Donnerstag, 28. September 2017

Herbsttage in Calla (2)





7.9.2017

Errislannan
 Ich greife mir heute einen Tag aus der Kette der Tage heraus, der uns sehr berührt hat und uns wieder einmal die Magie dieses Ortes zeigte... (waren wir tatsächlich doch dabei, etwas davon zu vergessen und uns in Problemen zu verfangen, die nicht ursächlich mit diesem Ort zu tun haben, hier aber zum Durchbruch kamen..  krisenhafte Tage - für die wir aber vielleicht dankbar sein sollten!
Wir beschlossen einen kleinen Ausflug zum Boat Harbour von Errislannen zu machen, vorbeizuschauen am verlassenen Cottage, das im Juni ja abgeschlossen war und vielleicht in der zwischenzeit seinen Besitzer gefunden hat... 

Der Weg alleine ab dem Abzweig nach Errislannen ist landschaftlich so abwechslungsreich und wunderschön. Die schmale Straße, auf der gerade einmal ein Auto und ein Radfahrer an einander vorbeikommen, führt in Dutzenden von Kurven vorbei an kleinen Seen, an denen malerisch Cottages mit blühenden Gärten liegen.  Die Straßenränder gesäumt von Fuchsien und über Strecken von verdorrtem Farn, der uns an die Bilder aus dem Juni erinnert, wo die Wiesen gelb von den wilden Iris strahlten.  Nun ist es die Heide, die sich - niedrich blühend -  an die grauen Felsbrocken schmiegt und der gelbe Ginster, der ganze Flächen in Licht taucht.  Nun ist das Auge mehr gefragt, als im Juni.  Die Weißdornbäume, vom Wind schief wachsend,  sind voller roter Beeren. Wir betrachten sie stets mit besonderem Respekt -  immer an den ¨Fairy tree¨ denkend, der so viel Bedeutung hier hat! 


Von der Höhe führt die Straße auf einer Geraden hinab zu einer der ersten Buchten und heute ist der Atlantik aufgepeitscht vom Sturm und wir schaffen es kaum, die Autotüren zu öffnen. 
Die Möwen stehen in der Luft auf der Suche nach Beute, die die sich brechenden und auf dem Sand und den Steinen auslaufenden Wellen an Land schleudern mögen... Atemlos läßt uns diese Ursprünglichkeit und  Wildheit eine Weile verharren. 


Am Pier ist ein älteres Paar damit beschäftigt, sein - noch viel älteres, altmodisches, kleines Boot - zu vertäuen.  Die Frau auf dem Pier stehend mit der Leine, in deren Mitte das Boot bei der anhaltenden Flut auf der Landseite, auf der der Mann steht, ebenfalls am zweiten Teil der Leine ziehend und zerrend, an das Ufer geschafft werden soll... Hans-Jürgen greift beherzt mit in die Leine, die die zierliche Frau über die Böschung des befestigten Piers zu reissen droht.  Die gegen den Wind gerufenen Worte des Mannes kommen nicht an und Hans-Jürgen beschließt nun, die Pierseiten zu wechseln, um ihm zu helfen, das Boot langsam an das steinige Ufer zu ziehen.  Eine schwierige Navigation zwischen den beiden Menschen, die diese Arbeit sicherlich seit vielen Jahren gegen Ende der Saison verrichten werden!  Schließlich läßt sie die Leine los - und lacht mir entgegen:  "Oh, these men. Why doesn't he accept the help of your husband?  He is so stubbern!  Men are stubbern, aren't they?¨  Und wir lachen zusammen und schauen zu, wie sich die beiden Männer schließlich in das Seil hängen und das Boot ein Stück an Land ziehen.

¨Where do you stay here¨ - ¨We have a house between Roundstone and Ballyconneely¨.. ¨ A big region. Where exactly?¨ - ¨In Calla.  We bought the Old School House¨  und jetzt werden ihr Augen weit!  ¨I know the School House quite well.  I have been there often. I knew the people living in the house¨..  ¨Susan and Dennis??¨  ¨ Yes, Susan and Dennis¨.  Nun bin ich es, die vor Staunen und vor Freude den Mund nicht mehr schließen kann.  
 Und ich kann es nicht erwarten, bis die Männer herüberkommen und ich Hans-Jürgen diese wunderbare Nachricht überbringen kann; ¨Sie kennt Susan und Dennis¨ - rufe ich ihm fast entgegen.. Und dann lacht sie wieder und sagt: ¨Wir können auch deutsch sprechen¨...   


Ja, das sind die Augenblicke, wo ich mich kneifen möchte, weil ich denke, nicht mehr in dieser Realität zu sein...  Iris lebt seit 1967 in Irland und seit 1988 haben sie und Michael, der noch immer am Boot beschäftigt ist, das Cottage oberhalb des Strandes, den wir so lieben. Es ist der Strand mit den ¨Rundsteinen¨ - der einzige, der diese kugeligen Steine hier hat. Dort verliert sich mein Blick in dieser Steinwelt ....  aber dieses Mal nimmt uns Iris mit zu ihrem Cottage. Auf dem Weg erzählt sie uns, dass sie mit Susan und Dennys im ¨Clifden Writers Club¨ war und - wieder - hören wir, was für eine besondere, mit so viel Begabungen ausgestattete Frau Susan war. Ihr Tod hat in dieser Gegegend für so viele künstlerisch interesierte Menschen eine große Lücke hinterlassen.
Sie möchte uns den Gedichtband mit Susans Texten zeigen und hofft, ein Exemplar übrig zu haben, das sie uns überlassen kann. 


Ihr Cottage ist einfach zauberhaft!  Als erstes zeigt sie uns einen  kleinen, geschützten Gemüsegarten, den sie Michael zum 70igsten Geburtstag geschenkt habe!  Blühende Wicken winden sich an einem kunstvollen Weidengerüst empor. Kräuter und Gemüse scheinen gut zu gedeihen. Dann betritt man den Vorplatz vor dem Cottage und auch dort ist ein windgeschützter, in den Hang gebauter blühender Platz mit einem kleinen Bassin, in dem Teichrosen blühen.. Alles ist so liebevoll, mit so viel Bedacht angelegt.  Durch eine niedrige Tür kommen wir ins Innere des Cottages, das Behaglichkeit und Harmonie ausstrahlt. Der großzügige Raum kann die Blicke aber kaum halten, denn die Fenster laden ein, sie in die Weite, über grüne, saftige und blühende Wiesen in die Unendlichkeit des Atlantik zu lenken.. Erneut sprachlos und voller Bewunderung stehen wir da - und mich ergreift eine unendliche Dankbarkeit für diesen Augenblick! 



Iris geht an das Bücherregal und sucht die kleinen Bändchen heraus, die die Gedichte aus den Jahren, in denen Susan und auch sie dort schrieben, zusammengefaßt sind. Sie übergibt uns einen etwas vergilbten 
Zeitungsausschnitt des ¨Connemara Arts View¨ vom 7. Juni 2007 in dem Susan Gallagher als Poetin des Monats posthum geehrt wird und einige ihrer Gedichte abgedruckt sind. Die Titel:  ¨Moonbow blessings¨ - ¨Night wraps¨ (das sie 2006 schrieb, nachdem sie die Krebsdiagnose erhalten hatte) und das ich später hier einfügen werde.. ¨Breaking the barrier¨..  

Wir halten alles beinahe ehrfürchtig in Händen. Auf dem bunten Foto sitzt Susan auf der Mauer hinter dem Haus hier mit dem Blick, der mich 2012, bei unserem ersten Besuch auf dem Grundstück, verzauberte.  Es gibt auch von mir ein Foto - genau am gleichen Ort aufgenommen... Und vielleicht habe ich - an diesem Ort - die innere Entscheidung getroffen, hier mein "Zelt in Irland" aufschlagen zu wollen.  Ich weiß noch sehr genau, wie ergriffen ich von dem Blick war...

So scheinen wir  mit den Menschen, die einmal hierlebten, und vor allem hier wirkten, mehr und mehr zu
¨verwachsen¨... 
Einen kleinen Band mit Texten ¨Weird, Wet & Wild¨ der Clifden Writers' Group 2001  kann uns Iris überlassen, da sie ihn doppelt hat. Den Band der Gedichte von Susan möchte sie für uns bei Freunden erfragen, die ihn evtl. doppelt haben. 
Sie möchte uns darüberhinaus auf der ¨Clifden Arts Week¨ anlässlich einer Lesung verschiedener Autorinnen mit der besten Freundin von Susan, Robyn Rowland, die den Abend moderieren wird, bekanntmachen.  Von ihr, so meint sie, können wir am authentischsten von Susan erfahren.

Eines aber erzählt sie uns noch:  Susan starb am 29.05.2007. Am 08.07.2007 wurde ihre Asche hier auf einer Klippe über dem Strand von Dogs Bay in einer sehr bewegenden Zeremonie, in den Wind verstreut.  Viele Menschen, die sie liebten und vermissten nahmen daran teil. Es wurde musiziert, getrommelt, Dennis hatte alles initiiert und ein in die Wiese gelegtes Herz aus Steinen soll noch immer den Ort kennzeichnen.  Iris, die selbst nicht an dieser Abschiedsfeier teilnehmen konnte, schlug vor, dass Michael, der ihr beiwohnte, mit ihr zusammen uns diesen Ort zeigen könne..   


Within

Sea glittering
Rocks reaching
Seagull crying
Wind feeling
Sky touching

Eyes Straining
Tongue salting
Ears vibrating
Heart sobbing
Mind empty
Sould floating


Denis Tucker
(aus dem Band:  Weird, Wet & Wild)

Die Einladung auf ein Glas Wein schlugen wir aus.. Wir fühlten uns so reich beschenkt und hatten wohl beide  den Wunsch, all diese Eindrücke erst einmal bei einem Spaziergang unten am Steinstrand ein wenig zu verarbeiten...  Vor der Tür kam uns Michael entgegen, ein freundlich blickender, stattlicher Mann, der uns herzlich die Hände schüttelte und ein wenig enttäuscht war über unseren Aufbruch.  Wir baten die beiden, uns bitte hier zu besuchen.  Es wäre uns eine riesige Freude, ihnen das Haus, so wie es nun ist, zu zeigen.  Und sie schlugen ein!

Mein Herz, das in den vergangenen Tagen oft sehr unregelmäßig geschlagen und mir Angst gemacht hatte, schlug beim Zurückgehen viel zu schnell, aber ich konnte diesem Rhythmus tiefe Freude und Glück und Dankbarkeit entnehmen!

Im Grau des Himmels öffnet sich, als wir dort am geliebten Strand mit dem Rauschen der herannahenden, die runden Steine vor sich herrollenden Wellen, standen, ein Spalt und wirft das helle Licht der Sonne auf das Meer. 
Heute sehe ich auf dem Foto, das ich in diesem Moment aufnahm, das Herz in der Heidelandschaft und auch der offene Wolkenhimmel sieht aus, wie ein umgekehrtes Herz...



Ballyconneely


He stands by his gable wall

atching the empty road.

A man of soil and sea

By his weathered skin

His hands, his cap.



Rheumy eyes search

For something lost,

Like a mare without her foal

A ewe whose snow lamb died.



Tarmacadamed drive

Plastic window frames

In this, his celtic tiger home

Say nothing.

He shuns its silence,

Its hollowness,

Its empty grate.



Where has the east wind gone

That would rattle the lath,

The swirls of peat smoke

Cought in sunbeams,

The smell of salty nets and turf?



Sight unseeing,

A panic flutteringin his chest,

He stands by the gable wall

- remembering





Lyle McElderry

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