld angeht¨ - schreibt Donne Byrne. ¨ Aber wir haben den Purpur des Heidekrauts und Hügel die golden leuchten vom Ginster. Wir haben Flüsse, breit und freundlich. Das Meer ist gut zu uns und unsere Felder sind grün wie das Banner des Propheten. Wenn du als ein Freund nach Irland kommst, musst du dich begnügen mit unserem Heidekraut und unserem Ginster und einem Wind, der dich umwerfen kann, der aber Leben in dich hineinpeitscht¨.

Wenn ich an die Tausenden von Touristen denke, die zwischenzeitlich die Insel befahren (gerade den Westen mit seinem ¨wild Atlantic Way¨)  und sich kaum mit ihrer Geschichte beschäftigen, geschweige denn, ZEIT mitbringen, (diese Küstenstraße ist 2.300 km lang!)  sich in die Schönheit zu vertiefen, dann haben diese Worte etwas Melancholisches.  Dieser schnelle Tourismus und Irland -  eigentlich passen sie nicht wirklich zu einander! 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen