14.09.2016
Wenn eine Tatsache gesichert ist in
diesen Wochen, dann die, dass das irische Wetter niemals langweilig wird :)
Unsere Hoffnung, doch noch ein paar -
zumindest stabile - Tage zu bekommen, hat sich kräftig
zerschlagen.. Wir schwanken ständig zwischen Sonne und Regen..
manchmal stündlich
- leider überwiegt
jedoch eher das trübe Wetter - nicht unbedingt immer
feucht, aber doch viel Grau in diesen Wochen.
Wunderbar ist, wie schnell man vergisst! Kaum scheint die Sonne und wir unternehmen
etwas ist ¨
alles gut und vergessen¨... Also reden wir einfach nicht mehr über das
Lieblingthema der Iren - und nehmen wir -mit möglichst viel
Gelassenheit hin, was wir ohnehin nicht ändern können!
Morgen kommt Astrid und morgen beginnt
die letzte Woche dieser Irlandtage.
Die Zeit vergeht - zum Glück - langsam
und wir haben - wieder - sehr viel geschafft.. Nicht gelöst sind unsere
Probleme mit den Handwerkern. Es ist anstrengend und ein wenig frustrierend, ständig hinter
allen her zu sein. Aber wir brauchen sie - und so haben wir keine Wahl: Martin, unser Glaser, den wir besonders bräuchten,
scheint abgetaucht zu sein. Obwohl er versprochen hat, diese Woche zu kommen,
schreibt er heute empört ¨ aus dem
Urlaub¨,
wo er nicht gestört werden will... Eemon, der Tischler, war bisher der zuverlässigste und
hat die Tür
im ¨sunroom¨ endlch
regendicht gemacht. Er ist nebenbei
ausgesprochen nett und hat uns noch eine Weile sehr gut unterhalten.
Wir wissen jetzt, dass in dem Manor
House, auf dessen Dach wir schauen und das wir einmal (aus Neugierde) besucht
haben, da es heute ein B+B (Emlaghmore
House) ist, in dem der Landlord saß, dem das gesamte Land hier gehörte und für den die
Menschen hart arbeiten mussten. Die ¨alten Zeiten¨ sind noch
immer sehr wach, wenn man fragt, denn die Eltern haben ihre Geschichte an die Söhne und Töchter weitererzählt. Es war die Zeit der großen Hungersnot
und neben dem Manor House- in einem
langgestreckten Gebäude, das noch immer steht, (und heute
gemietet werden kann), war die Suppenküche zur Speisung der Armen. Sicherlich gab es kaum jemanden, der dort nicht
auf eine warme, spärliche Mahlzeit gehofft hat. Das waren die Almosen, die von den Reichen
verteilt wurden.
Heute leben dort die Nachgeborenen und
benehmen sich - wie Eemon erzählte - oft nicht wirklich sehr viel
besser als ihre Vorfahren. So hat der derzeitige Inhaber das Hauses den kleinen
Fluss, der hier den Maumeen Lake speist,
mit ¨Sperren¨ versehen, um
die Fische abzufischen, bevor sie den See erreichen. Manchmal würde er Gäste aus seinem
Haus im Boot auf diesen See, auf dem wir nur ein einziges Mal ein kleines Boot
gesehen haben, führen und dort angeln lassen.
Fast trotzig meine Eamon, wir sollten
uns auf keinen Fall von diesem Mann einschüchtern und
unsere Gäste
ruhig angeln lassen, falls sie dies wünschten :) Da kommt die alte ¨Aufsässigkeit¨ durch, die
den Iren durch die lang ertragene Unterdrückung eigen
ist! Herrlich!
Wieder ein Stückchen
Geschichte unserer Nachbarschaft und es reiht sich Puzzelteil an Puzzelteil und
wir lernen immer mehr kennen von unserer direkten Umgebung.
Das ¨Clifden Arts
Festival¨
hat begonnen und Hans-Jürgen gestern eine historische Stadtführung in
Clifden mitgemacht, die ausgesprochen aufschlussreich und interessant war. Da ich im Moment Fußprobleme habe,
unternahm ich einen kleinen Stadtbummel und kaufte die Mitbringsel für die
Enkelkinder und Freunde..
Ich mag Clifden - mit seiner Überschaubarkeit
- sehr. Inzwischen kennt man mich in
einigen Läden
und so gibt es immer mal einen Chat, der ja auch meist aufschlussreich und nicht uninteressant
ist.. Beginnen tut er grundsätzlich mit dem Wetter :)
Ich werde mir nun die Stadt neu zeigen
lassen, wenn wir nächstes Mal - bei besserem Wetter -
hier sind. Es gibt wirklich einiges zu sehen, was sehr versteckt liegt, da der
alte Kern praktisch in den heutigen ¨Hinterhöfen¨ liegt.
Clifden ist geschmückt und die
Kunst in allen Geschäften - wie immer - ausgestellt. So
bleibe ich oft vor den Schaufenstern stehen und bin erstaunt, wie vielfältig die Kunst
in Irland ist und wie viel Kreativität hier lebt. Aber das wissen wir
eigentlich! Die Hauptausstellung im
ehemaligen ¨Supervalue¨ ist leider
noch nicht eröffnet.
Im ¨Steam Café¨ treffen wir
uns - fast pünktlich
- zur verabredeten Zeit.
Auf der Fahrt nach Clifden haben wir
noch einmal das verlassene Cottage besucht und diese ¨
eingefrorene Zeit¨ im Bild
festgehalten. Es lässt uns wirklich keine Ruhe und wir möchten
erfahren, was es mit diesem Haus auf sich hat.
Eamen wusste nichts darüber und nun
werden Claudia und Paul einmal hinfahren und versuchen, in der Nachbarschaft
etwas in Erfahrung zu bringen.
Selbst für die Menschen
hier, denen wir - wie heute Mattie - von diesem Haus erzählen, sind über den
Zustand, von dem wir berichten, erstaunt.
Aber zurück zur ¨ Arts Week¨, denn gestern
Abend war die offizielle Eröffnung. Wir vor zwei Jahren
entschlossen wir, teilzunehmen, da uns vor allem das wunderbare Schülerorchester,
das inzwischen viele Preise überall in Irland gewonnen hat,
gefallen hat und wieder sind wir begeistert über so viel
Talent, Musikalität und vor allem Enthusiasmus! Es wird gefiddelt, auf 3 Harfen gespielt,
Akkordeon und Flöten oder/und Pipes von den Kindern und
Jugendlichen so leicht, so selbstverständlich und natürlich ohne
Noten gespielt! Der Tanz darf natürlich nicht fehlen
und selbst das ausschließlich irische Publikum (sicher sehr
viele Eltern dieser aufspielenden Kinder) gab tosenden Applaus und standing
ovations.
Viele Reden gingen dem musikalischen
Teil natürlich
voraus und die meisten konnten wir ganz gut nachvollziehen und verstehen -
einige so gut wie gar nicht :) was aber nur dazu führt, dass man
sich die Menschen, die im Rund eines
Zirkuszeltes auf den Treppen der Tribünen saßen, genauer
besah! Wir waren die einzigen Touristen und das hat sich - wieder einmal - gut
angefühlt!
Im Shop am Vormittag hatte die Inhaberin, die mich wiedererkannte und herzlich begrüßte, zu mir gesagt, wir
seien ja keine Touristen, wir gehörten doch längst zu den ¨ locals¨ :) Das höre ich sehr gerne :)
Wir treffen unseren Steuerberater,
Declan, bei dem wir tags zuvor waren und der uns bereits erzählte, dass
seine 13jährige
Tochter im Orchester spiele. Sonst
kennen wir niemanden - außer den ¨ deutschen
Iren¨,
die wir im Ort immer in einem der Pubs sitzend, sehen!
Ja, einige sind einfach hiergeblieben und ich kann sie gut verstehen!
Im Pub von ¨Lowries¨ ist life
music und wir ergattern einen kleinen Platz am Tresen, von dem aus wir die
Musiker, die wir schon einmal dort gehört haben und die uns gut gefielen,
sehen können. Es ist ziemlich voll und viele Touristen zu Gast, was nicht erstaunt,
wenn man weiß,
dass ¨Lowries¨ letztes Jahr
als ¨bester
Pub¨
Irlands ausgezeichnet wurde.. Es wäre besser, man würde so etwas
lassen und die Gäste sich auf die vielen anderen Pubs
verteilen :) Die meisten sind nicht
gerade überfüllt...
Ich habe gerade ein wundervolles,
kleines Buch über
Irland gelesen, dass mir eine meiner Irlandfreundinnen geschenkt hat, die als nächster Gast
hier wohnen wird:
Danke, liebe Manu!!
Es ist von Eric Streiff und heißt: ¨Inseln am
Saume Europas¨
- Tagebuchblätter
aus Irland. Vor einem halben Jahrhundert
sind diese Aufzeichnungen entstanden und sie haben doch in vielem eine so große Aktualität. Die
Landschaften (hier Achill Island und die Aran Islands), deren Menschen und ihre
archaische Lebensart unterscheiden sich natürlich vom -
sehr modernen Irland - aber ihre Geschichten, Mythen, ihr Wesen ist nicht
wirklich verändert.
Es hat mich vieles an unsere Erlebnisse im
Hier und Heute erinnert!
¨Als
Volk zögern
wir nicht, Gott sei's gedankt, wenn das Herz nach der einen Seite zieht, der
Kopf nach einer anderen...¨
(Donne Byrne) Witz und heller
Verstand und früher
die Gläubigkeit,
von der heute vielleicht noch der Aberglaube ürig ist. Die
Kirche hat - durch die schrecklichen Skandale und deren lange Vertuschung - an
Einfluß
verloren.
Hier noch ein Abschnitt ¨über das Wesen
der Iren¨
zu ihren Geist(er)welten:
... "Dem Schicksalsglauben eng
verschwistert ist der Glaube an eine Geisterwelt, die neben und jenseits der
irischen Wirklichkeit gedacht wird. Vorstellungen aus keltischer Urzeit sind im
gälischen
Westen des Landes lebendig geblieben.
Neben Geisterschiffen, Pferden, die aus den Wellen auftauchen und im
Meer wieder verschwinden, sind es vor allem zwei geisterhafte Erscheinungen,
die fest im Volksbewusstsein verankert sind:
Die Insel, aus dem Meer auftaucht und in ihm wieder verschwindet, sowie
Tyrnanoge, das Land der Jugend, in das Kinder entführt werden und
in dem die Entführten
ein glückliches
Leben führen..."
Streiff erklärte an anderer
Stelle, dass sich aus diesem Glauben heraus erklärt, weshalb früher kleine
Jungen Kleider - auch zur Schule trugen:
Es wurden nur männliche Kinder in dieses Land der
Jugend entführt
und so wollte man seine Jungens vor diesen Geistern schützen. Kein sehr beruhigender Aberglaube, muss ich
sagen... Ein anderer gefällt mir
besser:
Was die aus dem Meer auftauchende Insel
angeht, so ist im keltischen Volksglauben die Insel der Toten.: ¨Der Glaube an diese Insel¨, schreibt
Mathew, ¨war
für
die Lebenden tröstlich.
Denn sie wussten, dass ihre Toten nah von ihnen weiten und glücklich waren.¨
Das Volksgedächtnis der
keltischen Iren sei dauerhaft. Mathew vergleicht es mit einer Glut, die im
Kamin unter der Asche glimmt und die nicht erlischt. ¨Wenn du mit einem Iren zu tun hast¨ - schreibt er
-ist es gut, du denkst daran, dass er
niemals vergisst und dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass er jemals
vergibt. Um eine irische Redensart zu
verwenden: Wir erinnern uns sogar an Dinge,
die nie geschehen sind¨.
Und zum Schluss (was natürlich heute
nicht mehr wörtlich
zu nehmen ist), aber dennoch auch etwas Wahrhaftiges hat: ¨Unser Land ist arm, was das Geld
angeht¨
- schreibt Donne Byrne. ¨ Aber wir haben den Purpur des
Heidekrauts und Hügel die golden leuchten vom Ginster.
Wir haben Flüsse,
breit und freundlich. Das Meer ist gut zu uns und unsere Felder sind grün wie das
Banner des Propheten. Wenn du als ein Freund nach Irland kommst, musst du dich
begnügen
mit unserem Heidekraut und unserem Ginster und einem Wind, der dich umwerfen
kann, der aber Leben in dich hineinpeitscht¨.
Wenn ich an die Tausenden von
Touristen denke, die zwischenzeitlich die Insel befahren (gerade den Westen mit
seinem ¨wild
Atlantic Way¨) und sich kaum mit ihrer Geschichte beschäftigen,
geschweige denn, ZEIT mitbringen, (diese Küstenstraße ist 2.300 km
lang!) sich in die Schönheit zu
vertiefen, dann haben diese Worte etwas Melancholisches. Dieser schnelle Tourismus und Irland - eigentlich passen sie nicht wirklich zu
einander!
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