Freitag, 11. September 2009

Stairway to heaven



Dieser Moment, irischen Boden zu betreten, bleibt wohl immer ein besonders schwerer: Florian... Er begleitet uns schon, seit wir eingecheckt haben - Iren um uns - diese unvergleichliche Sprache, die wie ein Schlüssel ist zu einem Tor in meinem Herzen und indem ich dieses Tor öffne, öffne ich mich für all die Gefühle, die mit Florians Irland verbunden sind.

In Dublin kennen wir uns zwischenzeitlich gut aus und den Weg nach Rathmines und zum Grosvenor Square finden wir gut.
Die Schwere, die sich auf mein Herz gelegt hat, seit wir irischen Boden betraten, breitet sich über meine Seele und den ganzen Körper aus: Zentner scheint der Koffer zu wiegen, als wir die Gänge zum Ausgang laufen. "Nein, Florian wird dort nicht stehen, wieder wird nicht da sein, um uns zu begrüßen: nie mehr werden wir ihn dort strahlend stehen sehen und als ich die Gesichter sehe, die hinter der Absperrung erwartungsvoll und suchend in die Ankommenden blicken, schießen mir die Tränen aus den Augen. Hans-Jürgen legt tröstend seinen Arm um mich und ich sehe an seinem Blick, wie schwer dieser Augenblick auch für ihn ist.

Und dann stehen wir vor dem Haus, in dem Florian und Eimear lebten und hier betreten wir Schicksalserde.
Ich wickle meine mitgebrachte Rose aus der Plastikfolie. Sie hat ein wenig gelitten, ist aber noch immer sehr schön.
"Unit 4" war Florians Apt. und als wir uns entschließen, doch auf der Treppe sitzen zu wollen, klinge ich dort. Weder hier noch in den anderen Apt. scheint jemand da zu sein und erst bei Nr. 9 fragt eine Frauenstimme, wer wir sind und auf meine Bitte, uns zu öffnen, kommt sie persönlich an die Tür uns läßt uns - ohne Rückfragen - ein.
Was für ein Moment, vor der Treppe zu stehen, dem Ort, der so viel Schmerz, so viel Leid über unser Leben brachte.
Ich weiß nicht, wie oft wir nun schon hier waren, aber etwas ist anders dieses Mal:
2007 habe ich an der Fußleiste auf dem Absatz, auf dem Florian starb, mit goldenen Buchstaben "FLORIAN 1.7.2000" angebracht und als ich sehe, dass dieses kleine, fast nicht erkennbare Gedenken nicht entfernt wurde, breche ich in Schluchzen aus und alle Anspannung und aller Schmerz, den ich spüre, seit ich endlich wieder in Dublin bin, bricht sich Bahn. Fassungslos sitze ich auf der Treppe und alle Zeit, die zwischen dem 1. Juli 2000 und heute liegt, scheint zu schwinden, zu schmelzen und vor mir auf dem roten Teppich sehe ich meinen sterbenden Sohn liegen.
Wie soll ich nur beschreiben, was in mir geschieht? Es gibt keine Worte, die es auszudrücken vermögen und ich greife in meiner Kapitulation vor der Sprache zu meinem Gebet.

Zugleich, trotz dieser ohnmächtigen Verzweiflung, dass Schicksal nicht aufzuhalten ist, spüre ich eine tiefe Dankbarkeit, diesen Ort zu haben, an den ich immer wieder zurückkehren kann.

Ich hinterlasse meine Rose und ein laminiertes Foto von Florians Grab und an Hans-Jürgens Hans verlasse ich das Haus.
So sehr dieser Ort eine unauslöschliche Besonderheit hat, ist jede Reise, die wir seit Florians Tod unternehmen, so etwas wie eine Pilgerreise der Emotionen, Eindrücke, Gedanken, in innerer Begleitung von Florian, der sein neues Heim in uns bezogen hat.
Liebe ist für uns Vielfalt im Empfinden, im Betrachten, in jedem Augenblick, in den Weiten der Landschaften, der Horizonte und auf Treppenstufen, die Florians Namen tragen.

Es ist uns aufgelegt ein flüchtig Schweifen
und Abschied ungewollt und Liebesferne
Und Sehnsucht und ein letztes Nichtbegreifen
im Angesicht des Todes und der Sterne
Louise Kaschnitz

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