Montag, 28. März 2016

Ireland Diary March 2016 I



Denn die Liebe ist es, die den Weg vom Zeitlichen zum Ewigen und vom Ewigen zum Zeitlichen zu weisen nicht aufhört und nach keiner festen Gestalt dieses Ewigen fragt, an keine sich bindet, weil diesen Weg, diese Verbindung zu schaffen das Wesen der Liebe selbst ist. 

[Margarete Susman (1872-1966)]



Calla März 2016

Nachdem wir die letzten 2 Jahre ausschließlich über Shannon geflogen sind, sind wir dieses Mal in Dublin.  Und Dublin heißt Florian und in Dublin zu landen heißt erinnern.... Wie fühlten sich die ersten Mal an..  In Dublin zu landen heißt Grosvenor Square 50.  Besuch bei Flori - aber auch dieser wird anders sein.

Vor einiger Zeit meldete sich Kevin, ein junger Mann, der in diesem Haus lebt und unsere kleinen Gedenken (Blumen, Steine, Muscheln) auf der Treppe fand und die Dinge zu sammeln begann (aufzubewahren, ohne zu wissen, wofür oder für wen). Dann fand er auf einer der Karten die Adresse der Gedenkseite und schrieb mir.
Mutig befestige er die erste Karte im Flur des Hauses, wo ein langer Tisch steht, auf dem die Post für die Bewohner abgelegt wird - und darüber ein Spiegel, an dessen Rahmen er das Foto von Florian steckte.
Kurz darauf bemerkte er, wie - ebenfalls an diesem Rahmen - ein kleiner flacher Herzstein und eine Muschel klebten und er fand heraus, dass der ¨landlord¨, der ja noch immer wöchentlich in das Haus kommt, um die Miete zu kassieren,  diese Gegenstände aus den Jahren, in denen Kevin noch nicht dort wohnte, offenbar ebenfalls gesammelt hatte... 

Wir hatten uns gegen 15 Uhr verabredet, damit er uns die Tür öffnete und wir uns dann noch kurz treffen würden...
Das Fenster von Kevin ist offen, als wir kommen, er sitzt dort und winkt uns zu.  Zum ersten Mal werden wir empfangen - zum ersten Mal nach fast 16 Jahren steht jemand in der Tür und nimmt uns in den Arm! ¨Welcome home¨ ...  wie berührend und wie schön!!

Kevin zieht sich sofort zurück und lässt uns alleine die Treppe hochsteigen und auf dem Absatz die mitgebrachten Blumen niederlegen und eine Kerze anzünden... Wir beide haben den Eindruck, diesen Ort ¨größer¨ oder ¨breiter¨ zu erinnern... Er scheint uns verändert...aber er berührt unsere Seelen nicht minder... Der rote Teppich ist abgelaufener, die gelbe Wand voller Spuren der Gegenstände, mit denen die Enge dieses Treppenabsatzes überwunden wurde... Florians Name steht auf der Fußleiste... und das Datum des Tages, an dem er hier seinen letzten Atemzug machte...  In mir schreit es - nach außen bleibe ich ruhig,  noch nicht einmal die Tränen fließen - wie früher.. Es ist so irreal - es ist real, es ist geschehen und ich will es rückgängig machen - hier und jetzt! 



Ich möchte verweilen und Florian so vieles erzählen.  Eine junge Frau kommt aus der unit, in der Florian und Emear lebten, sie trägt einen Bilderrahmen, den sie in den Keller bringt und sie muss an uns vorbei... Was sie denken mag?  Ob sie schon lange dort wohnt?  Gerne würde ich einen Blick in unit 4 werfen... und doch lieber nicht! Was soll ich ihm erzählen, was er nicht weiß. Niemand begleitet unser Leben so eng und  in jeder Minute  wie er, wie Florian, mein geliebter Sohn.
Ich spreche mein ¨Gebet¨ und wir halten uns an den Händen.  Es gibt keine Worte hier.. außer einem Gebet... Es ist ein so besonderer, wichtiger Ort für uns - der Schicksalsort unseres Lebens.


Wir wollen Kevin nicht warten lassen und er kocht uns einen Tee und hat Gebäck gekauft.  Er ist schrecklich nett, aufgeregt und sichtlich erfreut, uns zu sehen.  ¨ I did not know what to offer you. I was thinking about making sandwiches.. I am glad to meet you¨ - und man sieht es ihm an, seinem offenen strahlenden Gesicht.  Ein gutaussehender Mann - vielleicht in Florians Alter, wäre er hier.  Der Fernseher läuft mit einem Popkonzert :)  aber es stört mich nicht.  Er stellt ihn etwas leiser.  Kevin raucht - und es stört mich nicht, weil er sich entschuldigt und weil alles so eine ¨Selbstverständlichkeit¨ hat...er offen und herzlich ist und ein wenig von sich erzählt und immer wieder auf Florian zurück kommt.. 
Tom, der landlord, der mit ihm bis kurz vor 3 auf uns gewartet hatte und dann weg musste, kommt zurück und es ist eine riesige Freude, ihn zu sehen.  Er hat Eimear und Florian gekannt, er hat sie sehr gemocht und er war tief erschüttert über Florians Tod.  Einmal haben wir ihn vor Jahren zufällig vor dem Haus getroffen und er uns die Tür geöffnet,  nun können wir eine Weile zusammen sprechen - über Florian, Eimear, über unser verändertes Leben.  Beide hören zu. Beide sind interessiert und berührt.. Das ist wunderschön!
Der Satz, den er mir mit auf den Weg gibt, lautet: ¨Life is for living¨... ¨ Das Leben ist dazu da, gelebt zu werden¨....es könnte auch Florians Vermächtnis sein! 

So gut es ist, an diesem Ort zu sein,  müssen wir weiter.  Vielleicht werden wir uns wiedersehen, vielleicht wird Kevin nicht mehr dort wohnen, wenn wir wiederkommen. Tom wird bleiben! Wir tauschen Adressen und ich werde mich sicher bei ihm melden.  Mit Kevin bleibe ich verbunden... Mal sehen, wie lange!





Du magst suchen
Und suchen.
Letzte Antwort
auf die Frage
nach dem Leid
wirst du nicht finden
in dieser Welt.

Doch suche
dies Geheimnis zu ergründen,
woran es liegt,
dass Menschen versteinern
unter ihrer Leidenslast,
verhärten und verbittern,
und anderen
wird das Schmerz durchpflügte Herz
zum Acker.
Die Tränensaat geht auf
zu Güte, Verstehen und Erbarmen.

Leid kann zerstören,
aber wo du dich vertrauend beugst
dem Unfassbaren,
ist diese Macht ihm schon genommen.
Lehne dich nicht auf,
so trägt dich jeder Schmerz
zu neuen Ufern.

Du hast mein Dunkel geteilt von Sabine Nägeli

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