14.09.2020
Das Wetter will diesmal einfach nicht so wie wir und so müssen wir uns mit dem irischen Herbst anfreunden und viel Wind, Regen und schnelle Wetterwechsel hinnehmen. Wir lassen geschehen, was wir nicht beeinflussen können, denn unsere Stimmung unterliegt unserer inneren Zustimmung oder Ablehnung und damit der guten oder schlechten Laune.
I
would love to
live
Like a river
flows,
Carried by the
surprise
Of its own
unfolding."
John O' Donohue
Wir besuchen die Orte, die wir besonders lieben - wie den alten Ballyconneely Friedhof.
Die Schönheit im Kleinen entdecken, das ist, was Connemara uns aufgibt!
Es wird leerer hier. Die Kinder sind zurück in der Schule. Nun sollen auch die Pubs - voraussichtlich morgen - öffnen. Man scheint gewartet zu haben, bis die Menschen wieder zu Hause sind und der befürchtete Andrang ausbleiben wird. Die Zeit der geschlossenen Pubs scheint durchaus auch positive Auswirkungen zu haben. Ich lese mit Interesse Diskussionen im Internet. Viele sehen in der Schließuung eine große Chance, sich die Zeit auch anders zu vertreiben als mit einem Pint in der Hand - Abend für Abend. Vielleicht entdeckt man neue Formen, das soziale Leben in den Dörfern und Städten zu gestalten. Aber ich halte mich da lieber raus. Ich trinke keinen Alkohol und kann die Begeisterung für das Publeben nur begrenzt nachvollziehen. Die Ursprünglichkeit ist meist ohnehin nicht mehr zu spüren, da der Tourismus und die Erwartungen, das vorzufinden, was man sich unter Pub vorstellt - oft ziemlich plakativ "bedient" werden.
Das spontane Zusammenspiel von Musikern ist längst vorbei - und engagierte Gruppen haben übernommen und spielen "auf Zuruf" - und das oft aus Gruppen bestehene Publikum klatscht dazu.. Unerträglich finde ich und erinnere mich noch sehr gut der ersten Pub-Erfahrungen in Tipperary... Aber das ist Nostalgie. Irland ist ein anderes Irland geworden -und das ist überwiegend sicher gut so!
Auf unserem Weg zur Ballynahinch-Quelle entschlossen wir uns, uns den neuen GREEN WAY, der noch nicht eröffnet ist, was aber niemanden aufhält durch die Absperrungen hindurch zu klettern und dann eröffnet sich ein ganz wundervoller Weg! Er führt über die alte Eisenbahnbrücke, die neu umgebaut wurde, auf der ehemaligen Bahntrasse, die nun ein komfortabler, breiter Radweg ist, durch Wald und Boglandschaft. 6 neue Kilometer - Richtung Clifden - erweitern den bereits bestehenden Green Way um Ballynahinch. Geplant ist die Strecke von Galway nach Clifden. Fertigstellung? Keine Ahnung und die Sensation ist vielleicht, dass überhaupt etwas für den Radverkehr in Irland getan wird. Könnte der Region etliche neue Touristen bringen.
Die Blicke über die Boglandschaft mit ihren Seen, Ruinen inmitten kleiner Wäldchen, die Haus und Garten einmal gegen den Wind schützen sollten. Ein grasendes Connemara Pony und einige versprengte Schafe im braun-grünen Bogland. Wirklich eine unglaubliche Idylle und nichts als Ruhe!
Hier liefen gestern junge Familien mit ihren Kindern auf dem Laufrad oder dem Roller, Frauen beim Walking und selbst jemand, der die Brombeeren am Wegrand pflückte. Jeder grüßt selbstverständlich und wünscht einen schönen Tag. Es ist zum Wohlfühlen hier in solchen Momenten!
Astrids Besuch habe ich erwähnt. Sie war 4 Tage bei uns und wir hatten es gut mit einander. Es ist immer wieder schmerzlich zu hören, wie das, was Camphill einmal war, zur absoluten Bürokratie und von Unsinnigkeiten strotzende Reglementierung geworden ist. So durfte Pete während des Lockdown nicht im Garten arbeiten. Alles was in diesen Monaten hätte geerntet und verzehrt werden können, blieb liegen und verkam. Statt Gemüse und Salat und eigenes Obst, wurde auf Tiefkühlkost für die Menschen umgestellt - und immer mehr Fleisch angeboten und gegessen.
Eigeninitiative und Engagement sind nicht mehr gefragt. Die ¨Specials¨ bekommen ihre ¨Betreuer¨ und diese genaue Anweisungen, wie sie sie zu ¨bespassen¨ haben und genau zu dokumentieren! Das hat nichts mehr mit Community und mit ihnen gemeinsam Leben zu tun. Es ist Hohn, dass der Name Camphill überhaupt noch verwendet wird. Jedenfalls würden sich die Begründer dieser wundervollen Bewegung heute im Grab herumdrehen.
Dass Irland Deutschland einmal an bürokratischem Wahnsinn toppen würde, hätten wir uns niemals vorstellen können. Heute ist es aber der Fall!
Wir lassen das Wetter weiterhin unsere Tage bestimmen und sind viel im
Haus. Nicht, dass ich mich darüber beschwere! Es gibt auch dort immer etwas zu tun. Hans läuft mit den Farbeimern durch die Zimmer und bessert hier und dort aus. Claudia schaut ab und zu vorbei. Auch für sie ist die Vermietung an die Iren eine Veränderung und wir besprechen neue Strategien für ihre Arbeit... Sie hat einige Häuser abgegeben, weil ihr die Arbeit über den Kopf wuchs, uns aber versichert, dass unser Haus 🏡 unter Ihrer Obhut bleibt, weil sie es liebt!
Wir lesen viel. Ich habe gerade das neue Buch von Hugo Hamilton, ¨Palmen in Dublin¨ zu Ende gelesen. Es hat mir sehr gut gefallen. Hugo Hamilton, ein Wanderer zwischen den Sprachen, den Welten. Mit einer deutschen Mutter und einem irischen Vater, der das Englische verteufelte und von den Kindern verlangte in der Schattensprache, wie Hamilton das Gälische in diesem Buch nennt, zu sprechen, aufgewachsen, fällt es ihm auch noch im Erwachsenenalter schwer, seine Heimat zu finden. Aus Berlin zurück, lebt er mit seiner Familie in Dublin, wo er schwerer Fuß fassen kann als die Palmen in den Vorgärten, die hier offenbar gut gedeihen. Sie werden dem Ich-erzähler zum Sinnbild für seine eigene Wurzellosigkeit.
Wir haben alle Bücher von Hamilton gelesen und vielleicht ist es nicht ganz unwichtig, auf diese Erinnerungen zurückgreifen zu können, um die schwierige, zweifelnde und oft verzweifelte Person besser zu verstehen. ¨Palmen in Dublin¨ ist nicht nur eine Familiengeschichte, es sind viele kleine Geschichten, die Hamilten zu einer großen vereint. Es geht im das Ankommen und Verlassen und das Thema ist sehr zeitlos und aktuell. Eine Empfehlung zum Lesen!
Heute oder morgen beginnt das ¨ Arts Festival¨ und wir freuen uns sehr auf diese schöne Abwechslung. Auch das abgespeckte und auf eine Woche verkürzte Programm hält Hochkarätiges für uns bereit. Iarla Ó Lionàird! Besser hätten wir es nicht erwischen können. Zusammen mit seinem Gitaristen Steve Cooney sind wir beschenkt mit einem sicherlich wundervollen Konzert. Wir haben beide schon in Doolin zusammen gesehen - eine unglaubliche Dichte von Musik und Unterhaltung, denn Iarla ist ein bezaubernder, witziger Entertainer. Große Freude!
Dann haben wir Karten für einen irischen Kurzfilm: ¨Ciúnas¨ (Silence) von Tristan Heanue. Hier lassen wir uns einfach überraschen.
Natürlich gibt es Ausstellungen und auch Cilfden selbst wird wieder ein ¨ open air museum¨, wenn in allen Schaufenstern Kunst ausgestellt werden wird.
Und dann kommt es noch, das gute Wetter und schenkt uns einige Tage, die wir an den Stränden verbringen, glücklich und begeistert!
💚💚💚💚💚
Hier enden meine Aufzeichnungen und ich lasse es dabei bewenden...
Ich danke Euch, dass Ihr Euch die Zeit genommen und mir zugehört habt!
Ich wünsche Euch und uns, dass der Virus unser Leben in Zukunft hoffentlich weniger beeinträchtigen und bestimmen wird. Bleibt gesund und paßt auf Euch auf.
Gabriele
P.S. Verzeiht die unterschiedlichen Schriften. Die Übertragung vom Tablet funktionierte nicht gut! Auf Fehler könnt Ihr mich gerne aufmerksam machen 😉
Danke, dass du mich mitgenommen hast mit deinen Gedanken, Bildern, Texten in diese ganz besondere Welt, die Landschaft, die Menschen, das Glück und die Trauer Mikus
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