30.5.2014
Ich
wünschte, ich könnte die Tage nun festhalten und doch verstreichen sie,
wenngleich nicht so schnell wie in Berlin.
Sie sind angefüllt mit Schönheit, mit vielen unterschiedlichen Gefühlen
und noch gleicht kein Tag dem anderen.
Auch
heute hat uns die Sonne schon recht früh aus dem Bett geholt. Wir fassen es
nicht und freuen uns wie Kinder! Wieder
Frühstück auf der kleinen Terrasse, aus deren Fugen jetzt Margeriten und
Frauenmantel wächst. Hier darf so vieles
wachsen, was wir zu Hause wohl als Unkraut entfernen würden..
Mein
Rücken macht mir leider noch immer sehr zu schaffen und gestern haben wir in
Clifden die nächsten Wärmepflaster gekauft... Nun trage ich ¨Gurt¨ und in der
Hitze ist er fast störend.
Der
Spruch des gestrigen Tages stammt aus dem Café ¨ Upstairs Downstairs¨, wo wir
Netzanschluss und den besten Cappuccino in Clifden haben. Eine Frau kommt mit
ihrer Kaffeetasse durch die Tür: ¨Could I also sit inside - it is to hot in the
sun¨ ... Und wir müssen herzhaft lachen. Solch ein Satz in Irland!
Von
den Lieben in Deutschland hören wir von Dauerregen, 12° an der Ostsee - und wir
sitzen im Sommer in Irland!
Clifden ist ja immer auch Shopping! Ich habe - endlich - ein paar gute, leichte Schuhe auch für unwegsames Gelände gefunden... Und noch wasserdicht. Ich suche schon so lange danach. Nun bin ich - zusammen mit der hervorragenden Jacke von ¨Jack Wolfskin¨ (wasserdicht, winddicht und atmunungsaktiv) bestens für die Insel ausgestattet.
Die
dicken Stiefel, die ich noch in den ersten Tagen am Strand trug, sind längst
wieder im Karton und ich hoffe, sie können dort bleiben. Man soll das gute
Wetter nicht beschwören... Und wir geniessen es einfach - Tag für Tag, wissend,
wie es sich hier auch anfühlen kann.
2009
waren wir in Blickweite im ¨Lakeview Cottage¨ und hatten zwei Wochen Regen. Es
war unser verregnetster Irlandurlaub und das soll bitte so bleiben.
Damals
beschlossen wir eine Irlandpause und hielten sie tatsächlich auch ein - aber
nun soll es keine Pausen mehr geben, sondern die Zeit, die wir verbringen, möge
sich nur noch verlängern.
Ich
träume davon, noch mehr in den Tag leben zu können, nicht ständig an all die
Aufgaben zu denken, die zu erledigen sind.... Und alles geht ohnehin seinen
irischen Gang!
So
kommt das für heute versprochene Fenster für den ¨sun room¨ frühestens nächsten
Freitag und daran glaube ich auch nicht mehr. Eines der Fenster ist völlig
eingetrübt, Feuchtigkeit zwischen den Scheiben und wir können nur schwer
hindurchsehen... Zwei Fenster sind ja letztes Mal ausgetauscht worden, die das
gleich Problem hatten.
Dann
soll heute noch ein Gärtner kommen, der die Wiese ¨trimmt¨ - eigentlich müsste
auch er schon da sein.. Fechine wollte
heute nun endlich kommen - und läßt nichts von sich hören, geschweige denn,
sich blicken. Wir sind eigentlich
¨durch¨ mit ihm und müsse nun am Wochenende mit Peter und Cornelia besprechen,
wie wir weiter verfahren.
Unsere
ausgehängten Zettel im Supermarkt mit der Suche nach einem ¨handyman¨ für das
Haus hat Erfolg gehabt! Ein naher Nachbar - Matthew - hat sich gefunden und
wird diesen Job nun erst einmal für ein Jahr machen. Er ist Klempner, was sehr
gut ist und er hat die Hände über dem
Kopf zusammengeschlagen, als er die (unfertigen) Arbeiten von Fechine sah... Er
wäre also in der Lage, die Arbeiten fertigzustellen, was etwas sehr
Beruhigendes hat.
Erst
einmal aber warten wir auf Peter und Cornelia, auf die wir uns auch sehr
freuen! Sonntag werden wir für sie
kochen und Donnerstag sind wir schon jetzt bei ihnen zum Dinner eingeladen. Sie
sind wirklich ein riesiger Lichtblick was die Hausangelegenheiten angeht. Als
ich zu Cornelia meinte, ¨...you are very German¨ - lachte sie herzhaft und
meinte, sie wisse das. Sie habe ja auch einen deutschen Namen und ihre
Schwester übrigens auch: sie heißt Gabriele :)
Ihre Eltern liebten deutsche Namen.
Hans-Jürgen
ist mit der Gartenarbeit wieder ein riesiges Stück vorangekommen. Ich bewundere
seine Ausdauer und die Kraft seiner Hände... Er hat die ganze Zufahrt, an der
Astrid schon - auf dem Bauch liegend - Unkraut zupfte, heute so gut wie fertig
bekommen... Täglich sieht es besser aus..oder jedenfalls ordentlicher. Der Nachbar ist heute mit einem Gifttank auf
dem Rücken seinen ¨driveway¨ abgeschritten - so geht es natürlich auch. Aber
das wollen wir nicht.
Das
schönste aber ist, dass wir gestern bei LIDL zwei Rosentöpfe erstanden haben,
die nun - einer vor dem Haus und einer hinter dem Haus - an der Hauswand gepflanzt sind. Mögen sie blühen und dem Haus eine neue,
hübsche Note verleihen!! Wir sind sehr
gespannt! Wir staunen, wie wenig Rosen man hier sieht. Das Klima ist doch dem
britischen sehr ähnlich und dort kommen die schönsten Rosenzüchtungen her.
Unser
handyman, ja künftig auch den Rasen mähen soll, hat schon angedeutet, dass auch
er nicht viel von Blumen und Pflanzen hält, in dem er mit festem Schritt in
unseren kleinen ¨herb garden¨ hinter dem Haus an der Terrasse, auf dem hohe
Minze wächst und wunderbar duftet, wenn der Wind sanft darüber streicht,
trat. Leider liegen dort die beiden
Abflüsse, die Fechine nicht fertiggestellt hat. So werden wir damit rechnen
müssen, dass die Kräuter erst einmal ¨dem Erdboden gleich¨ gemacht werden -
aber sie haben immerhin den gesamten Umbau überlebt und so werden sie auch
Matthew überstehen!
Im
Moment sind Hans-Jürgen und Matthew dabei, einen Außenwasserhahn anzubringen.
Wir müssen - und das ist auch kaum fassbar - giessen! Vergeblich haben wir in
Clifden nach einer Gießkanne gesucht und zu fragen wagt man sich kaum. Niemand
giesst hier seinen Garten... Der Himmel erledigt dies und eigentlich ist es
sicher feucht genug, nur Neuanpflanzungen müssen nun einmal gegossen werden.
Wir behelfen uns mit den leeren 5l Boxen, in denen wir unser Trinkwasser
kaufen.
Im
Dickicht des Garten kommt auch immer wieder etwas zum Vorschein, worüber wir
hoch erfreut sind. So hat sich ein (angenommenes) Gras gestern in eine dritte
Palme verwandelt. Noch recht klein, aber die anderen beiden wachsen so schnell,
dass auch diese bald eine ¨richtige Palme¨ sein wird.
Einige
Hecken blühen sehr schön, andere sehen etwas grau aus.. Aber das ist auch bei
den Nachbarn nicht anders. Vielleicht brauchen sie noch eine Weile, sich zu
entfalten. Wir müssen unseren Garten tatsächlich erst einem kennenlernen,
sehen, was wo wächst. Spannend!
Der
Gärtner ist noch immer nicht da - aber es wird ja bekanntlich spät dunkel! Gestern waren wir wieder um 21 Uhr am Strand.
Dies ist uns zu einer schönen Gewohnheit geworden. Im Moment ist Flut, so dass
wir uns auf eine windgeschützte Bank setzen und der Sonne zusehen, wie sie
langsam im Meer versinkt.. Manchmal ist
jemand mit seinem Hund unterwegs... ¨lovely evening, isnt't it?¨ - ¨ Yes its
brillant¨¨... Und wenn jemand, der einem begegnet nichts sagt, dann ist er/sie
nicht irisch!
Inzwischen
ist der Gärtner am arbeiten und ich bin gespannt, wie unsere gemähte Wiese
aussehen wird. Ein anderer Gärtner, der die Hecken schnitt im letzten Jahr,
meinte, die Wiese sei ¨ uncuttable¨. Mal sehen!
Heute
wollen wir in Clifden essen. Bisher haben wir gekocht - und es macht Freude in
der tollen Küche, die perfekt ausgerüstet ist. Noch hat es uns an nichts
gefehlt!
Clifden hat sich belebt, die Touristen sind da. Sehr viele Deutsche in diesem Jahr. Die Cafés am ¨Square¨ sind voll, die Reiselektüre liegt auf den Tischen und verrät die Nationalitäten im Vorübergehen :) Es gibt neue kleine Läden mit viel Andenkenkram - meist billig und aus China. Aber es gibt auch hübsche kleine Dinge und ich stöbere gerne in den Geschäften. Es tut gut, hin und wieder unter Menschen zu sein und die Freundlichkeit ist stets wie eine wohltuende warme Dusche. Warum gönnen wir und dies nicht in Deutschland. Es macht das Leben so viel einfacher und angenehmer! Wieder begeistert mich die ¨lebendige Schlange¨ an der Kasse eines jeden Supermarktes. Sicherlich hat dies etwas mit Kleinstadt und Land zu tun und vielleicht ist es in Dublin oder Cork genau so anonym und langweilig wie bei uns :)
Ich
möchte nicht verklären, denn es gibt auch immer wieder Enttäuschung. So ist zum
Beispiel Sinead, unsere Maklerin, zu der wir einen engen, lebendigen und sehr
herzlichen Kontakt hatten, für uns grundlos, abgetaucht. Nun drücken wir uns an ihrem Schaufenster
vorbei und sehen sie drin am PC arbeiten. Das ist schade. Aber wir haben gelernt - und das seit vielen
Jahren im Kontakt mit Menschen - dass wir sie ziehenlassen müssen, wenn sie
kein Interesse mehr an einem Kontakt signalisieren. Es scheint eine der
Besonderheiten im menschlichen Umgang zu sein, dass ¨Freundschaft¨ eine ganz
andere Bedeutung hat - oberflächlicher, austauschbarer, aber solange sie
besteht - von übergroßer Herzlichkeit - ist.
Jedenfalls ist dies unsere Erfahrung.
Vielleicht
liegt es auch an uns. Ich weiß es nicht.
Wir sind jedenfalls vorsichtiger geworden und genießen mit etwas mehr
Distanz :)
Ich
lese wieder bei Markus Bäuchle: ¨ Irland
- ein Länderportrait¨. Er lebt seit 2000
hier und er hat ein wirklich aufschlussreiches, gut recherchiertes und
humorvolles Buch geschrieben.
¨Die
Iren stehen im Ruf, etwas ganz besonderes zu sein: Das Volk der ¨Gelehrten und Heiligen¨, der
Dichter und der Musiker galt als anders, als individualistisch, exzentrisch, ja
anarchisch. Iren hielt man für Improvisationskünstler, für besonders spontan
und kreativ, für redegewandt und gewitzt, für durchaus schlitzohrige, gewandte
Lebenskünstler denen die Muße vor der Arbeit kommt..Das war allerdings nicht
immer so: Noch Mitte des 19JH beschrieb
der Bremer Reiseschrftsteller J.G. Kohl die Iren als ¨ arbeitsscheue,
streitsüchtige Querköpfe, phantasievolle Lügner, wild, zerlumpt, verkommen,
charakterlos, grausam, rachsüchtig, ungesetzlich, leichtsinnig, abergläubisch,
unordentlich und geschwätzig.. Auch die irischen Einwanderer im Amerika des 19
JH hatten sich ein einschlägiges Paddy-Image erarbeitet, das sie als ewig
betrunkene Verlierer, als Wirtshausschläger, unzuverlässige Gesellen, aber auch
als großartige Entertainer, Musiker und Redenschwinger bezeichnete. Im Lauf der
Zeit wandelte sich das Image von dem Barbaren und Wilden von der Insel zum Bild
von den immer freundlichen, sanftmütigen, ja unschuldigen und tief spirituellen
Iren, von Menschen, die einen direkten Zugang zu anderen Wirklichkeiten haben
und die am Ende sogar selig im Chor Lieder anstimmen, wenn ihre Mannschaft ein
wichtiges Spiel verliert (während andere Fans anderer Nationalitäten lieber
randalieren und ganze Fußgängerzonen verwüsten).....¨
Bäuchle
führt weiter aus, dass nicht zuletzt auch der Einfluss der Popmusik mit Gruppen
wie Enya, Clannad, Van Morisson, Bono von U2, Bob Geldorf oder Shane MacGowen
die gesellschaftliche Veränderung Irland nach außen spiegelten und
vorantrieben.
Für
uns ist Musik durchaus ein Einstieg gewesen:
U2 war eine der uns verbindenden Gruppen und ein Konzert in Berlin
dieser Band bleibt unvergesslich.
Enya,
Moya Brennen und so viele Gruppen waren mir Trost nach Florians Tod. Ich weiß
nicht, was ich ohne diese Musik, die all den Schmerz und zugleich doch auch so
viel Schönheit auszudrücken vermochte, getan hätte.. Und nicht nur die
Musik. Die Bücher von John O'Donohue,
allen voran A Anam Cara¨ waren eine nie versiegende Quelle des Trostes. Irland
begleitete uns schon lange, bevor wir die Insel 1994 zum ersten Mal kennen und
sofort lieben lernten....
Draußen
brummt der Trimmer und ein - aus meiner Kindheit bekannter - Duft von gemähtem
Gras liegt rund ums Haus in der Luft. Meine Befürchtung, dass die gemähte Wiese
nicht mehr schön, sondern nur ordentlich aussehen könnte, bewahrheitet sich
nicht! Der Boden bekommt eine neue Struktur - das ist interessant und dort, wo
es vorher schöner war, wird Gras und werden die Blumen zurückkommen! Um die großen ¨Magariten-Inseln¨ im Garten
wird drum herum gemäht!
Heute
sitze ich im¨sun room¨ und mein Blick fällt auf den Bog und die Berge und den
See, dessen Blau sich zwischen Bog und Berge schiebt. Das Licht, der sich zum
Untergang bereit machenden Sonne ist mild und schärft die Konturen.
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