Sonntag, 4. Oktober 2015

"Herztage" 9/2015 V


Gestern also war solch ein schöner Tag - von Anfang bis Ende!  Hans-Jürgens Idee, nach Galway zu fahren, wurde zu einem begeisterten Ausflug! Es gibt Tage, an denen alles stimmt, die einen eigenen Zauber haben und solch ein Tag war gestern.

Auf der Fahrt schaltete ich das Radio an und es lief ein song,  den ich zunächst nicht zuordnen konnte, aber der ein besonderes Gefühl auslöste:  Florian!  Dann erinnere ich mich:  Florian war aus Dublin einige Tage in Berlin bei uns und ich fuhr mit ihm in die City.  Unterwegs hörten wir dieses Lied und Florian stellte das Radio laut:  ¨That's a lovely song¨...  Als er weg war, erinnerte ich diesen Moment.  Ich wollte ihm eine Freude machen und ging - ohne eine Spur von Ahnung des Titels oder der Gruppe in einen großen Plattenladen.  Alles, was ich erinnerte, war ein Stück des Refrains - in dem das Wort  ¨LIFE¨ mehrfach wiederholt wurde :)  und dann tat ich, was nur eine völlig in ihren Sohn vernarrte Mutter tun kann:  Ich sang dem Verkäufer diese Fragmente vor - und wir lachten beide aus vollem Hals... Er konnte nicht viel damit anfangen und holte seinen Kollegen zu Hilfe.. Und erneut mußte ich die paar Töne anstimmen, die mir erinnerlich geblieben waren - und:  er hatte eine Idee,  verschwand  kurz und kam mit einer single zurück - und:  es war tatsächlich diese CD, die ich meinte!  Ich kaufte sie 
2 x.  Eine schickte ich im Umschlag sofort nach Irland, die andere steht noch heute in meinem CD-Regal...
 Als ich Florian, der völlig überrascht und erfreut anrief und sich beankte, die Geschichte erzählte, hörte ich neben seinem Lachen auch seine Rührung in der Stimme:  ¨Ach, Mom, du bist doch eine Verrückte¨... 
Ja, und nun saß ich im Auto in Irland mit gebrochenem Herzen und aufsteigenden Tränen und suchte, wie so oft, den Himmel nach einem Zeichen seiner Anwesenheit ab:  EIn Herz!!  Ein riesiges Wolkenherz im Blau des Himmels,  das schon dabei war, ein wenig auszufransen - aber noch konnte ich es gut erkennen!  Danke, mein Sohn!  
Bis wir anhalten und ich ein Foto machen konnte, war diese Himelserscheinung leider schon in Auflösung begriffen.  Wie so oft hier - es ist immer ein Augenblick - und man muß ihn sehen und nutzen.... Dann ist er vorbei!

Es ist immer auch ein bischen schwer, sich von Connemara zu lösen, von diesen einmaligen Landschaften und Stimmungen . Ein Café in Oughterad, ein kleiner Einkauf bei KEOGHS, der Pflicht geworden ist, weil niemand sonst sich so herzlich und überschwänglich bedankt wie er:  ¨thanks a million¨ - ¨ oh, you are so kind, thank you so much¨.. Auch kleinere Einkäufe, wie der von einigen Postkarten, werden so kommentiert. Heute haben wir ein wenig mehr zugeschlagen und werden mit einem Sconto belohnt!! 

Aus frühherbstlicher Melancholie und Einsamkeit dieser wild-schönen Landschaft geht es in die quirligste kleine Stadt, die wir kennen und dann sahen wir das Meer:  Salthill ist das beliebteste Seebad Irlands und  es zieht sich entlang der Galway Bay. Bäderarchitektur, ideenreich aufgegriffen und fortgesetzt in neuen Häusern. Ein breiter Strand mit altmodisch wirkenden 
Umkleidevorrichtungen aus einer anderen Zeit... Wir schauen einer jungen Frau zu, die sich in die Wellen des Atlantik wirft und mit ihnen spielt, als sei es das Mittelmeer.  Ihr Mann wartet mit dem Kinderwagen neben uns ungeduldig, bis er an der Reihe ist!  Ein kurzer Chat... Yes, it is cold but it refreshes you so much and you really know that you are alife!  

Die Promenade ist sehr frequentiert, von Walking bis zum Ausführen der Hunde.. Von Menschen, die ihre Gesichter in die Sonne halten, bis zu Kindern, die es nicht erwarten können, endlich im Sand zu spielen... Ein wirklich toller Eindruck und wir verweilen eine Weile und lassen diese Bilder auf uns wirken!
Die Silhoutte von Galway mit seinen bunten Häusern und den Schwänen und Booten, die im tiefblauen Hafen dümpeln ist einfach nur schön!  Die Brücke überquerend sind wir mitten im prallen Leben.
Eine Protestkundgebung für die Aufnahme von Flüchtlingen in Irland ist ein guter Start! Wir lassen uns in der Fußgängerzone einfach mitreissen, vorbei an ständig wechselnden Straßenmusikanten, einige wirklich gut und inzwischen auch gut ausgesstattet, andere eher ¨beginner¨, was hier aber auch nicht auffällt, denn gleich singt ja der nächste - und vielleicht besser! 
Um die Kirche St. Nicholas ist Markt und er kann sich sehen lassen.  Während mein hungriger Mann nach etwas Essbarem Ausschau hält, bleibe ich an einem Stand stehen, der alles rund um die ¨Feen¨ verkauft. Sie haben sogar kleine Möbel, die an unserse Plymobil-Möbel erinnern und ich muß schon ein wenig schmunzeln, wie sehr diese unsichtbaren Wesen hier Gestalt annehmen! Das Innere von St. Nicholas ist eher enttäuschend und wir sparen uns die 2 EURO Eintritt.

Und dann ist er erneut da, dieser ¨Florian-Augenblick¨, als wir aus den engen Gassen auf den offenen Platz - Eyre Square - mit einer großen Grünfläche (Kennedy Park)  treten, auf der sich diejeigen, die noch einen Rest der Sonne einfangen wollen,  ins Grün gelegt haben. Gruppen meist Jugendlicher, Studenten, sicher vieler Besucher aus aller Welt, kommen hier zusammen und hier verbrachten Florian und Mirco auf einem Ausflug entlang der Westküste einige Tage, Camphill entfliehend, sich ins Leben stürzend.  Und ich sah ihn wieder, meinen blonden, schönen Sohn, ausgelassen, das Leben am Schopf greifend, flirtend, lachend mitten unter ihnen.... 
Der Schmerz, der mich in solchen Momenten ergreift, hat keinen Namen!  Er ist so überwältigend, so durchdringend, dass ich kaum Luft bekomme und früher waren es die Schreie, die mich aus ihm erlösten. Heute muß ich ihn aushalten, Hans-Jürgens Hand und Arm ergreifen.. ¨ Warum? Wo ist Florian?  Er hat doch hier zu sein... Hier an diesem Ort, hier unter den Lebenden.. Was sucht dieser junge Mensch unter den Toten.. Er gehört nicht zu ihnen...¨  und doch pocht das Wissen gege meine schmerzenden Schläfen.... Er ist tot!

Die Situation zwingt mich, umzuschalten,  diese Gedanke wegzuschieben, die Realität zu betrachten, die einen Moment lang all ihre Schönheit eingebüßt hat!!   Ich möchte zurück in die Stille und Ruhe Connemaras.  Ich möchte in das schützende Haus...Die Stadt ist doppelt laut und plötzlich hektisch.. Es gibt kein Paradies!  Das ist ein Satz, der in diesen Wochen immer wieder in mir kreist.  Es gibt es nicht und auch Irland schützt mich nicht vor dem großen Schmerz...

Die Fahrt zurück ist  schweigend, wir lauschen der Musik, die immer auch etwas Tröstliches hat und die Landschaft strahlt im LIcht der milden Abendsonne, die die Farben der Boglandschaften  noch einmal in ganz besonders intensiven Tönen erscheinen läßt!

THE SOUL WOULD HAVE NO RAINBOW
IF THE EYES HAD NO TEARS ....




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