Sonntag, 5. Oktober 2014

Zurück im Reich der Melancholie - Teil 8

Hortensien bei Ballynahinch Castle


....Aber zurück. Wir sind bei Sonntag und Astrid fuhr am frühen Nachmittag ab, nicht, ohne noch einmal - mit Bruder - hier am beach geschwommen zu sein. Wir haben ihr freigestellt, das Haus, wann immer es leer ist, mit ihrer Familie besuchen zu können.
Mein Bruder hat sich auch gemeldet und während hier schon so etwas wie Wehmut aufkommt, herrscht in Süddeutschland Vorfreude! Mit ihm bleiben wir ja auch noch mit dem Haus verbunden und die nächsten Gäste sind liebe Freunde aus Holland, so dass auch da die Verbindung weiterbesteht!  Dann ist erst einmal PAUSE im School House - und mal sehen, wann es im kommenden Jahr wieder neu beginnt. Der Sommer jedenfalls ist schon fast ausgebucht! Wer hätte das jemals gedacht.. Wir hatten es ein wenig gehofft... Aber die Realität hat die Hoffnung weit übertroffen!


 irischer Humor :)


 Montag zog es uns wieder auf einen Ausflug. Diesmal Richtung Carna und dann auf gewundenen, engen Sträßchen entlang der Küste, die wir noch nicht kennen. Eine riesige Entdeckung: 


 Ein ("namenloser" - sicher gälisch benannter) Ort, der fast ausschließlich aus Ruinen kleinere Cottages besteht, mit Pier und einen derart malerischen Eindruck macht, dass wir ausstiegen und - halsbrecherisch - durch die Ruinen kletterten und über Felsen an der Küste und uns vor Begeisterung überschlugen! Vor unseren inneren Blicken entstand ein Dorf, wie die von denen wir in zahlreichen Büchern über die vergangenen Jahrzehnte in Irland lesen.. Kühe grasen zwischen aufgetürmtem Stroh und die Brombeeren schmecken wieder süß wie Honig!



Wir fahren diese Straße bis an ihr Ende, wo wir auf eine ¨Gälische Universität¨ stoßen, die aus einem Cottage besteht!  Drum herum allerdings gruppieren sich einige sehr hübsche Cottages, die sicherlich als Unterkünfte für die ¨SchülerInnen¨ dienen.. Herrlich! 


Zurück suchen wir uns eine kleine Bucht und machen ein Picknick, das schließlich von einer Kuh, die sich die gleiche Bucht für Ihr Grasen ausgesucht hat, unterbrochen wird. Der mitgebrachte Drachen will ohnehin nicht steigen - und so machen wir uns langsam auf den Heimweg. Ich pflücke am Wegrand noch einen bunten Wiesenstrauß und spüre tief in mir, wie sehr ich all dies hier in einigen Tagen vermissen werde - und wie schnell sich der Alltag über diese so lebendigen Bilder legen wird..  


In Carna besuchen wir das Pub "Tigh Mheaic", das uns letztes Mal so gut gefallen hat und - auch diese Dinge können sich ändern:  Obwohl der Torfofen brennt, ist es kühl. Die hübsche junge Frau ist nicht da und wird von einer wasserstoffgefärbten Blondine mit starkem amerikanischem Akzent ersetzt. Niemand spricht Gälisch, denn sie spricht englisch mit den wenigen Gästen am Tresen. Es gibt keine Scones und selbst der Capucchino schmeckt nicht mehr so gut.. Eine Enttäuschung und sie zeigt, wie sehr Orte doch von den Menschen geprägt werden!! 


Wir können nicht genug bekommen von dieser  verzaubernden Boglandschaft! Flach, See schließt sich an See an, tiefe Narben im Moor, schwarze Tümpel hinterlassend.  Hier sehr aktiv Torf gestochen, wie wir an den vielen Säcken, die zur Abholung oder an hohen aufgeschichtenen gestochenen Bogstücken, die trockenen liegen, sehen können. Bäche, die auf Angelsport hinweisen und Felsblöcke, hoch wie Häuser. Unbeschreibliche Einsamkeit und unbeschreibliches Licht. Blühende Heide soweit der Blick reicht und Ginster. Zwischen Grantblöcken zerfallene Steinhäuser... Manchmal fragt man sich, was hier ¨Natur¨ und was von Menschenhand geschaffen ist. Und überall Schafe, und hin und wieder Connemara Ponys. 


Dienstag:  Sonne schon am Morgen (meist braucht sie eine Weile und manchmal kommt sie richtig erst am Nachmittag) und das heißt u.a. Waschtag und Gartenarbeit. Hans-Jürgen nimmt sich der Hecken an, die wir doch im Vorgarten noch einmal weiter stutzen und ein wenig mehr eingrenzen wollen.. Ich kniee im kleinen Steingarten mit den Standing Stones und zupfe das Unkraut, das noch stehengeblieben ist.. Eigentlich eine ganz meditative Arbeit, solange der Rücken sich nicht meldet... Mittagspause.
Der bevorstehende Abschied legt sich auch ein wenig zwischen uns beide.. Jeder hängt seinen Gedanken nach - jeder ¨trauert¨ anders und doch spüre ich, wie schwer es uns fällt, zu gehen! Wir hinterlassen immer mehr, finde ich.. Nicht das Materielle, das wir ja gut teilen können - die Wurzeln werden mit jedem Mal tiefer!
 

Fechine hat sich gemeldet  und es sieht so aus, als würden wir unsere letzten zu regelnden finanziellen Dinge hinbekommen. Wir wollen nicht mehr zurückschauen und wenn, uns an dem freuen, was uns ja auch positiv mit ihm verbunden hat. Er ist wie er ist - und gerne möchten wir ihm im Pub wieder beim Singen lauschen, denn das kann er wirklich gut!  Mal sehen. Auch sonst gibt es eine Menge zu regeln und zu instruieren: Matt, Bridgit, unsere Nachfolger... Aufgabenverteilung und bald wird das Haus leerstehen und auf die nächsten Gäste warten.  Wir werden Weihnachten nicht kommen. Das letzte Jahr steckt uns noch zu sehr in den Knochen!



Clifden schmückt sich mehr und mehr für die ¨ Artsweek ¨ und wir bekommen nun endlich einmal einen      Eindruck davon, wie sehr dieses jährliche event die Stadt belebt und das Programm ist wirklich toll! Wir werden uns noch Ausstellungen (die heute eröffnen) und die große Eröffnungsfeier am Freitag ansehen können. Jedenfalls waren die Straßencafés in der Market Street voll und die Menschen saßen in Sommerkleidung, die Gesichter der Sonne zugewandt.



Ich las ein leises, bewegendes Buch von Siobhan Dowd, einer irischen Schriftstellerin, die leider viel zu früh verstarb. Es ist ihr erstes Buch mit dem Titel. ¨ Ein reiner Schrei¨.. Es ist ein Jugendbuch, wie ihre anderen und mich hat tief ergriffen, wie klaglos dieses Kind, dessen Leben kaum Lichtblicke hat, sein Schicksal annimmt und trägt!

 Inhalt:

Südirland, 1984 — Als Shells Mutter stirbt, wird ihr Vater zum religiösen Fanatiker. Da er meistens auf Sauftour geht, muss Shell sich um ihre kleinen Geschwister kümmern. Und eigentlich auch um sich selbst. Die zarte Freundschaft mit dem neuen jungen und idealistischen Pater Rose bringt Licht in ihren harten Alltag. Doch der Klatsch der Gemeinde erstickt diese Beziehung bald und Shell vertreibt sich nun die Zeit mit ihrem Schulkamerad Declan. Als der nach Amerika verschwindet, bleibt Shell allein zurück — und schwanger. Niemand scheint dies zu bemerken, nicht einmal ihr Vater, der der Familie immer mehr den Rücken zukehrt. Shell ist auf ihre jüngeren Geschwister angewiesen, die sich rührend um sie kümmern. Aber nicht nur Shell hütet ein Geheimnis. Plötzlich findet sie sich im Mittelpunkt eines Skandals, der nicht nur die kleine Gemeinde, sondern ganz Irland erschüttert.

Ein Zitat aus den letzten Seiten:  ¨Sie hatte die Hand erhoben, Ihr Schal flatterte im Wind. Ihr Bild flackerte wie eine Flamme, wurde blasser und wehte hinaus auf die weiche Meerlandschaft, ihr Schal aus Chiffon wogte wie eine Welle, bis die Frau kaum mehr war als ein schmales Streichholz. ¨Mum¨. Shells Seele schrie es heraus. Ein letzter Gruß. Aber sie ging, diesmal für immer, dorthin zurück, wo sie einst hergekommen war. Das letzte Flimmern verschwand und übrig blieb das Meer. Nichts als das Meer. In seiner ganzen Weite, riesig und schimmernd, rastlos mit dem Himmel verschmelzend. Das hinübereilte zu einem anderen Kontinent. Das Rad drehte sich und dort war die Küste zu sehen, das Land, in der Ferne tauchten die dunklen Hügel auf. Menschen waren dort, Häuser, Geräusche. Die Lebenden und die Toten. Traume, Lachen, Tränen Das Hier und das Danach....... Immer zusammen. Frei. Mit Mums ewigem Licht, das auf sie herabschien. Und das Leben lag vor ihnen, umgab sie, sprühte aus allen Poren, während sie wuuuuuuuuuuuuuuh brüllten wie drei geistig unmachtete Eulen. Welche Lust zu leben, welche Lust!¨

Und noch eines:

 "Sonnenschein in Irland, Shell, gibt es irgendwo auf der Welt etwas Schöneres?"


Jedes Buch, das über irisches Leben berichtet, setzt ein kleines Mosaiksteinchen in das Bild, das wir uns über die Vergangenheit dieser Insel machen. Auf die Spuren stoßen wir allerorten.. 

1 Kommentar:

  1. Hallo!
    Mit großem Interesse hab ich diesen Blogpost gelesen - wir werden bald in Carna 1 Woche Urlaub machen! Darf ich fragen, wo genau dieses "namenlose" Dorf aus lauter Ruinen war? Da möchte ich auch gerne hin!! Würde mich über Antwort auf ulina.tauer@gmail.com freuen! Vielen Dank!

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