Freitag, 5. Juli 2019

Calla--Days Juni 2019 III




12.6.

Eine schöne Begegnung hatten wir wieder mit Helena + Moritz, die sich mit einem Zettelchen unter dem Stein an der Tür meldeten.  Wir verabredeten uns bei Ihnen am Sonntag.
Wie befürchtet, wurde nichts aus der Terasse mitten im Zaubergarten;  das Wetter spielte einfach nicht mit und so saßen wir - nicht weniger schön - in der gemütlichen Küche, die, wie unser Sunroom durch die wenigen Sonnenstrahlen, die auch an diesem Tage immer wieder durchdrangen, im Warmen.
Es war schön, die beiden wiederzusehen und es erstaunte mich, wie vertraut wir mit einander sprachen, obwohl wir uns doch wirklich nicht sehr lange und intensiv kennen. Kaffee, Tee, Scones und leckerer Kuchen, die ganz besondere Atmosphäre dieses schlichten, schönen Ortes - alles nahm uns das Gefühl für die Zeit - und irgendwann gingen wir vom Kaffeetrinken ins Abendessen über und es war spät und dunkel, als wir den Rückweg antraten.
Helena + Moritz zeigen uns auf so bemerkenswerte Art, mit wie wenig Luxus man hier auch leben und glücklich und zufrieden sein kann. Wir geniessen es sehr mit ihnen und unser Gespräche haben mich noch den gesamten nächsten Tag beschäftigt. Beschenkt fuhren wir den Weg von einem eindrucksvollen Sichelmond begleitet zurück nach Calla.


Sonne am nächsten Tag und endlich ein langer Spaziergang auf Bunowen am Strand. Auch hier - ganz im Gegensatz zu sonst - ausser einigen wenigen Hundehaltern - niemand, sieht man von den Kühen ab, die sich uns an einigen Stellen in den Weg legten und kleine Umwege durch die Felsen von von abverlangten.  Noch immer sind wir im Umgang mit Kühen eher verhalten .)  Da sie im Moment, wie alle anderen Tiere, Jungtiere haben, zollen wir ihnen besonderen Respekt.

In einer geschützten Bucht blieben wir eine Weile auf den Felsen sitzend, staunend über die Vielfalt der Farben des Wassers und des Himmels, der viel von seinem Blau zeigte.  

 Ein Wolkenengel?

Wir machen täglich eine Erholpause nach dem mittäglichen Imbiss. Meist liegt Hans im Liegestuhl - entweder im Sunroom oder im Swimmingpool - und ich - um meinen Rücken zu entlasten - auf meinem Bett mit Buch oder auch Smartphone. 

Abends wird gekocht und bisher waren wir nur ein einziges mal im Pub oder Restaurant. Wir wechseln abends die Plätze zwischen Küche, dem Sunroom, wenn es warm genug ist und dem Wohnzimmer, wenn das Wetter schlecht ist und wir den Kamin anmachen. Zurückblickend, haben wir nur in den ersten 4-5 Tagen am Kamin gegessen. Dann verlagerten wir den Schwerpunkt in den Sunroom mit Blick auf die Berge, die abends von der untergehenden Sonne in Licht getaucht besonders schön aussehen.
Selbst unsere ¨Kinoabende¨ bleiben aus, weil es im Wohnzimmer durch die intensive Sonne abends noch immer zu hell ist :)  und der Kamin brennt erst so spät, dass wir ihn dann mit Holz, das wir im Bog gesucht haben, füttern.
Die Abende sind nicht lang, im Gegensatz zu den Nächten  :)  Wir schlafen gut hier und Hans erzählt mir beim Frühstück seine Träume!
Ich weiß nicht, ob man die Fähigkeit, sich seine Träume zu merken, zurückerlangen kann, wenn sie einem abhanden gekommen ist.. Ich erinnere Träume nicht mehr, obwohl ich weiß, dass ich geträumt habe!

In Berlin hat sich der erste Wechsel vollzogen und die jungen Siehls sind über Pfingsten im Haus. Noch immer herrscht in Deutschland eine Hitzewelle mit Temperaturen bis 35° und der Garten ist nun wirklich attraktiv!  Das Kanu wird zum ersten Mal in diesem Jahr eingesetzt, alle Plätze am Haus und am Wasser genutzt. Schön, die Enkelkinder, die wir sonst nicht mehr oft sehen, dort zu wissen. Es war immer ihr zweites Zuhause!


Es ist sehr kühl und auch im Haus waren es - ohne Heizung - nur 17°, das ist ungemütlich. Nun läuft die (neue) Heizung und wärmt und sofort fühle ich mich wohler. Der Blick in das Wetter für das Wochenende sieht leider auch nicht besser aus: es bleibt sehr kühl und es kommt Regen hinzu. Das ist sehr schade, aber es ist wie es ist!
Ich freue mich auf die Fahrt nach Doolin und wir wollen in Glentrasna versuchen, das Haus zu finden, in dem John O'Donohue lebte.

Morgen Abend kommen erst einmal Claudia + Paul zum Dinner und das wird sicher ein munterer Abend.  Moritz und Helene fahren am Wochenende nach Dublin zum ¨ Blooms Day¨.  Mal schauen, ob wir sie noch einmal sehen.Wir hatten uns überlegt, einen Kinoabend hier zu machen und uns ¨Nothing Personal¨ zusammen anzuschauen. Vielleicht klappt es ja.
Von Cornelia haben wir nichts gehört und uns auch nicht gemeldet.
Sie wird am Wochenende zurückfahren nach Dublin. Vielleicht klappt es ja im September. Alles hat hier offenbar seine Zeit - und wir müssen uns daran gewöhnen, dass dies auch für die zwischenmenschlichen Beziehungen zu gelten scheint.

In Köpenick erneuter Wechsel:   34° noch immer in Berlin und es wird nicht kühler.... 



"Sie hat Augen wie Teiche und eine wunderschöne Haarmähne in der Farbe von Laub im Oktober. Sie ist gertenschlank, weiß wie Milch; sie ist um die fünfunddreißig, vielleicht aber auch viel jünger. Das macht eben die Trauer mit einem"


Ich lese ein sehr berührendes Buch, von dem ich hier kurz erzählen möchte: Kit de Waal ¨Die Zeit und was sie heilt¨.  Natürlich hat der Titel mich zum Kauf bewogen aber nun bin ich ganz beglückt vom Inhalt.

Ïn einem englischen Küstenort unterhält Mona einen kleinen Laden für Künstlerpuppen. Die hölzernen Figuren stellt ein Tischer aus der Nachbarschaft her. Mona näht die Kleider. Immer wieder treten stille, traurige Frauen in ihr Geschäft. Die Besucherinnen kommen aus einem Gesprächskreis für Mütter totgeborener Kinder, und die meisten kommen widerstrebend. Aber Mona hat eine Gabe: Mit Hilfe der Puppen gelingt es ihr, den Trauernden Wege aus dem Schmerz zu weisen.
Die Arbeit mit den Frauen liegt Mona am Herzen und dafür gibt es einen Grund. Ihre eigene Leidensgeschichte erzählt der Roman parall: der frühe Tod der Mutter in der irischen Heimat, die Auswanderung nach England, eine stürmische Liebe, die freudig begrüßte Schwangerschaft. Und dann jene Nacht, in der Mona alles genommen wird, sie in einen Abgrund stürzt, aus dem es keinen Weg zurück ins Leben zu geben scheint.
Das Schicksal seiner starken Heldin erzählt dieser Roman mit ungeheurer emotionaler Wucht. Aber an keiner Stelle deprimiert die Lektüre, das Buch ist so schön, wie es traurig ist. Eine schmerzvolle Lektüre. Und ein Buch, das tröstet.¨





Draußen sind die Arbeiten der ¨drei alten Männer¨, wie ich sie letztes Mal schon - respektlos :) - nannte, so gut wie abgeschlossen und schon jetzt, auch ohne dass der Regen die Steine ¨sauber gewaschen¨ hat, sieht der driveway sehr viel besser aus. Die Farbmischung der unterschiedlichen kleinen Steine enthält spiegelt die Farben der Natur in ihren braun-grau-Tönen.  


Mein Chat eben mit Martin hat bestätigt, was wir schon die ganze Zeit hier beobachten:  einen großen Touristenschwund! Martin meint, dass der Brexit und die Verunsicherung der Menschen schuld sei. Vor allem die Franzosen blieben weg, aber auch die Briten, für die der Urlaub wegen des schwachen Pfundes zu teuer geworden sei.
Wir hatten auf den Straßen beobachtet, dass sehr viel weniger Wohnmobile unterwegs zu sein scheinen, was uns aufatmen lies und auch Martin bestätigte, dass man - im Prinzip - froh über den Rückgang sei, denn allzu viel Geld hätten gerade die Touristen in ihren fahrbaren Häusern nicht hiergelassen! 
Irland - den Iren!  Das ist auch ein guter Gedanke! Es war längst zuviel und die Insel erstickte im Verkehr. Vielleicht normalisiert sich nun alles wieder - und ein Tourismus, der der Insel dient (mehr Unterstützung der B+B, der lokalen Geschäfte und Restaurants und nicht nur der Pubs am Abend, würde Irland sicherlich gut tun!
Vielleicht ist dies also der einzige Grund, dem Brexit etwas Positives abzugewinnen, aber festlegen möchte ich mich da lieber nicht.
Wir werden sicherlich auch in Doolin von unseren Gastgebern mehr zum Tourismus 2019 erfahren!



12.6.
Die Überraschungen im Wetterwechsel machten sich gestern endlich einmal zum Positiven bemerkbar. Was man morgens noch nicht einmal geahnt hätte - vollzog sich ab mittag:  Sonne und große blaue Flecken am Himmel, die uns sofort in die Liegestühle lockten.
Die Sonne hat eine so starke Intensität, dass man sich ihr nicht allzu lange aussetzen kann und schon gar nicht ohne Kleidung :)


Wir beschließen zur Quelle zu fahren - also nach Ballynahinch und einen der Wege durch den neu struktuierten Park zu gehen.
Wenn man bedenkt, dass Ballynahinch zu den traditionsreichsten und idyllischsten Fliegenfischer-Reservaten Europas gehört, dann hat es doch jedes Mal etwas Erhebendes, dort ein- und aus zu gehen. Trotz der edlen Ausstattung prunkt das Haus nicht und verlangt von seinen Gästen keine edle Ausstaffierung. Die Gummihosen werden an der Garderobe aufgehängt und dort steht eine lange Reihe von Gummistiefeln in allen Größen!

Wieder erleben wir den Pub leer und diesmal kommt uns ein junger Mann mit leuchtend rotem - hoch gestylten - Haarschopf entgegen. Ein strahlendes Lächeln - einstudiert, aber nicht unangenehm :)
Die Scones lassen wir zurückgehen, denn sie sind vom Vortag und so klein, dass die Portion an Butter und Cream geradezu zum Lachen zwingt. Auch wenn Wally uns vor 2 Tagen sagte, dass Iren sich grundsätzlich in Restaurants nicht beschweren, hinterher aber umso mehr über alles herziehen, beschließen wir, wenig ¨ irisch¨ zu sein und die neuen Scones sind zwar nicht größer, aber frischer!
Bei ¨Schloßpreisen¨ sollte man Qualität und Frische erwarten dürfen.
Beim Bezahlen fragt uns der freundliche Kellner, der hauptsächlich damit beschäftigt war, die Stühle immer wieder in Position zu rücken und sich nebenbei die Artefakte (meist riesige Fische hinter Glas) und historische Bilder und verstaubte Fangbücher, die die Daten von Rekordlachsen und Fängern dokumetieren, von einem Kollegen erklären zu lassen, ob alles okay gewesen sei und woher wir kämen. ¨Germany¨ - Oh, I was in Berlin for a while¨...
Ja, das geschieht hier einfach ständig. Und auf unsere Frage, wo in Berlin er gelebt hat antwortete er - ziemlich bescheiden nebenbei in fast akzentfreiem Deutsch (!) - dass er ein Praktikum im Hotel ADLON gemacht habe. Die Zeit in Berlin sei wunderbar gewesen, aber für sein Praktikum in einem so riesigen Hotel zu kurz.  Ballynahinch sei - in seiner Überschaubarkeit - für ihn besser und er fühle sich sehr wohl! Und was wir gelernt haben:
¨Never laugh about someones haircut¨... Darunter kann ein sehr kluger Kopf stecken .)

Der Pub füllt sich und wir treten den ¨River Walk¨ an, den wir vor langer Zeit, in einem anderen Leben, mit Florian gegangen sind.
1996, zu Hans' Geburtstag und Florian war knapp ein Jahr in Irland.Er hatte uns in Shannon am Flughafen abgeholt und wir starteten eine Rundreise mit ihm. Unvergessliche Tage, die in der Rückschau sehr schmerzen und zugleich Dankbarkeit auslösen.

Ballynahinch
                                                                Clifden 


Es gab dieses Leben und es gibt sie, diese Bilder, die nicht verlorengehen. Mal sind sie schemenhaft, mal ganz deutlich und dieser Spaziergang mit Blick auf das Schloß entlang des Flusses, gehört zu diesen unvergessbaren Momenten. Unser Blick zum Himmel:  eine große Wolke in Federform sieht im Blau und die Sonne schickt ein gleissendes Licht auf uns herab...Sie sind nie weit weg....

Der Weg ist inzwischen ein kleiner (2,3 km langer) Rundweg, der in dem neu angelegten kleinen Park des Schlosses,dem "Walled  Garden",  endet.  Hier blüht es üppig in allen Farben und großzügig aufgestellte Bänke und hübsche Eisenstühle lassen uns in der Sonne sitzen und die Gedanken fliegen zu lassen.  Ich fühle, dass ich vielleicht erst an diesem Tag wirklich angekommen bin... Und dass es der Tag ist, an dem ich Florian deutlicher als bisher spüre. 

Bei der Quelle erhalte ich kleine Video-Filme von Zoubi, die einen sintflutartigen Regen im Garten dokumentieren.. Unwetter über Berlin, die sich nun häufen. In den Nachrichten lasen wir über den Ausnahmezustand aufgrund einer völlig überspülten Autobahn und an anderer Stelle unterspülten Durchgangsstraßen. Einen kleinen Einblick gaben diese Bilder über die Wucht der Unwetter. Gut, dass er dort ist und M. nicht alleine. Über skipe sprechen wir kurz und er beruhigt uns - wie immer.  ¨Macht euch keine Sorgen!  Alles ist gut, ich schaffe das¨. Und wir vertrauen seinen Worten!

Hans steigt mit seinen Kanistern mit frischem Quellwasser den Einstieg, den ich lieber nicht mache, hoch und man sieht ihm die Freude über diese neue Entdeckdung sichtlich an: Es ist eine wirklich große Bereicherung, weil das Wasser unvergleichlich klar ist und so rein auch schmeckt!

Es ist schon fast Abend und dennoch beschließen wir, da die Sonne noch immer hoch steht und uns lockt, draußen zu bleiben, zum ¨Stoning¨ an den Strand jenseits der ¨Sky Road¨ zu fahren.
Eyrephort Beach ist sein Name. Von hier sieht man auf zwei Inseln, die mit Ferienhäusern (wie wir annehmen) leicht besiedelt sind, schauen. Nur einmal sahen wir ein Boot, dass Menschen auf transportierte.
Während Hans einige Eimer der schönen, runden Steine schürft, laufe ich ein wenig an der Küste entlang. Eine schöne Abendstimmung umgibt mich und eine tiefe Dankbarkeit, hier sein zu können.

In Ballyconneely beschließen wir, sollte es Muscheln geben, das Abendessen dorthin zu verlagern. Es ist schon 19 Uhr und wir sind ein wenig müde vom vielen Schauen und Erleben.
Als wir Keoghs betreten ist der Geräuschpegel des Pubs unterlegt mit dem ¨Song for Ireland¨ ...  Wir schauen uns nur an!

Nun scheint die Magie Irlands wieder zu wirken und wir lassen geschehen, was geschieht.. Denn, als wir gehen durchdringt leise den angestiegenen Lärmpegel ¨the voyage¨ von Christie Moore.

Ein song von Florian, der vielleicht Pate stand für seine Metapher ¨life is an ocean and love is a boat¨, die sich immer wieder durch seine wundervoll poetischen Briefe zieht.... ¨When we started the voyage there was just me and you...¨ Die Leerstelle im Herzen schmerzt...


¨Together we're in this relationshop
We built it  with care to last the whole trip
Our true destinations's not markded on any charts
We're navigating to the shores of the heart¨....

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