Donnerstag, 19. Juni 2014

Diary Juni 2014 - Teil 3



30.5.2014

Ich wünschte, ich könnte die Tage nun festhalten und doch verstreichen sie, wenngleich nicht so schnell wie in Berlin.  Sie sind angefüllt mit Schönheit, mit vielen unterschiedlichen Gefühlen und noch gleicht kein Tag dem anderen.


Auch heute hat uns die Sonne schon recht früh aus dem Bett geholt. Wir fassen es nicht und freuen uns wie Kinder!  Wieder Frühstück auf der kleinen Terrasse, aus deren Fugen jetzt Margeriten und Frauenmantel wächst.  Hier darf so vieles wachsen, was wir zu Hause wohl als Unkraut entfernen würden.. 
Mein Rücken macht mir leider noch immer sehr zu schaffen und gestern haben wir in Clifden die nächsten Wärmepflaster gekauft... Nun trage ich ¨Gurt¨ und in der Hitze ist er fast störend.
Der Spruch des gestrigen Tages stammt aus dem Café ¨ Upstairs Downstairs¨, wo wir Netzanschluss und den besten Cappuccino in Clifden haben. Eine Frau kommt mit ihrer Kaffeetasse durch die Tür: ¨Could I also sit inside - it is to hot in the sun¨ ... Und wir müssen herzhaft lachen. Solch ein Satz in Irland!
Von den Lieben in Deutschland hören wir von Dauerregen, 12° an der Ostsee - und wir sitzen im Sommer in Irland!  


Clifden ist ja immer auch Shopping!  Ich habe - endlich - ein paar gute, leichte Schuhe auch für unwegsames Gelände gefunden... Und noch wasserdicht. Ich suche schon so lange danach. Nun bin ich - zusammen mit der hervorragenden Jacke von ¨Jack Wolfskin¨ (wasserdicht, winddicht und atmunungsaktiv) bestens für die Insel ausgestattet.
Die dicken Stiefel, die ich noch in den ersten Tagen am Strand trug, sind längst wieder im Karton und ich hoffe, sie können dort bleiben. Man soll das gute Wetter nicht beschwören... Und wir geniessen es einfach - Tag für Tag, wissend, wie es sich hier auch anfühlen kann.
2009 waren wir in Blickweite im ¨Lakeview Cottage¨ und hatten zwei Wochen Regen. Es war unser verregnetster Irlandurlaub und das soll bitte so bleiben.
Damals beschlossen wir eine Irlandpause und hielten sie tatsächlich auch ein - aber nun soll es keine Pausen mehr geben, sondern die Zeit, die wir verbringen, möge sich nur noch verlängern.
Ich träume davon, noch mehr in den Tag leben zu können, nicht ständig an all die Aufgaben zu denken, die zu erledigen sind.... Und alles geht ohnehin seinen irischen Gang!
So kommt das für heute versprochene Fenster für den ¨sun room¨ frühestens nächsten Freitag und daran glaube ich auch nicht mehr. Eines der Fenster ist völlig eingetrübt, Feuchtigkeit zwischen den Scheiben und wir können nur schwer hindurchsehen... Zwei Fenster sind ja letztes Mal ausgetauscht worden, die das gleich Problem hatten.
Dann soll heute noch ein Gärtner kommen, der die Wiese ¨trimmt¨ - eigentlich müsste auch er schon da sein..  Fechine wollte heute nun endlich kommen - und läßt nichts von sich hören, geschweige denn, sich blicken.  Wir sind eigentlich ¨durch¨ mit ihm und müsse nun am Wochenende mit Peter und Cornelia besprechen, wie wir weiter verfahren. 

Unsere ausgehängten Zettel im Supermarkt mit der Suche nach einem ¨handyman¨ für das Haus hat Erfolg gehabt! Ein naher Nachbar - Matthew - hat sich gefunden und wird diesen Job nun erst einmal für ein Jahr machen. Er ist Klempner, was sehr gut ist  und er hat die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, als er die (unfertigen) Arbeiten von Fechine sah... Er wäre also in der Lage, die Arbeiten fertigzustellen, was etwas sehr Beruhigendes hat.
Erst einmal aber warten wir auf Peter und Cornelia, auf die wir uns auch sehr freuen!  Sonntag werden wir für sie kochen und Donnerstag sind wir schon jetzt bei ihnen zum Dinner eingeladen. Sie sind wirklich ein riesiger Lichtblick was die Hausangelegenheiten angeht. Als ich zu Cornelia meinte, ¨...you are very German¨ - lachte sie herzhaft und meinte, sie wisse das. Sie habe ja auch einen deutschen Namen und ihre Schwester übrigens auch: sie heißt Gabriele :)  Ihre Eltern liebten deutsche Namen.



Hans-Jürgen ist mit der Gartenarbeit wieder ein riesiges Stück vorangekommen. Ich bewundere seine Ausdauer und die Kraft seiner Hände... Er hat die ganze Zufahrt, an der Astrid schon - auf dem Bauch liegend - Unkraut zupfte, heute so gut wie fertig bekommen... Täglich sieht es besser aus..oder jedenfalls ordentlicher.  Der Nachbar ist heute mit einem Gifttank auf dem Rücken seinen ¨driveway¨ abgeschritten - so geht es natürlich auch. Aber das wollen wir nicht.
Das schönste aber ist, dass wir gestern bei LIDL zwei Rosentöpfe erstanden haben, die nun - einer vor dem Haus und einer hinter dem Haus -  an der Hauswand gepflanzt sind.  Mögen sie blühen und dem Haus eine neue, hübsche  Note verleihen!! Wir sind sehr gespannt! Wir staunen, wie wenig Rosen man hier sieht. Das Klima ist doch dem britischen sehr ähnlich und dort kommen die schönsten Rosenzüchtungen her. 
Unser handyman, ja künftig auch den Rasen mähen soll, hat schon angedeutet, dass auch er nicht viel von Blumen und Pflanzen hält, in dem er mit festem Schritt in unseren kleinen ¨herb garden¨ hinter dem Haus an der Terrasse, auf dem hohe Minze wächst und wunderbar duftet, wenn der Wind sanft darüber streicht, trat.  Leider liegen dort die beiden Abflüsse, die Fechine nicht fertiggestellt hat. So werden wir damit rechnen müssen, dass die Kräuter erst einmal ¨dem Erdboden gleich¨ gemacht werden - aber sie haben immerhin den gesamten Umbau überlebt und so werden sie auch Matthew überstehen! 




Im Moment sind Hans-Jürgen und Matthew dabei, einen Außenwasserhahn anzubringen. Wir müssen - und das ist auch kaum fassbar - giessen! Vergeblich haben wir in Clifden nach einer Gießkanne gesucht und zu fragen wagt man sich kaum. Niemand giesst hier seinen Garten... Der Himmel erledigt dies und eigentlich ist es sicher feucht genug, nur Neuanpflanzungen müssen nun einmal gegossen werden. Wir behelfen uns mit den leeren 5l Boxen, in denen wir unser Trinkwasser kaufen.
Im Dickicht des Garten kommt auch immer wieder etwas zum Vorschein, worüber wir hoch erfreut sind. So hat sich ein (angenommenes) Gras gestern in eine dritte Palme verwandelt. Noch recht klein, aber die anderen beiden wachsen so schnell, dass auch diese bald eine ¨richtige Palme¨ sein wird. 
Einige Hecken blühen sehr schön, andere sehen etwas grau aus.. Aber das ist auch bei den Nachbarn nicht anders. Vielleicht brauchen sie noch eine Weile, sich zu entfalten. Wir müssen unseren Garten tatsächlich erst einem kennenlernen, sehen, was wo wächst. Spannend!
Der Gärtner ist noch immer nicht da - aber es wird ja bekanntlich spät dunkel!  Gestern waren wir wieder um 21 Uhr am Strand. Dies ist uns zu einer schönen Gewohnheit geworden. Im Moment ist Flut, so dass wir uns auf eine windgeschützte Bank setzen und der Sonne zusehen, wie sie langsam im Meer versinkt..  Manchmal ist jemand mit seinem Hund unterwegs... ¨lovely evening, isnt't it?¨ - ¨ Yes its brillant¨¨... Und wenn jemand, der einem begegnet nichts sagt, dann ist er/sie nicht irisch! 


Inzwischen ist der Gärtner am arbeiten und ich bin gespannt, wie unsere gemähte Wiese aussehen wird. Ein anderer Gärtner, der die Hecken schnitt im letzten Jahr, meinte, die Wiese sei ¨ uncuttable¨. Mal sehen!
Heute wollen wir in Clifden essen. Bisher haben wir gekocht - und es macht Freude in der tollen Küche, die perfekt ausgerüstet ist. Noch hat es uns an nichts gefehlt!




Clifden hat sich belebt, die Touristen sind da. Sehr viele Deutsche in diesem Jahr. Die Cafés am ¨Square¨ sind voll, die Reiselektüre liegt auf den Tischen und verrät die Nationalitäten im Vorübergehen :) Es gibt neue kleine Läden mit viel Andenkenkram - meist billig und aus China. Aber es gibt auch hübsche kleine Dinge und ich stöbere gerne in den Geschäften. Es tut gut, hin und wieder unter Menschen zu sein und die Freundlichkeit ist stets wie eine wohltuende warme Dusche. Warum gönnen wir und dies nicht in Deutschland. Es macht das Leben so viel einfacher und angenehmer!  Wieder begeistert mich die ¨lebendige Schlange¨ an der Kasse eines jeden Supermarktes. Sicherlich hat dies etwas mit Kleinstadt und Land zu tun und vielleicht ist es in Dublin oder Cork genau so anonym und langweilig wie bei uns :)

Ich möchte nicht verklären, denn es gibt auch immer wieder Enttäuschung. So ist zum Beispiel Sinead, unsere Maklerin, zu der wir einen engen, lebendigen und sehr herzlichen Kontakt hatten, für uns grundlos, abgetaucht.  Nun drücken wir uns an ihrem Schaufenster vorbei und sehen sie drin am PC arbeiten. Das ist schade.  Aber wir haben gelernt - und das seit vielen Jahren im Kontakt mit Menschen - dass wir sie ziehenlassen müssen, wenn sie kein Interesse mehr an einem Kontakt signalisieren. Es scheint eine der Besonderheiten im menschlichen Umgang zu sein, dass ¨Freundschaft¨ eine ganz andere Bedeutung hat - oberflächlicher, austauschbarer, aber solange sie besteht - von übergroßer Herzlichkeit - ist.  Jedenfalls ist dies unsere Erfahrung.
Vielleicht liegt es auch an uns. Ich weiß es nicht.  Wir sind jedenfalls vorsichtiger geworden und genießen mit etwas mehr Distanz :)

Ich lese wieder bei Markus Bäuchle:  ¨ Irland - ein Länderportrait¨.  Er lebt seit 2000 hier und er hat ein wirklich aufschlussreiches, gut recherchiertes und humorvolles Buch geschrieben.

¨Die Iren stehen im Ruf, etwas ganz besonderes zu sein:  Das Volk der ¨Gelehrten und Heiligen¨, der Dichter und der Musiker galt als anders, als individualistisch, exzentrisch, ja anarchisch. Iren hielt man für Improvisationskünstler, für besonders spontan und kreativ, für redegewandt und gewitzt, für durchaus schlitzohrige, gewandte Lebenskünstler denen die Muße vor der Arbeit kommt..Das war allerdings nicht immer so:  Noch Mitte des 19JH beschrieb der Bremer Reiseschrftsteller J.G. Kohl die Iren als ¨ arbeitsscheue, streitsüchtige Querköpfe, phantasievolle Lügner, wild, zerlumpt, verkommen, charakterlos, grausam, rachsüchtig, ungesetzlich, leichtsinnig, abergläubisch, unordentlich und geschwätzig.. Auch die irischen Einwanderer im Amerika des 19 JH hatten sich ein einschlägiges Paddy-Image erarbeitet, das sie als ewig betrunkene Verlierer, als Wirtshausschläger, unzuverlässige Gesellen, aber auch als großartige Entertainer, Musiker und Redenschwinger bezeichnete. Im Lauf der Zeit wandelte sich das Image von dem Barbaren und Wilden von der Insel zum Bild von den immer freundlichen, sanftmütigen, ja unschuldigen und tief spirituellen Iren, von Menschen, die einen direkten Zugang zu anderen Wirklichkeiten haben und die am Ende sogar selig im Chor Lieder anstimmen, wenn ihre Mannschaft ein wichtiges Spiel verliert (während andere Fans anderer Nationalitäten lieber randalieren und ganze Fußgängerzonen verwüsten).....¨

Bäuchle führt weiter aus, dass nicht zuletzt auch der Einfluss der Popmusik mit Gruppen wie Enya, Clannad, Van Morisson, Bono von U2, Bob Geldorf oder Shane MacGowen die gesellschaftliche Veränderung Irland nach außen spiegelten und vorantrieben.

Für uns ist Musik durchaus ein Einstieg gewesen:  U2 war eine der uns verbindenden Gruppen und ein Konzert in Berlin dieser Band bleibt unvergesslich. 
Enya, Moya Brennen und so viele Gruppen waren mir Trost nach Florians Tod. Ich weiß nicht, was ich ohne diese Musik, die all den Schmerz und zugleich doch auch so viel Schönheit auszudrücken vermochte, getan hätte.. Und nicht nur die Musik.  Die Bücher von John O'Donohue, allen voran A Anam Cara¨ waren eine nie versiegende Quelle des Trostes. Irland begleitete uns schon lange, bevor wir die Insel 1994 zum ersten Mal kennen und sofort lieben lernten....

Draußen brummt der Trimmer und ein - aus meiner Kindheit bekannter - Duft von gemähtem Gras liegt rund ums Haus in der Luft. Meine Befürchtung, dass die gemähte Wiese nicht mehr schön, sondern nur ordentlich aussehen könnte, bewahrheitet sich nicht! Der Boden bekommt eine neue Struktur - das ist interessant und dort, wo es vorher schöner war, wird Gras und werden die Blumen zurückkommen!  Um die großen ¨Magariten-Inseln¨ im Garten wird drum herum gemäht!

Heute sitze ich im¨sun room¨ und mein Blick fällt auf den Bog und die Berge und den See, dessen Blau sich zwischen Bog und Berge schiebt. Das Licht, der sich zum Untergang bereit machenden Sonne ist mild und schärft die Konturen.
Nebenan über die Felsen hoppeln zwei dicke, auffallend große Hasen.

Vor dem Haus wird sich bald die Sonne auf ihren Weg machen und uns ihr unvergleichliches Glühen hinterlassen.
Ein abendliches, wundervolles Spektakel!




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