Montag, 23. September 2013

You have to look at it from the bright side




..."You have to look at it from the bright side!"

Sonntag, 8.9.2013

Heute in einer Woche sind wir bereits auf dem Flug nach Berlin – also wird es Zeit, einige Eindrücke festzuhalten, bevor sich der Berliner Alltag wie eine Staubschicht über sie breitet.

Das Entscheidende zuerst:  es hat keinen Einzug ins School House gegeben und mit dieser Enttäuschung umzugehen, war die wohl größte Herausforderung dieser Tage! Nun haben wir uns gefügt und seither ist mehr Ruhe und Ausgeglichenheit bei uns beiden zu spüren.



„You have to look at it from the bright side“.. interpretieren wir für uns so, dass wir uns wieder der Natur zuwenden, fast täglich auf Entdeckung der nahen Umgebung gehen und mehr als überwältigt von dem sind, was wir dort vorfinden:  wir sind mitten im Paradies gelandet!  Strände, Buchten, Küsten, wie man sie sich aufregender und schöner nicht vorstellen kann. Hügeliges, felsiges Hinterland vom  niedrig wachsenden Ginster, der die Steinbrocken hinauf klettert,   in leuchtendes Gelb getaucht und das Violett und Rosé der Heide als Kontrast im Grün . Farne, hohe Gräser, die verblühten Lilien, die uns im Juni so erfreuten, hoher Schilf an den Teichrändern…  Und auf den Wiesen grasen Kühe und Schafe.  Eine friedlichere Landschaft gibt es wohl kaum.


Das einzige Geräusch  - der Wind und hin und wieder der Schrei einer Möwe oder das laute Blöken einer Kuh und das Meckern der Schafe..

Wo immer wir gehen, stoßen wir auf Küste,  auf weiße, stille Buchten und weite, endlose Blicke auf den Atlantik lassen uns still werden und  all die Gedanken, Sorgen und Überlegungen zum Haus in den Hintergrund treten:  Wegen dieser Landschaft sind wir hierund wegen dieses Friedens, der von ihr ausgeht! 


Wir brauchen diese inspirierenden, tröstlichen und spirituellen Wege sehr, denn die ersten beiden Wochen waren geprägt von sehr viel Hektik, Aktionismus und wir angetrieben vom Wunsch, noch in diesen Wochen das  Haus zu beziehen – ein von Beginn an sinnloses Unterfangen, wenn man sich den Zustand, in dem wir das Haus vorfanden, genau betrachtete!


Nach dem Motto: „Der erste Eindruck ist der wichtigste“.. hatte Fechine die Zimmer streichen lassen und diesem ersten Eindruck erlagen wir auch zunächst und er täuschte über all das hinweg, was nicht geschehen war – also praktisch alles andere!



Kein Boden in allen Räumen, kein Strom, kein Wasser, kein Badausbau. Nur das Dach, die Verlegung der Stromleitungen im Haus, der Teilabriss des Schuppens und natürlich das Aufschütten der Hohlräume unter dem School House, waren erledigt.. wenig für die Zeit von Mai bis Ende August!

Mit unserem Erscheinen schien aber auch endlich Betriebsamkeit  auf der Baustelle zu entstehen:  Der Boden kam und unter dem Holz verschwand der Zement und ein Anflug von Wohnlichkeit breitete sich von Raum zu Raum aus.

Die Maler begrüßten uns gutgelaunt, wann immer sie auftauchten  und auch die anderen Handwerker waren ausgesprochen freundlich und bezogen uns in ihre Überlegungen und Vorschläge ein! 
Was uns sofort auffiel:  auf der Baustelle war es – neben den nicht vermeidbaren Geräuschen der Arbeiten – sehr ruhig:  kein Radio!  Das waren wir wirklich nicht gewohnt.  Eine Nachbarbaustelle hier in Berlin begann jeden Morgen um 7 Uhr mit dem Anschluss eines riesigen Radios an den Baustrom und ab da wurden wir den ganzen Tag über beschallt!  Was für eine Wohltat die Baustelle in Connemara verglichen damit!  Manchmal erschien Fechine singend -  wenn er erschien, was nicht allzu häufig war.
 Der Liefertermin der IKEA-Küche (und eines Großteils der Möbel ) schien den notwendigen Druck auszulösen: „When is the kitchen coming?“  - die tägliche bange Frage von Fechine und täglich neue Zusagen über die Fertigstellung eines Bauabschnitts!
„The electrician is coming on Monday“, aber auch der Dachdecker, der noch ein Loch über der Küche zu schließen hatte, durch das es zwischenzeitlich hindurchgeregnet hatte, sollte Montag kommen und so der Installateur. 
Als wir dann Montag um 11 Uhr zum School House kamen, stand dort nicht ein einziges Auto! Als wir um 14 Uhr zum Lunch nach Clifden fuhren, war noch immer niemand – auch Fechine nicht – aufgetaucht!
Soviel zu den „Mondays“ – denn das wiederholte sich!



Wir mussten einfach begreifen, dass alle Planung, alle Absprachen und „time tables“, alle „to do –Listen“  hier auf keinerlei Resonanz und Druck stießen – sondern alles – irgendwie – seinen chaotischen Gang geht!
Niemand macht seine Arbeit fertig!  Alles wird angefangen und dann verschwinden die Gewerke zum Teil für Tage oder eine ganze Woche…
Und die Arbeit liegt und behindert die anderen Arbeiten!
Und dann kommen alle am gleichen Tag und stehen sich gegenseitig
in Weg!
Wir hatten noch viel zu lernen – in Ireland!


Bei mir machte sich nach etwa 10 Tagen eine große Resignation und Enttäuschung breit. Fast war es, als müsse ich mich vom Traum verabschieden,  als gäbe es nicht noch genügend Zeit für uns, dieses Haus in fertigem Zustand und nur als „Baustelle“ zu betreten!
Eine tiefe Müdigkeit, Schwere und Trauer lag auf meiner Seele und es brauchte einen oder zwei Tage, einen heftigen Streit mit Hans-Jürgen und einen erlösenden Spaziergang am nahen Strand, um mich aus der Melancholie in die Schönheit Connemaras zurück zu holen!


Noch ein Blick weiter zurück:
Die Ankunft in Dublin war sonnig und ein warmer Wind empfing uns!
Wir kamen zu dritt:  unsere Freundin Carola hatte sich entschlossen, meinen Geburtstag mit uns zu begehen (wie schon vor einigen Jahren) und sich das Projekt „live“ anzusehen!

Unser erster Gang war der „zu Florian“ – wie immer in Dublin. Der Weg vom Flughafen nach Rathmines ist uns inzwischen vertraut und es ist ein stiller Weg! Wir hängen unseren Gedanken nach – der Trauer, die uns schon am Flughafen einfängt, weil die Bilder des dort wartendenden Florian so lebendig werden und so intensiv sind , dass man es kaum erträgt.. 

Und dann sitzen wir wieder auf dieser Treppe, nachdem ein junger Mann geöffnet hatte und als wir ihm erklärten, weshalb wir da sind, sah er uns bestürzt an und zeigte auf sein Apartment: You find me there if you need anything! I feel so sorry for you!  Das war sehr berührend.
Nichts verändert sich hier und auch Florians Name steht noch immer an der Fußleiste! Niemand kam – keiner ging – und so hatten wir einen ruhigen, schweigsamen Moment an diesem „heiligen Ort“…



„Better pass boldly into that other world, in the full gloryof some passion, than fade and wither dismally with age.“ ….
James Joyce

Ist es das, wie ich Florians Verlust sehen sollte? Es fällt mir – auch nach so langer Zeit schwer, denn ich denke, Menschen wie er haben diese Welt zu einer besseren Welt werden lassen  und ihre Abwesenheit macht diese Welt ärmer und sie hinterlassen große Lücken!

Wir fahren bis Athlone und übernachten dort in einem B+B, das uns schon oft gesehen hat!  Erst am kommenden Tag können wir in das cottage, das wir gemietet haben – ganz in der Nähe vom School House.



Wir bezogen das Cottage, in dem wir auch mit meinem Bruder Michael im Juni wohnten und so war alles noch sehr vertraut und fast war man geneigt, zu erwarten, dass die Butter noch im Kühlschrank stehe und die Wasserkanister - gekühlt von der Nacht  - vor der Küchentür!
Ein einladendes, schönes Cottage, in dem wir eine Woche wohnen – und dann in unser Haus umziehen sollten. So war die Absprache mit Fechine, aber er hatte uns auch versprochen, dass wir in sein Cottage am Maumeen Lake umziehen könnten, sollte es doch nicht möglich sein, im School House zu wohnen!
In einer vertrauten Umgebung fällt es leicht, schnell zu einer „Urlaubs-routine“ zu kommen, zumindest in Bezug auf die Dinge, die  erst einmal zu erledigen sind:  Die Einnahme der Zimmer, das Auspacken,  der erste große Einkauf…. Und dann ist doch auch alles immer wieder ganz anders – weil das, was man unternimmt, was man sieht, wenn man aus den Fenstern schaut, davon abhängig ist, was das irische Wetter zulässt – oder nicht! 
Wie auch im Juni haben wir Glück und freuen uns eine ganze Woche lang an sonnig-schönen Tagen!  Die Vegetation hat sich verändert: jetzt dominieren die  Montbretien, die mit ihrem leuchtenden Orange die Natur zum „Glühen“ bringen. Sie säumen die Straßenränder und  stehen in großen Büschen in den Vorgärten der Häuser- auch bei uns – in Mike’s Cottage!



Nicht minder leuchtend ist das Rot der Fuchsien, die nun an engen Straßen rote Ränder bilden, die in Schach gehalten werden müssen, dass sie die Straßen nicht noch enger machen, als sie es ohnehin sind!

Das Wollgras, das im Juni wie Schneeflocken über dem Heidekraut lag, ist verschwunden und auch die gelbe Pracht der Lilien!


Palmen, Rhododendren – wir sind wieder begeistert von der Vielzahl der in der Natur – ohne das Eingreifen von Menschenhand -  blühenden und grünenden Pflanzen! 

Wenn wir auch täglich das School Haus aufsuchten und die Arbeiten dort begleiteten, so hatten wir diese Tage doch auch Zeit für Müßiggang und vor allem die Strände, die zu Fuß sowohl von Mike’s cottage, als auch vom School House zu erreichen sind, lösten wahre Begeisterungsstürme aus.  Carola war sogar so mutig, im Atantik  zu schwimmen – wir verschoben das erst einmal!

Ich möchte ihn nicht verschweigen, meinen Geburtstag, obwohl ich es gerne tue!  Es ist ein schwerer Tag und auch in diesem Jahr war ich froh, als ich ihn hinter mich gebracht hatte!  Ich kann diese Tage nicht trennen von der Sehnsucht nach Florian.  Es kommt mir immer wie ein Hohn vor, selbst älter zu werden und alt zu werden  - und diesen Jungen mit 23 Jahren verloren zu haben…Hans-Jürgen und Carola, die ja „Wissende“ sind, haben alles getan, es mir schön und leicht zu machen und Florian mit in diesen Tag zu nehmen… das hilft ein wenig – aber gut ging es mir erst, als er vorüber war..


Die Tage verflogen mit kleinen Wanderungen, Scones im Café in Clifden oder Roundstone, Lesen, abendlichem Kochen in der geräumigen, schönen Küche und Gesprächen am Torffeuer.  Carola zog es noch nicht einmal in den Pub zur live-music , das machten wir in der darauf folgenden Woche – und erlebten unseren builder Fechine in einer ganz anderen Rolle – als Sänger, Gitarristen und glänzenden Unterhalter des Pubs!



Einen Ausflug nach Galway unternahmen wir, da wir noch einige Haushaltsgeräte  kaufen mussten. Galway begeistert immer wieder mit seiner Lebendigkeit. Die Stadt wird dominiert von Studenten. Die zweisprachige Universität beherbergt über 10.000 Studierende. Aber auch ansonsten ist die Stadt sehr jung. Der Großteil der Bevölkerung ist unter 50 Jahre alt. Am Abend herrscht in der Stadt noch mehr Leben als sonst, die Musikszene in den Pubs ist eine der bekanntesten und beliebtesten in ganz Irland. Aber auch tagsüber zeigt sich Galway von seiner fröhlichen und bunten Seite. In den Straßen wird musiziert und man ist offenbar sehr kälteresistent. Auch  jetzt, im Herbst und  später Winter frönt man dem fast mediterranen Lebensgefühl und nimmt an den vor den Straßencafés aufgebauten Stühlen und Tischen Platz.



Mit Carolas Abreise veränderte sich das Wetter.  Es wurde kühler, herbstlicher und uns stand nun der Umzug aus Mike’s Cottage in das Cottage von Fechine, das auf seinem Grundstück über dem Maumeen Lake eine herausragend schöne Lage hat, leider aber von Einrichtung und Ausstattung nicht an das Cottage herankam, das wir nur ungern verließen.  Die nächsten Gäste waren aber bereits im Anmarsch und uns blieb nichts übrig, da unser Haus ja nach wie vor alles andere als „fertig“ war!  Dass wir das Haus  gratis als – sozusagen „Ausgleich für entgangene Freude am eigenen“ zur Verfügung gestellt bekamen ,tat zumindest unserer Urlaubskasse gut!

Freude kam auf, als wir feststellten, dass wir aus dem Fenster vom Esstisch aus, auf das School House sehen konnten. So entdeckte Hans-Jürgen am Morgen z.B., dass der Dachdecker nun endlich gekommen war!  Und noch mehr freuen wir uns über einen Regenbogen"



Nun wurden die Tage „enger“ und wir verbrachten sie zum großen Teil im School House bzw. widmeten uns dem Garten, der unter den Baumaßnahmen sehr gelitten hatte.  Die „Steinkreise“, die wir noch im Juni bestaunten, waren teilweise beiseite geschafft worden, weil dort schweres Gerät fahren musste, es war gegraben worden, um das Wasser
vom Haus wegzuleiten. Drainagen in alle Richtungen und der Abriss des Schuppens hat nicht nur unsere Margariten büsche, die im Juni gerade zu blühen begonnen hatten, sondern vor allem auch den Kräutergarten am Haus und den herrlich blühenden Salbei unter Schutt begraben.  Es tat einem manch Blick in der Seele weh und so begannen wir mit Aufräumarbeiten und Pflanzungen.


Die Hecken waren – mit sehr wenig „Sinn und Verstand“ heruntergeschnitten und zum Großteil die Zweige und Äste liegen gelassen!  Die vertrocknete Hecke vor dem Haus, die dem Blick zur Küste im Weg stand, war nun herausgerissen und es tat sich für uns ein völlig neues Erleben der Aussichten, die aus den Fenstern zum Meer bisher verstellt waren, auf!  Wir standen – immer und jeden Tag – sprachlos und voller tiefer Freude und fast andächtig im Haus und sahen auf diese Landschaft, die „Seelenlandschaft“ ist – so pur und so rein und so absolut!   Nichts ist vergleich bar, was wir kennen.  Nichts kann für unsere Augen schöner und wahrhaftiger sein als diese Ursprünglichkeit, Wildheit und Melancholie!  Unglaublich!  Und es ist fast, als sei die Küste näher an uns herangerückt! 
„Wir sind mitten im Paradies gelandet“ – das ist unser immer wieder gebrauchter Satz!  Es ist alles noch so viel schöner, als wir es bisher sehen und erleben konnten!  



Wir kaufen Heckenrosen, um die Mauer, die nun grau das Grundstück zur Straße und dann zur Küste einfasst, irgendwann dahinter verschwinden zu lassen. 

Wir freuen uns über den  großen Hortensienbusch, der, seit wir ihn im Juni mit Hilfe von Michael freigelegt haben, in die Breite gewachsen ist und beschließen, in diesem Teil des Gartens weitere Hortensien zu pflanzen und um „Florians Stein“ entsteht ein kleiner Garten!

Aber zurück zu meinem Tagebuch:

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