Freitag, 2. Oktober 2015

"Herztage" 9/2015 IV



11. September

Heute ist ein Regentag, wie wir ihn sehr selten hier erlebt haben:  ¨hard rain¨ - und er stoppt seit heute früh nicht einen Moment. Mal fällt er ¨ unsichtbar¨ wie ein tiefnasser Nebel, dann in dicken Tropfen, die wütend gegen die Fenster schlagen!  Die Landschaft um uns herum ist im Grau versunken... 
Gut, bei solch einem Wetter nicht angekommen zu sein :)  aber auch nach 2 Wochen legt sich die Hoffnungslosigkeit auf Besserung doch ein wenig auf die Seele.
Es gibt viel zu tun im Haus:  der Tisch (die Truhe) hat einen neuen Anstrich bekommen. Die Gebrauchsspuren sind verschwunden. Der Küchenschrank ist wieder aufgeräumt..
Man staunt schon ein wenig, wie sehr die Dinge dort ¨wandern¨... Aber offenbar hat jeder, der hier wohnt, seine eigene Ordnung. Wir stellen unsere dann so nach und nach wieder her :) bis zum nächsten Mal. 


Unser Versuch, uns - online - bei ¨irish water¨ zu registrieren, ist gescheitert. Wir waren gestern bei Declan, unserem Steuerberater, der uns eine riesige Hilfe ist. Unser Haus war bisher nicht registriert und es brauchte am Telefon fast 20 Min. bis man uns fand;  eigentlich erst, als Declan die Koordinaten durchgegeben hatte. EIRCODE die Neuerung, nämlich die Einführung von einer PLZ für jedes Haus, jede Wohnung und jedes business in Irland, scheint bei ¨irish water¨ noch nicht angekommen zu sein... Niemand glaubt hier daran, dass diese ¨Neuerung¨ tatsächlich irgend etwas bewirkt, geschweige denn, angewandt werden wird. Theoretisch braucht man jetzt auf einen Brief nur noch diese Nummer zu schreiben: H91 NCK 8 - ist übrigens unsere eircode Nummer und unter eircode.ie kann man jedes Haus auf der Insel  finden! Verrückt, dass sich dieses System komplett der modernen Navigationstechnik entzieht... Wäre ja auch zu einfach :)
Mal sehen, wie unsere Adresse künftig aussehen wird... Was wir herausgefunden haben, ist, dass wir keineswegs zu Ballyconneely - sodern ausschließlich zu Roundstone gehören. Die gesamte Halbinsel Bunown jedoch gehört zu Ballyconneely. 


Ich lese wieder Gabriele Alioth:  ¨Die Arche der Frauen¨, das ziemlich düster ist, mich aber sehr fesselt. (Inhalt:  Ein abgelegenes irisches Tal, ein einsames Haus mit Sicht auf einen verwilderten Garten, einen kleinen Fluß. Eine Idlle, so scheint es dem Paar zunächst. Sie kaufen das Haus, setzen Dach und Mauern instand. Doch dann ist es, als ergreife das Haus von seinen Bewohnern Besitz. Zunächst ist es nur ein Unbehagen, ein unbestimmtes Gefühl der Bedrohung, das Geräusch nächtlicher Schritteim Kies, die Umrisse eines Mannes, der entschlossen scheint,  sich  im  äußersten Winkel des Grundstücks niederzulassen....¨)

Das Buch lehnt sich an den festen Glauben auf dieser Insel, dass jedes Haus seine Geschichte, seine Geister hat, die weiter dort leben.  Es sind entweder gute oder böse Geister, die sich - über lang oder kurz - melden und die neuen Bewohner zwingen, sich mit der Hausgeschichte zu beschäftigen.
Wir erinnern die Lesung mit John O'Donohue, der über Connemara erzählte, dass man niemals eine Ruine abreissen sollte, weil dort die Seelen der Menschen, die darin lebten, weiterleben.
Dass dies früher respektiert wurde, zeigt die riesige Anzahl von Ruinen alter Häuser, die oft direkt neben den neuen stehen.
Wie sich das nun damit verträgt, dass Baugenehmigungen offenbar nur noch dort erteilt werden (jedenfalls in Connemara), wo bereits eine Ruine steht, das entzieht sich unserer Kenntnis. Wir jedenfalls hätten damit ein großes Problem, zumal O'Donohue meinte, dass denen, die die ignorierten, oft etwas Schlimmes zugestoßen ist....

Rätselhaft bleibt bei all seiner wunderbaren Mystik und Spiritualität  sein eigenes Schicksal, da  er ja nur wenige Jahre nach Florian auf die selbse (stille) Weise starb.  Er wurde nur 53 Jahre alt! 


Natürlich berührt mich dies alles auch persönlich, weil wir selbst vom ersten Moment an, das Gefühl hatten, dass etwas oder jemand uns zu diesem Haus hier lockte und das, was wir von seinen Vorbewohnern fanden, hat dies ja sehr dramatisch unterstützt:  Susan, die hier Workshops - u.a.  für Trauernde durchführte;  sie gab REIKI und  war offenbar von einer sehr großen Spiritualität und Verbundenheit mit ¨der anderen Welt¨. 
Zugleich hat das Haus seine Geschichte als Schule - und auch dieses Mal hörten wir ja von der Nachbarin mit dem rosa Hütchen, dass diese Schule sehr ambivalente Gefühle in den Menschen hinterlassen hat.
Vielleicht haben aber Susan und Dennis diese Geister bereits ausgetrieben, als sie das Haus als Wohnhaus übernahmen..  Wir sind noch immer sehr interessiert, mehr von der Geschichte des Hauses zu erfahren. .Über ein irisches Forum auf fb,("Connemara Foto Memories") auf dem alte Bilder ausgetauscht werden, habe ich immerhin ein Klassenfoto aus den später 40igern  geschickt bekommen, auf dem Mattie und eine andere Nachbarin zu sehen sind..

Dort haben mir auch ehemalige Schüler - meist leben sie in den USA - angeboten, bei ihrem nächsten Besuch in Connemara von diesen Zeiten zu erzählen..   Wir werden - später - noch sehr dramatisch an sie erinnert werden....
Ich denke, viele können sich eine Weile lösen von den Problemen der Zeit.. ich kann es nicht!
Nach wie vor studieren wir täglich die Nachrichten aus Deutschland und der Menschenstrom versiegt nicht und Tausende warten auf den griechischen Inseln auf die Weiterreise in andere europäische Länder, bevorzugt Deutschland - aber auch Schweden oder Holland.
Was im Moment ¨zu Hause¨ gestemmt wird - vor allem auch nach wie vor und sicherlich noch für lange Zeit von freiwilligen Helfern, ist unglaublich! 
Noch unglaublicher ist der Umgang von Ländern, wie Ungarn, durch die die Fluchtwege führen und die alles - aber auch wirklcih alles versuchen - diese Wege zu kappen - mit Stacheldraht und prügelnden Polizisten...  ¨Is this Europe?¨ - war die Frage eines syrisichen Flüchtlings, der mich ins Herz traf!  Ich hoffe, dass Deutschland die Kraft und die Ausdauer haben wird, die Menschen, denen heute die Hände gereicht werden, auch künftig als ¨Mit-Menschen¨ zu akzeptieren und weiter zu begleiten! Was, wenn es fehlschlägt?  Das macht mir Angst!  Ich habe keine Angst vor den Flüchtlingen, ich habe Angst vor meinem eigenen Volk, wenn es sie zu "Feinden" erklärt!

Irland eiert noch immer herum, wird aber die zunächst genannte Zahl von 1.500 wohl um einiges erhöhen müsssen. Das verlangen schon die Iren selbst von ihrer Regierung!

Heute abend gehe wir zu ¨Keoghs¨ Essen. Wir müssen unter Menschen und  vielleicht ist morgen ein trockener Tag und die Aktivitäten außerhalb des Hauses können wieder aufgenommen werden!!!

Bild: Don Gualdoni

13. September

Ich schreibe im ¨Mihalls Room¨ und mein Blick auf die Küste ist endet schnell in einem unrühstück im Sunroomdurchdringbaren Grau!  Aber ich will mich nicht beschweren. Wir hatten heute endlich wieder einmal ein Frühstück im Sunroom.  Schon beim Aufwachen konnte ich das Blau des Himmels durch die Vorhänge sehen! 


Die Kühe sind wieder neben und oder vor uns am Ufer des Maumeen Lake.  Wir schauen ihnen beim Frühstück zu.  Meist sind sie bei einander und oft steht eine von ihnen eine lange Weile ganz still - den Blick auf etwas gerichtet, das wir nicht sehen können.  Ich denke dann an den verstorbenen Bruder des Nachbarn, der so ähnlich auf dem Feld unter ihnen stand - wie eine Statue auf seine Sense gestützt  Vielleicht vermissen sie ihn :)  wer weiß?
Ich pflücke Mageriten für die Vasen und freue mich am blühenden Garten!

Waschtag!  Sobald die Sonne scheint, denke ich an Wäsche - herrlich! Unsere Neuerung ist eine Wäschespinne... Omg höre ich einige ¨denken¨... So ziemlich das "Piefigste", was man sich vorstellen kann :)  so dachte ich auch, aber seit sie hier - zum Nachbargrundstück steht und wir z.B. die Handtücher nach dem Duschen schnell dort in den Wind hängen können - sind wir mit ihr versöhnt! So viel Schönheit und Esthetik hier, kann solch eine ¨Spinne¨ durchaus aushalten!


Heute war mein Lieblingsstrand unsere Ziel - der Strand der sich an die Steilküste anschließt, an dem der alte Friedhof liegt - und das kleine ¨griechische¨ Gebäude... Im Juni begeisterte er mich über alle Maßen mit all der Schönheit, die sich beim Spazierengehen und vor allem Hinschauen auftat.  Heute war das Wetter nicht so günstig - die Sonne hatte  sich bereits verzogen, aber auch hinter den Wolken lies sie ihre Helligkeit sehien... Genug für die heutigen Entdeckung: das Seaweed!  Diese Formen und Farben zu beschreiben, fehlt mir die Sprache - und so lasse ich die Bilder sprechen, die dort entstanden.






Dank der Ebbe konnten wir - hinter eine Wand aufgehäufter Felsen, die aber ganz gut zu überklettern waren, erkennen, dass sich hier Strand an Strand reiht... Bucht an Bucht  und endlich scheinen wir die Entdeckung gemacht zu haben, die als ¨ offene Frage¨ immer im Raum stand:Wir schauen vom Haus auf der anderen Seite der Bucht genau auf diese Strände, die wir aber nie zuordnen konnten, weil sie eben nur bei Ebbe zugänglich sind!  Das hieß, dass wir von hier aus auch unser Haus sehen konnten :)   Immer mehr Rätsel lösen sich auf!




Der sich zunehmend verdüsternde Himmel ließ uns aufbrechen - nicht, ohne dass ich wieder eine Reihe neuer ¨Schätze¨ - nämlich bunte ¨Kugeln¨, die ich zum Teil aus dem Sand ausgrub, mit mir schleppte! 
Außerdem ist ¨Herzsaison¨!  Ich weiß nicht, wann zuletzt ich so viele Herzen fand, wie in diesen Tagen...Selbst vom Strand in Salthill /Galway gestern schleppte wir ein großes Steinherz an!

Kaum saßen wir im Trockenen, fielen die ersten Tropfen und kaum hatten wir die Wäsche von der Leine genommen, begann es ¨Strippen zu regnen¨ :)  Hugh, der gerade vorbeikam, um sich den Wasserschaden, der letztes Jahr Weihnachten im Bad geschehen war, anzusehen, meinte, es würde auch morgen regnen, aber dann könnten wir uns auf noch einige schöne Tage freuen!



As the day ends I sit on the hill, watching the sun set in the sky. I'm in the warm breeze and close my eyes reflecting, proud I made it through another day unharmed I sigh, content smiling. I open my eyes and find myself amongst the stars ...

- Humming Bird -


1 Kommentar:

  1. Was für ein schöner Bericht. Ich bin für eine Weile total eingetaucht in diese geheimnisvolle Welt. Danke, dass du teilst, was dich reich macht!
    Herzlichen Gruss, Gabriela

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