Donnerstag, 19. Juni 2014

Diary Juni 2014 - Teil 2



29.5.2014

Ich muß einen Sprung machen, denn was wir im Moment an ¨Wetter-Wunder¨ erleben, muß festgehalten werden, weil ich nicht weiß, wie lange es hält!
Seit Sonntag, Hans-Jürgens Geburtstag, haben wir Sommer! Wir fassen es selbst kaum: Frühstück auf der kleinen, geschützten Terasse hinter dem Haus - und das jeden Morgen. Das hat es in all den vielen Jahren hier noch nie gegeben!  Wie schön, dass wir nun Gartenmöbel haben :)



Das Wetter bringt schafft natürlich auch die Möglichkeit, ausgedehnter Spaziergänge - und wir beschränken uns noch auf unsere nahe Umgebung. Sie ist einfach zauberhaft und so abwechslungsreich und  vielfältig, dass das Gefühl, den Bogen weiter zu spannen, bisher gar nicht aufkommt.

Da die Wiesen einigermaßen trocken sind, versuchen wir uns auch im direkten Zugang vor dem Haus zum Strand, geben aber doch auf.  Das Marschland, völlig verschilft ¨trägt Gelb¨ - wie im vergangenen Jahr. Eine Lilienart, die ich noch ergründen muß. Es ist Land, das - wie das hinter dem Haus zum Maumeen Lake  - zu rein gar nichts zu gebrauchen ist, außer als Weide und wenn es zu naß ist, nicht einmal dazu. Sogar Stellen, die trocken aussehen sind mit Wasser vollgelaufen und es saugt an den Füßen, wenn man drauftritt. 


Einige Tage später wagen wir den Gang zum See hinter dem Haus und vertrauen darauf, dass es etwas trockener ist.. Es ist mühsam, da man jeden Schritt sehr präzise auf die kleinen Grasnarben setzen muß, um die herum das Wasser steht und wir nicht wissen, ob wir dort nicht tiefer einsinken..  Felsen unterbrechen und  wie kleine Inseln, auf die man sich rettet, um den weiteren Weg zu planen... Wir schaffen es, sitzen am Ufer des Sees, den wir meist nur als glitzernd-blauen Flecken im Blick haben und genießen die absolute Stille und Ruhe und Weite des Blicks.
Am anderen Ufer grasen Kühe. 

 
 Dies sind die kleinen magischen Augenblicke in Connemara... Das Verschmelzen mit der Natur, das Wissen um die Größe und Weite und die Unendlichkeit und unser kleines Dasein, ein winziger Ausschnitt im Großen.  Es sind berührende Momente, die wir meist still - jeder für sich - auf uns wirken lassen! 

Das School erscheint wie ein Spielzeughaus am Horizont, aber allein sein Anblick weckt ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit. Es ist uns wirklich Zuhause geworden: our home in Ireland!
John O'Donohue sagt:

¨Das Wort ¨Zuhause¨ besitzt eine wundervolle Klangtiefe.Das Zuhause ist, wo wir hingehören. Es ist unsere Zuflucht und unser Ruheplatz, der Ort, wo wir ¨wir selbst¨ sein können....¨
Aus:  Echo der Seele


So sehr es mich berührt, dass ich (und  immer mehr Menschen um mich herum) von ¨Flori-Land¨ sprechen, so ist es doch so, dass Florian durch uns und angesteckt von unserer Begeisterung von dieser Insel, nach Irland kam - nicht umgekehrt. Dass er selbst so tief eintauchte, dass er selbst Irland zu seiner zweiten ¨Heimat¨ gemacht hat, das konnte zu Beginn seiner Reise niemand wissen und ahnen. Dass Florian aber 2000 zurück kam, um hier an diesem Ort der Welt zu sterben, das hat dieser Insel für uns eine Bedeutung gegeben, die alles andere völlig überstrahlt. Durch dies schreckliche Schicksal ist es mir wie eine Verpflichtung, hier ¨weiterzuleben¨ und Florian durch meine Augen sehen zu lassen, was seinen verwehrt wird. Und dann ist ¨Flori-Land¨ eben auch wundervoll ausgedrückt! 

¨ Ich werde unsere zwanzig Jahre durchgehn, bis
Ich fast den Schluchzer im Verstand erreiche,
Die Wahrheit, die mit ihrer lauten Trauer wartet:
Vernünftig, abgedroschen, völlig unbegreiflich¨...


Schreibt  der schottische Dichter Douglas Dunn in seiner Elegie ¨der klare Tag¨ mit der er den Tod seiner Frau betrauert.  

 Und O'Donohue schreibt:
¨...Unsere Seele kreist friedlos um diesen inneren Tempel, in dem jetzt nicht mehr verbleibt als das traurige Echo des Verlustes....¨

Aber zurück in unsere heutige Realität -IRLANDS:


 Zur anderen Seite liegt unser Strand, der uns erneut hellauf begeistert. Wir haben die Gezeitentabelle in der Küche hängen und  wissen so, wann wir über en Strand zur Insel laufen können, auf der wir die Schafe und Lämmer grasen. Der Name der Insel ist für unsere Ohren sehr ungewöhnlich:  ¨Inishdawros¨ oder gälisch: Inis Damhrai - aber das nur am Rande. Ich denke, dass die meisten hier nicht wissen, wie sie heißt.
Nachdem uns letztes Jahr die an den Strand geschwemmten kunterbunten Schnecken begeisterten, entdecken wir 

dieses Mal Bänke mit Muscheln (Pilgermuscheln). 






Der Strand zieht sich bei Ebbe an der zerklüfteten Küste entlang, an der die Häuser in größeren Abständen aufgereiht sind. Seit dem Sturm im Dezember ahnen wir, dass die - früher sicher sehr begehrte ¨erste Reihe¨ mit Sicherheit sehr gelitten hat (Matthew wird uns später von den wirklich unglaublichen Schäden erzählen) und niemand wird sein Haus wohl noch so dicht an die Küste bauen. 
Die Schäden sind auch noch immer an den Ufern zu sehen. Die Wiese hängt hier und da wie in großen Fetzen unterhöhlt über der Sandwand.  Oder Zaunpfosten, die dort auf der Wiese eine Weise einzäumten, hängen wie große Zahnstocher in der Luft.
Hinterlassen hat das Meer auf der Insel und an der Küste sehr viel Müll, der weitgehend von von freiwilligen Helfern zu Beginn des Jahres eingesammelt wurde.. Leider scheint unsere Insel noch ausgenommen zu sein. So finden wir zwischen Plastik, Tauen und Netzen jedoch auch die bunten ¨Bälle¨ der Fischerboote, die wir nach Hause tragen: maritime Dekoration für den Garten :) 

Mit Astrid erkunden wir einige Strände - vor allem natürlich ¨Dogs Bay¨, der offensichtlich am meisten abbgekommen hat. Sein Ufer ist nun eine Steilküste und die abgebrochene Straße zwingt zu seiner etwas waghalsigen Kletterei über Felsen, um überhaupt an den Strand zu gelangen.
Dennoch: der Anblick dieser Bucht mit ihrem weißen, breiten Sandstrand und dem türkisfarbenen Wasser des Atlantik, der hier in sanften, sich kräuselnden Wellen auf dem Sand ausläuft, ist einfach spektakulär! 
Über das andere Ufer, das ziemlich steil auf die Wiesen führt, lassen wir uns zwischen grasenden Kühen einfach treiben:  es ist ein Blühen und die Füße laufen über einen bunten, weichen Teppich. Das tut dem Rücken gut, der unter der Gartenarbeit sichtlich gelitten hat!


Es weht noch immer ein kühler Wind - aber der Himmel hängt voller Watte und es bahnt sich offenbar noch bessesres Wetter an!
Man kann sich an dieser Schönheit einfach nicht satt sehen.  Kleine weiße Buchten tun sich auf und Astrid ist - auch bei kalten Wassertemperaturen, die unsere Füße kaum ertragen - nicht von einem spontanen Bad abzuhalten!

Ich enttdecke im Ausgang dieser Bucht, die in einem schmalen ¨canyon¨ zur Wiese hin ausläuft, den Kadaver eines Delphins.  Er muß sich hier in diese Enge  verirrt haben und den Rückweg nicht mehr gefunden.  Es ist ein trauriger Anblick.

Gurteen Bay, das ähnlich schwer betroffen war, ist zumindest bevorteilt, in dem die Straße, die zum Friedhof führt, der direkt auf den Strand und das Meer schaut, wiederhergestellt ist.
Es ist auch der einzige Zugang zum Friedhof.
Ich beschließe, dass meinem Rücken dieser Weg heute gereicht hat und Hans-Jürgen holt das Auto, während Astrid noch einmal ins Wasser springt... Wenn ich mir die - ziemlich dick und mit Mützen bekleideteten Spaziergänger am Strand betrachte, so erscheint ihr Bad in doch ziemlich spektakulärem Licht!  Eine Mutter setzt sich mit ihren beiden kleinen Kindern in die Nähe in den Sand. Das Baby, dick vermummelt, ist barfuß und fängt sofort an, mit den Füßchen im Sand zu spielen, während der kleine Bruder seine Förmchen füllt und ¨turtels¨ und ¨horses¨ aus Sand erstellt.... Anblicke wie dieser werfen einen kurzen, schmerzlichen Schatten auf meine Seele..
Was wäre wenn... Florian fehlt!

Der Geburtstag von Hans-Jürgen in Irland erinnert uns natürlich an den, den wir mit Florian 1996 in Ballynahinch verbrachten und wir beschließen, mit Astrid, die ihren Rückweg nach Camphill antreten muß, dort einen Pub-Imbiss zu nehmen.. Imbiß im Pub eines Hotel-Schlosses ist natürlich kein gewöhnlicher... Und wir genießen die Atmosphäre am großen Kamin, in dem riesige Scheite brennen und die gedämpfte Unterhaltung an den anderen Tischen.. Alles ist einfach und niemand scheint von der Schloßatmosphäre zu tief beeindruckt zu sein. Ein Pub eben!
Wunderbar!
Wir sprechen über ¨damals¨, über diese glücklichen Tage mit Florian hier an der Küste. Vielleicht sind wir mit ihm am School House vorbeigefahren. Es ist mir ein tröstlicher Gedanke, dass er dies hier alles gesehen hat!  Er weiß also, wo wir sind!
Dennoch entstehen  hier immer eine Wehmut und eine tiefe Sehnsucht! Nichts ist mehr wie es war. Daran kann und wird sich nichts ändern! 



Ich muss etwas zu dem Platz sagen, an dem ich sitze und schreibe.  Es ist das kleine Zimmer gegenüber dem Eingang. Es hat, wie auch die kleine Halle, die wir ¨porch¨ nennen, den alten Schulhausboden aus kleinen quadratischen, roten Ziegelsteinen. Wir haben sie, soweit es ging, von den Resten der mehrschichtig verklebten Teppiche, befreit, aber die Spuren sind noch sichtbar und sie stören uns nicht.


Ein an der Wand befestigter Tisch und ein erhöhter dazu passender Stuhl, gewähren einen Blick über den Garten, auf die blühenden Felder und Küste. Hier macht sich die Sonne jeden Abend daran, diesen Teil der Erde zu verlassen und an einem anderen aufzugehen. Ein abendliches wundervolles Schauspiel. Die Küste wird in rot und lila getaucht und der Himmel färbt sich und färbt die Berge hinter dem Haus. Was für ein Ort, was für ein Glück, hier zu sein!
Heute grasen auf der Weide gegenüber im unwirtlichen, sumpfigen Gelände die Kühe. Man wundert sich, wie sie es schaffen, nicht mit ihren Beinen stecken zu bleiben.. Wir haben jedenfalls noch keine gesehen, die ¨stuck im bog¨ war.



In dem einfachen cottage gegenüber, das zwischenzeitlich unter den abgetragenen Bergen von Bog zu sehen ist, ist einer der beiden Brüder gestorben. Er  stand oft nebenan auf seiner Wiese mit einer Sense in der Hand, die er jedoch nicht bewegte. Er schien an sie gelehnt und der Blick ging über die Schulter hin zur Straße. Bridgit meinte, er sei auf der Weide mit seinen Kühen umgefallen und an einem Infarkt gestorben. Ein guter Tod, denken wir.


Diese  beiden alten Männer sind nicht die einzigen, die hier alleine in sehr "schlicht" aussehenden, alten Cottages leben. Vor Ballyconneely stoßen wir auch ab und an auf einen Mann, der sichtlich leicht verwirrt auf der Straße auf und ab geht. Sein Cottage steht auf der Meeresseite und in den neben dem Haus stehenden Ruinen grasen die Kühe. Ein sehr malerisches Bild eines sicherlich sehr entbehrungsreichen Lebens.

Durch unseren Kontakt zu Cornelia, die hier sehr lange schon viel Zeit verbringt, aber auch durch Bridgit, die hier in Murvey aufgewachsen ist und alle kennt, erfahren wir über die Menschen, über ihre Leben und Schicksale. Das ist wichtig für uns, um uns nicht zu sehr als ¨Fremdkörper¨ zu fühlen. Sicherlich, wir sind ¨the Germans¨ - aber das sind wir ja auch. Ob wir Iren werden, wage ich doch zu bezweifeln... Aber wäre sehr gerne ¨ irish¨, muß ich gestehen. Ich stelle mir dabei vor, dass die Menschen (zumindest in Europa, in den USA mag das sicher anders sein), immer ein Lächeln in ihre Gesichter bekommen, wenn ich mein Herkunftsland nenne, was man mit Deutschland nicht gerade verbindet. Gut aber, dass die Iren ¨the Germans¨zu mögen scheinen... Haben wir ihnen doch den Weg unter den ¨Rettungsschirm¨, den sie zum Glück wieder verlassen konnten, ¨geebnet¨... 
Und was verbinden die Europäer mit Irland? Meist natürlich ¨Regen¨, ¨Guiness¨, ¨die IRA, Außenposten Europas im Westen..  Nein, man weiß im übrigen Europa noch immer nicht viel von dieser Insel, außer dass sie ¨grün¨ ist und die friedvollsten, nettesten Fußballfans und die am besten streichbare Butter hat :) 


Was diese Insel wirklich zu bieten hat, erfahren die, die sich hierher ¨wagen¨ - weg von den Trampelpfaden und wer den ¨Geist dieser Insel¨ nicht erfasst, der wird mit Sicherheit in seinen Vorurteilen bestätigt!  Wir haben es aufgegeben, Menschen nach Irland zu lotsen, denn wir erleben ¨ unser Irland¨ und sie das ihre... Und das muß keineswegs viel mit einander zu tun haben.

Aber zurück zu den Tagen mit Astrid, denn sie waren der Beginn der Sommertage und um ihr die Küsten hier zu zeigen, fuhren wir auch nach Bunowen. Bunowen ist bekannt wegen einem der sicherlich schönsten Golfplätze. Aber er ist nicht die eigentliche Attraktion, denn diese sind die Strände..ausgedehnt, breit - und wie Dogs Bay mit feinstem weißen Sand und den wundervollen Blautönen des Wassers... Südsee kommt einem in den Sinn und wir sind froh, nicht dort, sondern hier zu sein!
Wir gehen ein langes Stück, die Füße immer wieder im Wasser, das jedoch nicht wärmer zu werden. Immer wieder wird unser Weg durch runde Felsen unterbrochen, über die wir klettern, oder kleine Trampelpfade führen hindurch.. In den Felsspalten wachsen, wie überall, kleine rosafarbene Blümchen. Sie bezaubern den Blick. Aus dem Nichts wächst so viel Schönheit! 




Auf dem Rückweg stehen die Strahlen der Sonne fast waagrecht, so tief ist sie bereits hinter dem Horizont. Sie taucht alles in ein goldenes Licht, in dem jeder einzelne Gashalm zu leuchten scheint. Selbst die Steinmauern sehen so aus, als seien sie aus wertvollem Material.
Das ganz besondere Licht Connemaras!


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