17.09.2015
Heute ist mal wieder ein
Mick-Flannery-Tag. Sein Konzert findet im Rahmen des ¨Clifden Arts
Festivals¨
statt und - natürlich
- sind wir gespannt und voller Vorfreude! Schön ist, dass
Astrid ihren für
das Wochenende angekündigten Besuch um einen Tag verlängern konnte,
so dass wir diesmal zu dritt sein werden!
Scheint, als gelänge es uns, den ¨Mick-Flannery-Virus¨ gut zu
verbreiten!!!
Aber erst einmal wieder ein Blick zurück auf die
letzten Tage, die ebenfalls ihre Höhepunkte hatten. Zunächst das
Wetter: Es scheint, als würden wir die
Wetterkatastrophen unbedingt erleben müssen/wollen: Irland wurde von einem 2-tägigen Regen
heimgesucht, der offenbar seinesgleichen in den letzten überschaubaren
Jahren suchte. Martin, der Glaser, der gestern hier war,meinte auf alle Fälle, er habe
solch einen Regen noch nie erlebt: In Clifen trat der Fluß über die Ufer
und wurde zu einem reissenden Strom.. Es sah wirklich beängstigend aus,
dort von der Brücke
in dieses wütende
Wasser zu schauen.. Ein Mann verlor
offenbar fünf
seiner Jagdhunde, die den Fluten zum Opfer fielen. Zum Glück sind keine
Menschen verletzt worden!
Hier erinnerten die Fluten, die sich über das Haus
und den Garten ergossen, ein wenig an Weihnachten 2013/1014, als uns die Stürme und die
große
Flut hier überraschten.
Die Wiesen sind alle überflutet und
teilweise mußten
Straßen
gesperrt werden. Wir konnten uns ja ein
Bild von den Überflutungen
auf dem Weg nach Galway machen.
Schäden haben wir
ledlich im Schuppen, der allerdings unter Wasser stand. John, unser Dachdecker, scheint keine Lust
mehr zu haben, erneut zu versuchen, dass Wellblechdach dicht zu bekommen und
hat uns nun ein ¨richtiges Dach¨ empfohlen.
Gut, dass Fechin auch vorbeischaute (an Krücken, der Ärmste!) und darauf verwies, das der Regen nicht nur
vom Dach, sondern durch die Felswände kam! Hier sind nur die Feldsteine und kein Verputz
zur Wetterseite - also wäre ein ¨richtiges Dach¨ auch nur eine
begrenzte Lösung. Er sucht nun nach jemandem, der einen neuen
Versuch auf dem alten Dach starten soll..
Es war schön, Fechine zu
sehen. Er ist alt geworden, lebt
inzwischen in Renvyle, ¨backt kleine Brötchen¨ und meint, er
sei mit seiem Leben, seinen Kindern und Enkelkindern und dem einfachen Cottage
am Strand zufrieden. ¨...Isn't this
what life is all about?¨
Er singt in den Pubs und damit wird er auch etwas Geld verdienen. Jedenfalls wird er uns bei den anstehenden
Projekten (eine bessere Heizung im Bad) unterstützen und uns
entsprechende Handwerker schicken.
Nun aber zum eigentlichen Höhepunkt der letzten
Tage: Wer meinen blog 2014 gelesen hat,
erinnert sich an Aäron!
Aäron
nahmen wir auf dem Weg nach Carna als
Tramper mit und verbrachten mit ihm
einen wirklich schönen Nachmittag am Korallenstrand von
Carraroe, dem Strand, der nur aus Muschel- und Korallenstücken besteht.
Nachdem großen Regen, an
dem wir das Haus gar nicht verlassen haben und froh über unsere
Vorräte
waren, wurde es Zeit für
Clifden! Es ist schön, unter
Menschen zu sehen, selbst die Einkäufe hier machen viel mehr Spaß als zu Hause
in Berlin :) ¨upstairs
downstairs¨
oder ¨Steam¨ sind unsere
Anlaufstellen für
das Internet und immer schauen wir in die Nachrichten.... besorgt,berührt, bewegt...
Nichts wird wieder sein, wie es war - und vielleicht ist das gut so.
Auf der Rückfahrt steht
in Ballyconneely jemand trampend am Straßenrand und wir
halten - und ich erkenne ihn sofort: ¨Aäron! Oh myGod, what are you doing here¨
¨Gabriele"? Oh no, this cannot be true!¨
und wir umarmen uns freudig- und laden
seinen großen
Rucksack ein - und können es nicht glauben! Aäron ist seit 2 Wochen in Irland,
besucht Freunde in Dublin und Galway -
und hatte sich vorgenommen, zumindest 1-2 Nächte in
Connemara alleine zu campen - wie beim letzten Mal, wo er eine ganze Woche
alleine ¨
im bog¨
war!
Die Überschwemmungen
und vor allem der reißende Fluß in Clifden
hatten ihn - nachdem er aus Letterfrack kam - doch geängstigt und er
wollte seine Connemara-Tour abbrechen.
Was wir tun konnten, war, ihn zu uns
einzuladen, ihm zumindest eine trockene Nacht im School House zu bereiten
und er war so voller Freude,
Dankbarkeit, Begeisterung und Euphorie, dass sie ansteckte! Wir Drei glauben nicht an einen Zufall! ¨ ... For some reason it had to happen¨.... Und er
erzählte
uns später
am Torffeuer, dass er (ganz klammheimlich) sich gewünscht hatte,
dass wir vorbeikommen könnten... Er wußte, dass wir
um diese Zeit da sein würden..
und dieser Zauber begleitete unsere gemeinsamen Stunden.. Wir gehen gemeinsam zum Pier um nachzusehen, ob die Robben auf den Felsen liegen. Es ist eine wunderbare Stimmung über dem Meer ....
Die Tatsache, dass Aäron erst 20 ist, spielte bei unserer Begegnung, wie schon im letzten Jahr, überhaupt keine Rolle. Wir haben so viele gemeinsame Themen: Irland, die Musik, die Mystik dieses Landes... da geht der Gesprächsstoff nicht aus..und es wurde weitaus später als sonst :)
Die Tatsache, dass Aäron erst 20 ist, spielte bei unserer Begegnung, wie schon im letzten Jahr, überhaupt keine Rolle. Wir haben so viele gemeinsame Themen: Irland, die Musik, die Mystik dieses Landes... da geht der Gesprächsstoff nicht aus..und es wurde weitaus später als sonst :)
Nach dem Frühstück spielte uns
Aäron
auf seiner kleinen ¨flute¨ (irische Flöte aus Metall)
noch ein paar Lieder vor, die er in dem Jahr eingeübt hat... Und
dann schultert er seinen Rucksack und hebt den Daumen, in der Hoffnung, dass
sein Lift erfolgreich werden wird!
Was Aäron uns noch
einmal ans Herz legt, ist ein Blick in die finstere Vergangenheit des Landes,
auf die er in Letterfrack stieß: Ein kleiner, von Bäumen und Sträuchern
versteckter Friedhof, auf dem etwa 50 Gräber von
Kindern und Jugendlichen liegen. Das
Drama, das sich hier abgespielt hat, gehört in die
Zeit, in der Allmacht der katholischen Kirche.
Offenbar gab es hier eine Art Internat, in das sogenannte schwer
erziehbare Kinder von ihren Eltern gebracht wurden, in der Hoffnung, dass man
sie hier ¨
auf den rechten Weg¨ bringen würde. Diese
Kinder wurden mißhandelt, sexuell mißbraucht und
viele von ihnen starben - wohl an mangelnder Ernährung oder
unter den Mißhandlungen
- des Pfarrers oder der Lehrer!
Lange schwiegen die Überlebenden,
viele wurden verrückt und nahmen sich das Leben... Aber
einige sprachen und man fand immer mehr Skelette, neben denen, die bekannt
waren. Offiziell waren sie an einem
Fieber gestorben.
Dieser Ort birgt so viel Schrecken,
meinte Aäron,
man könne
die Angst und die Verzweiflung dieser Kinder förmlich spüren. Er stand lange weinend zwischen ihren Gräbern.
Ja, wir werden auch diesen Ort, nach
dem wir - das erinnerten wir - vor Jahren schon einmal gesucht haben, besuchen.
Das Wetter hat sich - wie vorhergesagt
- gebesssrt und die Sonne scheint häufig und wärmt und
trocknet und tut einfach sehr gut.
Endlich können wir unsere Gartenaktivitäten fortsetzen
und wieder an die Strände gehen! Wir haben es sehr vermißt!
18. September
Die Heizung ist defekt und es ist
ziemlich kalt im Haus! Ich sitze noch im
Sunroom, der Abend senkt sich mit zartem Pastellhimmel über den See,
den Bog und die Berge. Hier ist die Sonne noch gespeichert, aber bald werde ich
frieren und vor den Kamin umziehen, der das Wohnzimmer schon erwärmt. Ja,
Pech! Es ist Wochenende und Joe wird
nicht vor Montag kommen können. Also müssen wir uns
selbst helfen - und zum Glück ist das Wetter trocken und die
Sonne kommt immer wieder hervor und über den sich schnell erwärmenden
Sunroom wird auch zumindest die Küche mit gewärmt. Immerhin
haben wir Strom und Heizdecken in den Betten.. It could be worse!
So, nun habe ich aber den Faden zu Mick Flannery verloren - und eigentlich wollte ich schon gestern von dem Konzert erzählen... Wir erleben doch eine ganze Menge in diesen "ruhigen Tagen" muß ich sagen :)
Wenn wir dachten, mit den beiden
anderen Konzerten in diesem Jahr Mick Flannery ¨zu kennen¨, dann wurden
wir gestern eines anderen belehrt! Es
war ein Solokonzert und es war sicherlich das beste der Konzerte bisher!
Natürlich sind wir
wieder viel zu früh da :) Wir müssen uns auch
bei den Konzerten daran gewöhnen, dass die Menschen hier in Irland
durch nichts - nicht einmal durch Mick Flannery - aus ihrer Ruhe zu bringen
sind. Angekündigt war das
Konzert übrigens
- vielleicht auch dies eher irisch auf dem Ticket für 21 Uhr, im
Programm des Festivals für 19.30 und im Internet um 20.00!
Wir waren also um 20.30 am ¨Theater¨ und niemand
außer
uns da. Man riet uns, noch einen
Spaziergang zu machen oder im nahgelegenen Hotel etwas zu trinken.. Und auch um 20.45, als wir zurückkommen, ist der Saal noch so gut wie
leer! Allein die Tatsache, dass die
tickets doch ziemlich genau -namentlich in einer Liste - kontrolliert werden läßt vermuten,
dass das Konzert ausgebucht sein könnte..
Es dauert dann noch bis 21.30 bis der erste gig beginnt und Mick
Flannery kommt um 22.15 endlich auf die Bühne!
Angekündigt von den
vor ihm singenden Interpreten Casey Black aus den USA als ¨rain cload¨ (Regenwolke)
entpuppte er sich - zumindest menschlich als überaus gut
gelaunt, gesprächig
und von einem trockenen, herrlichen Humor!
Seine Lieder bekommen im alleinigen Vortrag eine noch größere Tiefe und
zum ersten Mal kann ich fast alle Texte verstehen. Nichts lenkt ab von ihm, von seiner Stimme,
vom Spiel der Gitarre oder des Klaviers.
Wir sind begeistert und mit uns das Publikum... Gut, wieder in der
ersten Reihe zu sitzen!
Es wird viel gelacht, kommentiert -von
ihm, von einzelnen Zuhörern, man kennt sich, man kennt Mick
Flannerys Ruf, als Sänger, der
introvertiert und scheu ist. Heute ist davon keine Rede und seine Spielfreude
und Begeisterung springen über!
Als er über Berlin zu
erzählen
beginnt, reiße
ich die Arme hoch. Er schaut, er fragt: ¨Are you from
Berlin?¨
- ¨
Yes!¨
- ¨Which
part are you from? - ¨Köpenick¨ - ¨ I lived in
Kreuzberg¨
- ¨
I know¨
- und dann erzählt er über seine
Eindrücke
aus diesem Stadtteil, der so widersprüchlich ist. Er erzählt von der
Gentrifizierung, der Verdrängung der Menschen, die immer dort
gelebt haben, er erzählt von den Drogen und der Kriminalität - Kriezberg
war Inspiration für seine vielleicht beste CD ¨By the rule¨ -
melancholisch, tiefsinnig und engagiert! Besonders beeindruckt haben ihn die ¨Hipster¨ und nun beginnt ein Spiel zwischen ihm und
Publikum zu diesem Thema: ¨Can you emagine a hipster in Clifden¨ - und es wird
gelacht und laut ¨No¨ gerufen und es geht weiter und ich kann dem
Faden irgendwann nicht mehr folgen!
Dann geht es um den Tourismus in
Irland - die vielen Busse .. Und um seine Heimatstadt Blarney. Er fragt, ob
jemand den ¨Blarny
Stone¨
schon einmal geküsst habe - und Hans-Jürgen meldet
sich.. Und Mick Flannery fragt noch einmal zurück: ¨ You kissed
the stone?¨
und zu mir: ¨
You also kissed this stone¨ und ich verneine vehement! Dann kommt die Geschichte aus seiner
Kindheit, dass schon damals die Touristenmassen, die in Blarney einfallen um
das Schloß
zu besichtigen und den Stein zu küssen,
die Kinder zu einem Streich veranlassten, nämlich, auf
diesen Stein zu pinkeln und sich diebisch darüber zu freuen,
dass die nächste
sich hier durch diese Lücke quälen und hoch über dem
Abgrund diesen Stein küssen würden... Und er
geht weiter und fragt, ob niemand jemals einen Touristen ¨ in die Irre¨ geführt habe. ¨ They ask you for a special building
and they stand in its shadow and you send them to the left or right¨.... Und
alle lachen.. Es ist eine fröhliche, fast familiäre Stimmung.
Einfach toll. Dazwischen seine Songs, seine unvergleichliche Stimme - seine
Intensität! Was für ein
Abend! Nein, von ¨Regenwolke¨ ist heute
nichts zu spüren.
Man wird mitgerissen und ist bester Laune.
Störend ist alleine die Undiszipiniertheit der Gäste: es ist ein ständiges Kommen und Gehen... Die Tür auf, die Tür zu - manche Gesichter kennt man schon - sie gehen 4 -5 X rein und raus, mit einem Glas, einem aufleuchtenden Handy - vielleicht zu einer Zigarettenpause. Es nervt nicht nur uns - es nervt natürlich den Sänger und er kanne sich ab und an einen Kommentar nicht verkneifen!
Störend ist alleine die Undiszipiniertheit der Gäste: es ist ein ständiges Kommen und Gehen... Die Tür auf, die Tür zu - manche Gesichter kennt man schon - sie gehen 4 -5 X rein und raus, mit einem Glas, einem aufleuchtenden Handy - vielleicht zu einer Zigarettenpause. Es nervt nicht nur uns - es nervt natürlich den Sänger und er kanne sich ab und an einen Kommentar nicht verkneifen!
Dann noch ein Duett der beiden Sänger und die
Unterschiedlichkeit des ¨Amerikaners¨, selbstsicher
und vielleicht einen Schuß zu überheblich und
des ¨Iren¨, zurückhaltend,
bescheiden, sehr viel sympathischer in meinen Augen!
Es regnet, als wir das Theater
verlassen und unser vor der Tür geparktes Auto führt noch
einmal vor Augen, woher wir kommen:
Hans-Jürgen
geht zielstrebig auf die (deutsche) Fahrerseite und öffnet die Tür und ich
stehe auf der anderen.... Lachend fragt eine Frau: ¨you must be Tourists¨
- ¨ Yes, we are those from Berlin¨!!!!
Herrlich!
Wir entschließen uns, den
Abend bei ¨Lowries¨ zu beenden,
denn auch dort wird Musik gemacht. Auf anderen Niveau aber zum Mitsingen: ¨Dirty old town¨ - für alle! Ein Stephan hat Geburtstag und ihm wird ein
Ständchen
gesungen, die junge, füllige Frau vor uns am Tresen ist
ziemlich betrunken und tanzt dazu! Das
ist irisches Publeben - mit Touristen!
Es ist 1 Uhr, als wir uns auf den Weg
zurück
machen - und wir sind sicher, dass wir wunderbar schlafen werden, wenn auch
heute die Heizdecken kalt geblieben sind!
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