Reise-, Erlebnis-, Gedanken- und Herz-Tagebuch einiger Irland-Urlaube und ein happy-end, wie wir es uns nie schöner hätten erträumen können: das School House in Connemara - a home in Ireland :)
All night our room was outer-walled with rain.
Drops fell and flattened on the tin roof,
And rang like little disks of metal.
Ping!—Ping!—and there was not a pin-point of silence between
them.
The rain rattled and clashed,
And the slats of the shutters danced and glittered.
But to me the darkness was red-gold and crocus-colored
With your brightness,
And the words you whispered to me
Sprang up and flamed—orange torches against the rain.
Torches against the wall of cool, silver rain!
Amy
Lowell, 1874 - 1925
21. September
...You have to look at it from the bright side...das muß man sich
immer wieder einmal ins Gedächtnis holen, vor allem dann, wenn man
den vierten Tag ohne Heizung ist - unddas Wetter nicht gerade sehr unterstützend.Heute scheint die Sonne endlich, aber das
Haus ist sehr ausgekühlt und noch ist niemand gekommen!
Der andere, passende Satz dieser Tage
ist.... ¨you have to make the best out of it...¨ und daran haben wir uns gehalten.
Freitag nutzten wir zu einem Ausflug
nach Clifden, um auch Astrid etwas vom ¨ Arts Festival¨ zu zeigen. Die ganze Stadt verwandelt sich in ein Museum, denn in jedem Geschäft, Büro, Restaurant, Café oder Pub wird Kunst gezeigt! Ein wunderbares Ereignis Ende September!
Mit Astrid lassen sich die Tage auch schön "vertrödeln". Sie kommt immerhin auch zur Erholung ihrer anstrenden Arbeit in Camphill.. Die Geschwister machen einen Regenspaziergang zum Strand, ich habe Zeit zum Schreiben...
Samstag beschlossen wir, der sich
ausbreitenden Kälte
im Haus zu entfliehen und einen Ausflugnach Letterfrack und Renvyle
zu unternehmen.In Letterfrack möchten wir uns
auf die Suche nach dem Friedhof der ¨ Kinder von Letterfrack¨ machen und
Astrid möchte
auf alten Spuren, den Strand in Renvyle finden, an dem sie vor Jahren Urlaub
machte.
Obwohl das Wetter nicht sonnig
ist,genießen wir die
einsame Straße
durch die Boglandschaft, die heute in düsteren Brauntönen eine ganz
eigene Schönheit
entfaltet...
Hier sind wir zu Hause :)
In Letterfrack essen wir eine heiße Suppe,
Hans-Jürgen
endlich die Austern, die beim letzten Mal hier noch nicht geliefert waren und
dann pflücken
wir drei uns eine Hand voller Montpretien und steigen die Straße hoch zum
versteckt liegenden Friedhof....Die Schule hieß: "St. Joseph Industrial School Letterfrack" und bestand von 1887 und erst 1974 wurde sie geschlossen!
Wir wissen nicht, ob dieser Ort
bereits von der Kirche / dem Internat damals als Friedhof diente, oder ob er später als
Friedhof und Gedenkstätte angelegt worden ist.Verwunschen ist der Laubwaldund dann steht man vor einem Gittertor an dem
zwei Texte auf Tafeln an die erinnern, die hier liegen.
Man fühlt sich wie
in eine Wolke von Trauer und Entsetzen gehüllt, wenn man
diesen kühlen,
feuchten Ort betritt. In zwei Quadraten, von grauen niedrigen Mauern eingefasst
liegen in geraden Reihen vielleicht 80-100 Grabstätten.Herzen, auf denen die Namen und das Alter der
Jungen notiert ist, die hier liegen. Sicher sind es nicht ihreursprünglichen Gräber, denn
viele werden überhaupt
kein Grab bekommen haben, sondern in der Erde verscharrt worden sein.
Man hatte sie mißbraucht, gequält, gedemütigt und
ermordet! Es gehört dieser Ort zu den finstersten Kapiteln irischer (katholischer) Geschichte und man fragt sich immer wieder, wie all dies geschehen konnte... Für uns ist es wichtig, uns auch die Schattenseiten der geliebten Insel anzuschauen. Alles gehört zusammen...LICHT UND SCHATTEN! Und vielleicht ist das Eine so hell - weil das Andere so dunkel war... Ich weiß es nicht!
“Many of these brothers should be presumed to be
practitioners of the dark arts. Only the devil could have been inspired to
inflict such miseries on defenceless waifs; only darkness have conspired a whole
community to turn aside from the wailing of hundreds of children through those
dark decades of its existence. Some of the dreadful scenes are reminiscent of
the scenes depicted in medieval tapestries in which the excesses of hell are
defined.”
Einer der Schüler, Micky Finn, hat ein Buch über sein Grauen aus dieser Zeit geschrieben, aus dem das Zitat stammt....
Wir gehen - jeder für sich -
schweigend durch diese Grabreihen und legen an jedem der Herzsteine eine Blume
nieder... Sie reichen nicht aus und das schmerzt! Ich möchteam liebsten auf jedes Grab einen Strauß leuchtend schöner Blumen
legen. Wir lesen die Namen - jeder steht für ein Leben,
das - meist im Alter zwischen 10 und 16 endete.. Es waren Jungen ohne Eltern, solche,
die freiwillig durch die Eltern abgegeben wurden - alle in der Hoffnung, hier
einen besseren und sicheren Platz im Raum der Kirche zu haben. Es ist
unvorstellbar, was hier geschah und nichts auf der Welt kann dies ¨ erklären¨.. Hier zu
sein ist, als würde
man - tief in sich - die Schreie dieser Kinder hören.Es bricht einem fast das Herz.
The Gloaming - Saoirse
Nach diesem Besuch fällt es schwer,
zur Normalität
zurück
zu finden.Wir machen uns nach einem
Cappucchino - auf nach Renvyle und dort am Strand spüre ich, den
verlassenen Ort noch immer in mir;während Astrid
im eiskalten Wasser schwimmt laufen wir ein Stück entlang der
Küste.
Die Ebbe gibt eine kleine Insel frei.. Ich fühle mich müde und meine
Beine sind schwer...
Astrid kocht hier für uns. Sie hat
eine große
Zucchini aus dem Garten mitgebracht, die sie gefüllt in die
Backröhre
schiebt. Am Torffeuer und Dank des Heizlüfters sind Küche und
Wohnzimmer warm und die Heizdecken können heute wieder die gewohnte Wärme im Bett
verbreiten!
Da Wochenende ist, werden wir noch
weiter auf Joe warten müssen....
Ich gehe früher zu Bett
und überlasse
denrestlichen Abend den Geschwistern,
die sich ja selten genug sehenund die
das Thema gemeinsame Kindheit aufgegriffen haben....
In der Nacht stürmt es und es
beginnt, heftig zu regnen.... Und es regnet den gesamten Sonntag weiter... Es
gibt nicht viel, was wir unternehmen können.
Die Küche ist mit
dem kleinen Heizer schnell warm und wir dehnen das gemütliche Frühstück aus. Es ist
wirklich schön
mit Astrid, wir lachen viel, wir erinnern uns oft:Florian lebte immerhin fast vier Jahre bei
und mit ihr in Camphill und sie erzählt uns auf dem Weg von Flannery nach
Hause, dass sie eine der schönsten und größten
Sternschnuppen zusammen mit Florian gesehen habe. Sie saßen im Auto und
redeten. Es gab Probleme in beider Leben und sie nutzten diesen Moment der
Stille, um sich auszutauschen... Und da fiel diese riesige Sternschnuppe vom
Himmel. ¨Sie
hatten einen richtigen Schweif - fast wie Sternschnuppen auf Bildern gemalt
werden. Ein magischer Augenblick und sie teilten ihn!
Sunday - and still rain!Das Haus ist wirklich kalt inzwischen und der
kleine Heizer wandert von Raum zu Raum, wo er gerade gebraucht wird.Wir schauen ins Programm des ¨ Arts
Festivals¨
und lesen Bill Wheelan and Riverdance und beschließen, um 13 Uhr
in die Christ Church zu fahren, in der Annahme, dort eine Tanzperformance
erleben zu können..
Leider ist es dann doch nur ein Vortrag von Bill Wheelan und der reizt uns
nicht wirklich!
Über
die¨Bog
Road¨fahren wir nach Roundstone und wärmen uns wieder mit einer Suppe auf.. ¨¨It never happens on a Tuesday¨sagt lachend die Eigentümerin, als ich ihr von der
ausgefallenen Heizung im Haus erzähle!
Eine Regenpause nutzen die Geschwister
für
einen Walk zum Strand, der dann doch in einem heftigen Schauer und nassen Köpfen endet..
Ich mache in der Zwischenzeit eine umständliche Haarwäsche mit
warmem Wasser in einer Schüssel, das ich mir über den Kopf
giesse...:)
Gegen 16 Uhr macht sich Astrid auf den
Heimweg. Bis Tipperary braucht sie ca. 4 Stunden. Wir werden uns Weihnahten in
Berlin wiedersehen.
22. September
Ein kleines rotes Auto nähert sich
langsam und zwei noch relativ junge Frauen steigen aus, begrüssen Hans-Jürgen, der im
Garten arbeitet, freundlich und fragen, ob er zur Familie von Susan oder Dennis
gehöre.
Sie erzählen,
dass sie gerade vom ¨Arts festival¨ kommen und
hier im Haus schon mit Susan vor Jahren musiziert hätten und die
Athmosphäre,
die sie um sich verbreitete, sehr genossen hätten. Das Haus
gefällt
ihnen sehr gut, ansehen möchten sie es sich aber nicht, sie
scheinen ein wenig in Eile zu sein.Sie
bemerken auf alle Fälle noch die Herzsteine am Haus, an
die sie sich auch aus der Begegnung mit Susan und Dennis erinnern. Daran knüpft HJ an und
erzählt,
dass diese Steine auch für uns eine wichtige Bedeutung hatten,
als wir uns diesem Haus näherten!
23. September
Wieder einmal warten wir!Gestern waren es Fechine und Eric. Fechine
kam tatsächlich
und brachte den Bauschaum, um das Loch im Badezimmer zu schließen!Eric, der uns eine neue, groößere Wandheizung einbauen soll, vertröstete uns auf
den Abend und lies nichts mehr von sich hören.. Jetzt
wollte er eigentlich längst da sein.. Aber so ist es.. Wir
erinnern uns an eine der ersten Verabredungen mit Bridgit, die um 11 Uhr sein
sollte - und schließlich gegen abend stattfand!Bridgit und Martina haben sich für heute Abend
angemeldet, um die letzten Dinge mit uns zu klären, die fürimmerhin noch 5 Vermietungen bis November, offen
sind. Dann endet unser Arbeitsverhältnis.
Der gestrige Sonnentag hat uns für die kühlen, nassen
Tage voll entschädigt.Nach einer Nacht mit einem Sternenhimmel, wie ich ihn selten schöner gesehen
habe, weckte uns die Sonne durch die Vorhänge...und
endlich wieder Fühstück im ¨Sunroom¨. Das war
diesmal nicht sehr oft möglich und das Frühstück im Garten
wurde durch die Midges vereitelt. Wäschetag!Wir amüsieren uns über die
Begeisterung an der Wäschespinne, die noch immer anhält und als sie
sich dann voll beladen im Wind dreht - sind alle Bedenken gegen sie einfach und
für
immer ausgeräumt.
Das Wetter schlägt Kapriolen..
Wir liegen in den Liegestühlen im¨Swimmingpool¨ und mit einem
Mal setzt ein ganz feiner Regen ein... Man spürt ihn kaum,
sieht ihn aber, wenn man gegen das Licht schaut und liegt man lange genug
darin, wird man auch naß :)Am Himmel ist keine einzige Wolke zu sehen ....blue sky and soft rain!Das gibt es mit Sicherheit auch nur hier!
Wir schauen den wunderbaren
Wolkenspielen zu:¨Schau mal, ein
Hase¨
- ¨
Dort, ein Schaf¨
- Ïch
hätte
es für
den Berliner Bären
gehalten¨...
Einfach ein Schauspiel, an dem man sich nicht sattsehen kann - von den vielen
Herzen am Himmel völlig abgesehen.Wenn es wirklich HERZTAGE IN IRLANDim wahrsten Sinne des Wortes gab, dann waren
es diese Tage jetzt im September! Und die "Dramatik" am Himmel ist einfach nicht zu überbieten!!!
Auch auf unserem Weg später in den
bog, wo wir noch einmal Brennholz sammeln und zwischen Schafen mit wunderschönen Blicken
die Weite dieser Landschaft genießen, trete ich unentwegt auf Herzen,
die diesen Weg zu pflastern scheinen.
Ich denke gar nicht, dass ich für diese Zeit
eine Art ¨Entschädigung¨ brauche... Es
sieht fast so aus, als wäre ¨jemand¨ dieser
Meinung..Es war alles etwas anders als
wir es bisher erlebt haben.. Aber es war nicht schlechter oder besser.Esist
eine andere Zeit, in der wir seit einigen Wochen/Monaten leben. Und ich konnte
nicht so tun, als würde mich das hier nichts mehr angehen.
Ich war öfter
in den Nachrichten, ich las mehr zu dem, was in Deutschland - aber auch in
Europa mit den Tausenden von Flüchtlingen geschieht, die sich - hauptsächlich aus
Syrien, wo der Krieg nach wie vor tobt, aufmachen in eine sichere Zukunft.Die Bilder und Berichte treiben mir immer
wieder Tränen
in die Augen und manchmal ist mein Herz auch hier in aller Schönheit
schwer.Vielleicht macht mich dies alles
noch dankbarer, einen so absolut friedvollen Ort zu haben, an den wir immer
wieder Mut und Kraft sammeln können.
Bild: Jimmy Lawlor
...."Hier in Irland, wo Eleganz,
perfekte Esthetisierung und Stilsicherheit vollends fehlen, dominieren andere
Werte:Improvisation, Authentizität,
Dreiviertelperfektion und die Gelassenheit" (Markus Bäuchle, 111 Gründe Irland zu
lieben)
Inzwischen ist Eric da und damit beschäftigt, die
neue Wandheizung einzubauen. Wir hoffen sehr, dass nun alles klappt, nachdem er
mit falsch gelieferten Teilen gerade noch einmal nach Clifden fahren mußte :)Die ¨Dreiviertelperfektion¨(ein so wundervoller Begriff und so
unglaublich passend für unsere Erfahrungen)hat bereits zugeschlagen. Nun müßte eigentlich
doch einmal alles erfolgreich verlaufen!
Wir sind bereits beim Einräumen und damit
beginnt die Abschiedsstimmung. Meine Weihnachtsgeschenke für Hans-Jürgen, die ich
hätte
hierlassen können,
werden nun mitgenommen (wir werden - entgegen unserer Absicht, erst im März wiederkommen) und ich sehe diesem Fest, das mir im letzten Jahr so
sehr das Herz brach, etwas gelassener entgegen.Wir müssen
neue Rituale finden, auch in Berlin. Weihnachten, so,wie andere Weihnachten
feiern, ist für
uns ausgeschlossen.Im Moment denken
wir, dass Hans-Jürgen in der Familie seines Sohnes mit
den Enkelkindern feiern sollte und ich alleine bleibe. Ich gaube, es geht mir
besser, wenn ich mit dem Schmerz, den Erinnerungen, der Wehmut und Sehnsucht
alleine bin.Ich kann Florians Briefe
lesen - ich kann den Abend aber auch einfach auszulassen versuchen - ihn überspringen,einen Abend wie jeder andere Abend zu sein
lassen versuchen... Wer werden sehen!Es
ist immer ein Experiment- wie dieses Leben zum Experiment wurde: die
Verwaltung der Abwesenheit von Florian!
..."As
the day ends I sit on the hill, watching the sun set in
the sky. I'm in the warm breeze and close my eyes reflecting,
proud I made it through another day unharmed I sigh, content
smiling. I open my eyes and find myself amongst the stars ..." - Humming Bird -