1. Juni 2017
Die Bucht vor mir ist heute grau verhangen,
das Gegenüber nur schemenhaft auszumachen.
Ein Tag, wie gemacht zum Schreiben.
Dass dies hier der Ort ist, an dem ¨ alles
möglich ist¨, hat sich gestern erwiesen.
Aber der Reihe nach.
Längst sind wir eingetaucht in unser
irisches Leben und maßgeblich Anteil daran haben nicht nur die Natur, sondern auch die
Begegnungen mit den Menschen, die hier leben.
Astrid hat uns einige Tage besucht und sie
bringt ihren Alltag mit. Ihre Sorge um die Zukunft von Camphill, die
Verschärfungen der Situation in diesem sozialen Bereich, bis hin zur Schließung
eines der größten Camphill Plätze in ihrer Nähe ( Balitoben). Aufruhr, Verrat, jeder versucht, seine Haut
zu retten - aber auch eine große Solidarität und - wie es aussieht - ist das letzte
Wort über die Zukunft des Platzes noch nicht gefallen.
Aber da ist auch viel
Lachen, Nähe und viel Freude und vor allem sind die Spaziergänge am Meer. Astrid und der Atlantik: fast eine Symbiose. Sie hält es nur einige
Stunden hier aus, ohne ....¨ eben mal
schnell mit dem Rad an den Strand¨ zu fahren, um im eiskalten Wasser ihr Glück
zu finden! Man kann es schwer verstehen,
wenn wir es kaum aushalten, mit den Füßen am Strand in den auslaufenden Wellen
über dem erwärmten Sand, zu gehen..
Die Frühstücke im Sunroom oder dem "Swimmingpool" (das Wetter hat uns mit viel Sonne
überrascht, denn es war ¨schlechter¨ vorhergesagt) werden länger und
ausgedehnter, so auch die Abende am Torffeuer. Ich lasse die Geschwister
irgendwann gerne auch alleine. Mich
zieht es ins Bett, ich fühle mich doch durch die Antibiotika etwas geschwächt
und die Nächte sind schlecht!
Es sieht aber so aus, als wäre ich auf dem
Weg der Heilung!! Die Antibiotika, die mir aus Berlin sofort geschickt wurden,
sind bis heute nicht angekommen.... Wie gut, dass ich sofort zum Arzt gegangen
bin! Meine Ergebnisse werde ich gleich
mal telefonisch erfragen... Wenigstens im Nachhinein weiß ich dann, ob
Entzündungwerte hoch waren :) Was für
ein Witz!
Seit Tagen ist es wieder stiller im Haus
und wir sind viel im Garten! Es ist die
Zeit der Margariten und eine riesige Freude, sie nun aufgehen und blühen zu
sehen: weiße Inseln im Gras!
Die Buchsbäume scheinen sich - sehr langsam
- zu erholen und wir hoffen, sie gerettet zu haben. Die Strandrosen blühen
üppig. Man kann ihnen förmlich beim Wachsen und Blühen zusehen und der Duft
hängt in der Luft, wenn es einmal windstill ist.
Wir beschliessen, uns bei Eamon, dem Bruder
von Bridgit, der uns sehr geholfen hat beim letzten Mal, die Türen wind- und
wasserdicht zu machen, noch einmal zu bedanken.
Seine Eltern leben gegenüber des cottages in Murvey, in dem wir unser
Ausweichquartier hatten, bevor das School House beziehbar war.
Wir möchten Eeamons Mutter fragen, womit
wir ihm eine Freude machen können, da wir Bridgit nicht erreicht haben. Murvey
liegt jenseits der Bucht, an der Claudia und Paul leben - Dolan.
Wir treffen Eamens Mutter vor dem Haus an.
Sie reißt Unkraut aus den Steinen und steht mit sandigen Händen vor uns. ¨Oh yes, I remember you - but I forgot your names¨. Sie
denkt einen Moment über unsere Frage nach:
nein, keinen Whiskey, so etwas trinkt er nur als Medizin, Wein auch nicht
- aber er sei leidenschaftlicher Angler!
Sie macht uns darauf aufmerksam, dass
Linda, der ¨Mikes Cottage¨ gegenüber gehört, zur Zeit in ihrem Haus -direkt über dem Meer und nur einen Steinwurf
entfernt - zu erreichen sei und dass sie
sich sicher über einen kurzen Besuch freuen würde. Wir wollten uns seit Jahren treffen und machen wir uns auf, den steilen Weg hinab zur
Küste zu fahren. Malerisch, wunderschön liegen ihre beiden Häuser hier
zusammen. Eines wohl ein Ferienhaus für
die Familie.
Uns empfängt ein großer, freundlicher Hund,
der sich einen vor der Tür stehenden Wanderschuh schnappt und ihn mit dem
Schwanz wedelnd zu uns trägt, als wir - etwas vorsichtig - das Auto verlassen!
Die Hund hier sind - überwiegend - so
freundlich, wie die Menschen, haben wir in den Jahren erfahren und unsere
(griechische!) Phobie weitgehend abgebaut!
In der Tür erscheint eine zerzauste,
rundliche Frau, auch ihre Hände voller
Sand und die Knieschoner lassen darauf
schließen, dass auch sie im Garten gearbeitet hat. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, aber
dieser Anblick war es sicher nicht. Ich weiß, dass Sie und ihr Mann zu den sehr
wohlhabenden Menschen hier gehören, dass sie neben den 3 Häusern über viel Land
verfügen und in Dublin leben. Aber wir
sind nicht in Deutschland, wir sind in Irland und als wir uns vorgestellt
haben, öffnen sich ihre Arme zu einer herzlichem Willkommen.
Ihr Mann erscheint hinter ihr im Haus: ein großer, uns ebenfalls überaus freundlich
begrüßender Mann, dessen auffallend rotes Gesicht auf hohen Blutdruck schließen läßt.
Dann sitzen wir plaudernd am rieisgen Tich,
den Eamon für sie gebaut hat! Die Blicke
aus dem Fenster sind überwältigend: nur
der Nutzgarten, den sie liebevoll angelegt haben und der der perfekteste ist,
den wir Irland bisher gesehen haben, einige Wiesen und dann die Felsen trennen
sie vom Atlantik. Ein ganz anderer Blick
als hier - denn sie haben keine Bucht vor sich, sondern sind direkt mit ihm
verbunden... Wir haben diesen Blick aus dem Cottage sehr genossen und uns auch
die Küste um die Häuser angesehen. Sehr
rau, sehr wild - sehr irisch!
Wir bleiben kurz, er ist auf dem Sprung
zurück nach Dublin, aber wir verabreden uns für einen unserer nächsten Besuche
hier zum Essen - bei uns oder bei ihnen!
In Clifden machen wir uns dann am nächsten
Tag auf die Suche dem Geschenk und - da wir selbst keine Ahnung vom Fischen
haben - fragen wir in der Fachabteilung des Wollladens nach.
¨Oh, there is a wide range of flies. You should now if the person is
fishing or angling¨...
Ja, wir erinnern uns, dass Eamon seiner
Leidenschaft sprache, in den Seen oder den Bächen im Bog zu angeln. Wir fragen
einfach einmal, ob er Eamon vielleicht kenne - und als wir seinen Nachnamen
sagen, geht ein Lachen über das Gesicht des Verkäufers. ¨ Of course we know him. He was just in buying flies¨
- ¨He loves very special ones...¨ und
er beginnt, in winzigen Schubladen die voller bunter Fliegen sind, zu kramen...
Schließlich sucht er uns einige zusammen, von denen er sicher ist, dass Eamen
sie gut einsetzen kann!
Ich lese viel: ¨Spaziergang am Meer¨ (Joan Andersoen) ist
ein Buch, das - irgendwie - sehr gut in diese Lebenszeit paßt und das mich sehr
fasziniert.. Ich nutze hier auch einige Zitate daraus.
Inhalt:
Die
Geschichte eines Aufbruchs und einer wunderbaren Freundschaft.
In
ihrem ersten Buch ›Ein Jahr am Meer‹ schilderte Joan Anderson nachdenklich,
ehrlich und mit Humor ihre Auszeit von Alltag und Ehe. Hier nun erzählt sie die
Geschichte einer außergewöhnlichen Freundschaft.
Zufällig
macht sie bei einem Spaziergang am Strand von Cape Cod die Bekanntschaft der
94-jährigen Joan Erikson, Ehefrau des berühmten Psychoanalytikers Erik Erikson.
Während Joan Anderson sich für eine Weile bewusst von ihrem Mann zurückgezogen
hat, genießt Joan Erikson die ihr verbleibende Zeit an der Seite ihres
Partners, der, wie sie weiß, nicht mehr lange leben wird.
Die
beiden so unterschiedlichen und doch durch tiefe Empathie verbundenen Frauen
reden über ihr Leben, sprechen über ihre Wünsche, Hoffnungen, Bedürfnisse. Joan
Erikson, die mehr vom Handeln als von weisen Ratschlägen hält, gibt viel von
ihrer Lebensklugheit weiter, wird mehr und mehr zur spirituellen Mentorin. Sie
erinnert Anderson daran, wie wichtig es ist, nicht stehen zu bleiben, sondern
ein Leben lang bereit zu sein, zu lernen, zu wachsen, sich zu verändern, offen
zu sein für alles, was das Leben so bringt und vor allem, sich eine
spielerische Herangehensweise an die Herausforderungen des Lebens zu bewahren.
Berlin ist dieses Mal präsenter als
sonst. Zoubi unser syrischer junger
Freund ist seit einigen Tagen im Haus und
ausgerechnet ihm widerfährt das große Unwetter nach glühend heißen Tagen
in Deutschland.
Von unserer Weide sind einige große Äste
abgebrochen und in dem Beet am Wasser gelandet und er war zunächst etwas
verzweifelt und wir mußten ihn über lange Telefonate einweisen in Dinge wie die
¨Kettensäge¨ und anderes Gartengerät, was sprachlich im Integrationskurs mit
Sicherheit noch nicht eingeflossen sein wird!
Aber er ist entschlossen, die Schäden
schnellstmöglich zu beseitigen und - als die Säge es nicht mehr tut - wird zur
Handsäge gegriffen und hier kommen die Fotos seiner blutenden Hände an... OMG - poor boy. Aber wir wissen, dass er es
schaffen wird. Unsere liebe Nachbarin
Marianne ¨ kümmert¨ sich auch ein wenig um ihn und unterstützt ihn, wenn er
Hilfe benötigt.
Eine große Herausforderung sicherlich, aber
nur so können wir bekanntlich wachsen!
Dennoch hat uns all dies doch aus den Tagen
hier gerissen und wir zwingen uns, wieder im Hier und Jetzt zu sein. Berlin
kann warten.. Wir sind schnell genug wieder zurück im Alltag.
Für gestern abend hatten wir Claudia + Paul
zum essen eingeladen und uns auf ihren Besuch mit einem Einkauf in Clifden
vorbereitet. Clifden ist noch immer
relativ ruhig, obwohl die Camper sich nun doch wieder auf den Weg gemacht
haben: manchmal fahren sie im Convoy: 4
oder 5 hintereinander... Fast wie ein Straßenzug von kleinen Häusern, wenn wir
im Garten stehen... Irgenwie so absolut unpassend in dieser Landschaft, auf
diesen sehr engen Straßen. Aber es scheint der Trend nicht mehr aufzuhalten
sein - leider!
Sicherlich profitiert Irland mehr denn je
vom Tourismus der sehr angewachsen ist, aber wie eben überall hat dieser ¨Boom¨
seine großen Nachteile. Wir fragen uns,
wohin sich diese vielen Motorhomes z.B. entsorgen. Es gibt nur sehr wenig
Campingplätze, die darauf ausgerichtet sind.
Aber darüber muß Irland sich den Kopf
selbst zerbrechen :)
Diese Fragen verschieben wir - wie die nach
Tagen ohnehin aufgelaufenen - auf den Abend mit den Beiden, die ja informierter
sind als wir.
Wir schrecken am Nachmittag ein wenig von
unseren Liegen auf, als wir Autotüren schlagen hören. Die Post, denke ich
zunächst, aber ein Paar kommt unsicher und vorsichtig durch das Tor auf uns zu,
sich entschuldigend, uns hier zu überfallen.
¨no problem - com in¨ und dann sagt sie: ¨ I am Susans daughter!¨ und uns beiden bleibt vor Überraschung, vor
Erstaunen und gleichzeitig einsetzender großer Berührung, der Mund offenstehen.
Wir hatten uns - wie immer - vorgenommen,
weiter nach unseren Vorgängern im Haus zu recherchieren. Susan + Dennis. Ein wenig mehr wissen wir ja inzwischen, aber
noch haben wir kein vollständiges BIld... Und ich sehe die Ähnlichkeit von Mary
Ann uns Susan sofort!
OMG - das ist wie ein kleiens Wunder und
die Tränen laufen und wir bitten sie ins Haus.
Ich denke - bei ihrem Bestaunen der Zimmer
- natürlich an das Foto von Susan + Dennis, das in der Küche im kitchendresser
steht... Was wird sie sagen, wenn sie es sieht...
Fassungslos steht Mary Ann dann in der
großen Küche, die Hände vor den Mund schlagend..
Vielleicht hätte sie aufgeschluchzt, mir
jedenfalls ist so warm und zugleich eng ums Herz...
Sie ist auf der Suche nach dem irischen
Leben ihrer Mutter - nach dem Leben ihrer Mutter überhaupt, denn sie scheint
zur Adoption freigegeben worden zu sein und in einer anderen Familie in den USA
gelebt zu haben.... Diese Geschichte
werden wir heute erfahren, wenn, denn wir haben sie beide von Herzen
eingeladen, uns heute zu besuchen und ich will in der Zwischenzeit das Tagebuch
von Susan versuchen zurück zu bekommen. Wir haben es der überaus liebenswerten
Nachbarin Nora, die uns auch hier aufsuchte, überlassen. Sie schein eine engere Feundin von Susan zu
sein und wir wollten es in guten Händen wissen...
Nun ist die Tochter da - und somit hat das
Tagebuch seine Bestimmung gefunden...
Als wir uns verabschieden, verspreche ich,
Nora anzurufen. Gegen Abend erreiche ich sie und sie weiß sofort, wer ich bin,
als ich auf das School House verweise.
¨There is annother Gabrielle dowon the road¨, meint sie, aber an meinem
Akzent, müsste sie hören, dass diese es nicht sein kann :) Sie erzählt mir, dass es ihr ziemlich
schlecht gehe, sie einen Herzinfarkt
nach einer
Grippeimpfung bekommen habe und seither
sehr geschwächt sei. Wir sprechen lange
mit einander - wie allte Freundinnen!
Ihr Ton ist so berührend, dass ich um ihre Gesundheit weinen möchte und
sie versichert mir immer wieder, dass wir nun unbedingt im Kontakt bleiben
müssten!! Was für eine rührende,
wundervolle, alte Frau!
Dann spreche ich das Tagebuch an und sie
zögert einen Augenblick. Ja, sie
erinnere sich und sie denkt, dass sie das Tagebuch auch noch habe... Aber wo -
das sei die große Frage!
Ich bitte, sie, sich nicht unter Druck zu
fühlen. Sie haben heute auch noch Zeit und vielleicht würde es ihr über nacht
einfallen :) Ich möchte sie schonen,
schützen, denn ich spüre ihre Fragilität in ihrer Stimme!
Ich werde später nachfragen und am späten
Nachmittag kommen Mary Ann und Paul!
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